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"Deutsche Nabelschau ist nicht die angemessene Antwort"

31. Dezember 2001

DW-Intendant Erik Bettermann hat sich zum Jahreswechsel an die Hörerinnen und Hörer der Deutschen Welle gewandt. Dabei äußerte er sich auch zu seinen Plänen für das Jahr 2002.

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Bild: www.bremen.de

Liebe Hörerinnen und Hörer,

das Jahr 2001 neigt sich dem Ende zu. In wenigen Stunden werden Menschen in aller Welt - zuerst auf Inseln im Pazifik, zuletzt in Hawaii - den Beginn des neuen Jahres begehen. Viele werden ihn bewusster feiern als in der Vergangenheit.

Denn das zurückliegende Jahr war ein besonderes. Nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte Welt.

Dass auch im 21. Jahrhundert Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Staaten, ethnischen und religiösen Gruppen traurige Realität bleiben würden, war schon länger bittere Gewissheit. Ob Nordirland oder Mazedonien - selbst in der Mitte Europas sind wir von einem dauerhaft friedlichen Miteinander noch weit entfernt, wurden wir immer wieder Zeugen von Gewalt und Terror.

Der schöne Traum von einer friedlichen Weltordnung - aus ihm wurden wir spätestens am 11. September herausgerissen. Die erschütternden Bilder aus New York und Washington, vom Fernsehen live übertragen, haben sich unauslöschlich in die kollektive Erinnerung eingebrannt. Die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York haben mit aller Wucht den Preis für unser uneingeschränktes "Ja" zum Modell einer freien und offenen Gesellschaft im Zeitalter der Globalisierung gezeigt. Bis dahin gültige Parameter politischen Handelns wurden relativiert.

Die Terroranschläge markieren einen Paradigmenwechsel in der deutschen Politik. Deutsche Nabelschau, das dürfte auch dem letzten klar geworden sein, ist nicht die angemessene Antwort auf die Fragen, die Menschen weltweit in der aktuellen politischen Konstellation bewegen. Mehr als zehn Jahre nach der Wiedervereinigung erwarten unsere Nachbarn und die USA, aber auch viele Entwicklungs- und Schwellenländer, von Deutschland, mit seiner wirtschaftlichen Kraft im Herzen Europas, entsprechend diesem Gewicht auch politische Verantwortung zu übernehmen.

Die Reaktionen in Deutschland auf diese Frage umfassend und so objektiv wie möglich darzustellen, das war 2001 eine der zentralen Aufgaben der Deutschen Welle. Indem wir zeigen, dass auch in unserer demokratischen, pluralistisch verfassten Gesellschaft politischer Konsens täglich aufs Neue mühsam erarbeitet werden muss, leisten wir mit unserer Berichterstattung unseren spezifischen Beitrag zum Dialog der Kulturen.

Dieser Dialog wird in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Die Vision vom "globalen Dorf" mag technisch bereits realisiert sein, mental trennen die Gesellschaften in Nord und Süd, Ost und West, mitunter Welten. Die Bereitschaft, sich dem Anderen, dem Andersartigen, zu öffnen, wird zum Gradmesser für die Entwicklung hin zur "Einen Welt". Die Deutsche Welle - wie auch andere transnationale Sender - nimmt in diesem Prozess eine Brückenfunktion wahr. Dies setzt ein hohes Maß an journalistischer Verantwortung, an Einfühlungsvermögen in andere Mentalitäten und Kulturen voraus.

Als Sender mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus fast 70 Nationen ist die Deutsche Welle für die Herausforderungen des dialogischen Zeitalters hervorragend gerüstet. Die Deutsche Welle bietet aber mehr als Krisen- und Präventionsrundfunk. Andere wichtige Themen, die der Darstellung und Kommentierung aus deutscher Sicht bedürfen, stehen auf der Agenda des kommenden Jahres: die Einführung des Euro in zwölf EU-Ländern zum 1. Januar als weiterer Meilenstein auf dem Weg zur europäischen Integration oder die Wahlen zum Deutschen Bundestag im Herbst, um nur zwei Höhepunkte zu nennen.

Natürlich werden wir Sie 2002 auch über die schönste Nebensache der Welt umfassend informieren, die Fußball-Weltmeisterschaft in Japan und Korea.

Der Start des völlig neu konzipierten Internet-Auftritts DW-World.de war die wohl bedeutendste Innovationen der Deutschen Welle im zurückliegenden Jahr. Ein umfassendes Angebot in 31 Sprachen - mit einer klaren Navigation und in modernem Design.

Entdecken Sie selbst den neuen Web-Auftritt der DW.

Eine weitere interessante Innovation steht unmittelbar bevor: Wir werden das Angebot von DW-TV ergänzen und einem Wunsch Rechnung tragen, der nach der Neupositionierung von DW-TV als Nachrichten- und Informationsprogramm immer wieder geäußert wurde: auf unterhaltende Elemente im Programm nicht zu verzichten. In diesem Sinne werden wir zum 1. März den Fernsehkanal "German TV" starten.

Dieses gemeinsame Projekt von Deutsche Welle und den Inlandsrundfunkanstalten ARD und ZDF ist ein "Best of"-Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. Wir werden es zunächst über Pay-TV-Plattformen in Nordamerika anbieten. Zug um Zug soll es dann in weiteren Weltregionen zu sehen sein.

Liebe Hörerinnen und Hörer, ich würde mich freuen, wenn Sie der Deutschen Welle auch im neuen Jahr treu bleiben. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien - auch im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Welle - ein glückliches, zufriedenes und vor allem friedliches Jahr 2002.