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Der lauteste Abschied aller Zeiten

Katharina Abel
19. April 2017

Axl Rose und Elton John sangen im Duett, David Bowie betete: Das Konzert für den Queen-Frontmann am 20. April 1992 war ein Spektakel. Im Londoner Wembley Stadion gaben sich zahlreiche Weltstars das Mikrofon in die Hand.

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George Michael und Queen-Gitarrist Brian May auf der Bühne des Freddie Mercury Tribute Concert
George Michael (l.), hier mit Queen-Gitarrist Brian May, war nur einer der vielen StargästeBild: picture-alliance/AP/G. Allen

"Wir wollten ihm einen Abgang in dem Stil ermöglichen, den er gewöhnt war." Das war für Queen-Gitarrist Brian May und seine Bandkollegen Roger Taylor und John Deacon schon am Todestag von Freddie Mercury klar. Der charismatische Rockstar starb am 24. November 1991 an den Folgen von Aids. Und er bekam einen würdigen Abschied - in einer Dimension, die ihm sicher gefallen hätte: Noch heute ist das "Freddie Mercury Tribute Concert For Aids Awareness" das größte Konzert, das es jemals für einen verstorbenen Musiker gegeben hat.

Die 72.000 Tickets für das Open Air im Londoner Wembley Stadion am 20. April 1992 waren innerhalb weniger Stunden vergriffen. Und das, obwohl außer May, Taylor und Deacon noch kein einziger Künstler offiziell feststand. Doch die Zusagen kamen bald, und sie kamen zahlreich. So entstand ein Lineup, das es zuvor in vergleichbarer Qualität höchstens bei Live Aid 1985 gegeben hatte: David Bowie, George Michael, Elton John, Guns 'N Roses, Liza Minnelli, Metallica, Annie Lennox, Liz Taylor und viele andere Künstler erwiesen Freddie Mercury auf der Bühne die letzte Ehre. Das Konzert wurde in 76 Länder übertragen, etwa eine Milliarde Menschen verfolgten die Show live. Sämtliche Einnahmen kamen einer eigens gegründeten Stiftung zur Bekämpfung von Aids zugute.

Robert Plant mit Textproblemen

Und ganz im Sinne von Rock-Ikone Mercury wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt: Im ersten Teil übernahmen Stars wie Metallica und Guns 'N Roses - damals immerhin die wohl größte Band der Welt - die Rolle der Anheizer, und Hollywood-Legende Liz Taylor klärte das Publikum höchstpersönlich über die Vorzüge eines Kondoms auf. Dann der Höhepunkt des Abends: Der Auftritt der verbliebenen Queen-Mitglieder gemeinsam mit wechselnden Gaststars. Gitarrist Brian May war vor Beginn extrem nervös. Allerdings nicht so sehr wegen der Musik, wie er nachher zugab: "Ich habe mir Sorgen gemacht, dass ich vergesse, jemanden vorzustellen."

Die Stargäste hatten mehr Grund zur Nervosität, schließlich galt Mercury als einer der besten Rocksänger und Frontmänner gleichermaßen. Nicht jeder meisterte diese Herausforderung mit Bravour: "The Who"-Frontmann Roger Daltrey scheiterte bei "I Want it All" an den hohen Tönen, Paul Youngs Auftritt mit "Radio Ga Ga" war wenig charismatisch, und Robert Plant von Led Zeppelin hatte Schwierigkeiten, sich den Text des epischen, von Mercury als Zeppelin-Hommage gedachten "Innuendo" zu merken: "Ich hatte versucht, die Worte im Marokko-Urlaub zu lernen, aber am Ende musste ich mir ein riesiges Blatt mit dem Text auf die Bühne kleben lassen", sagte er.

Der Star des Abends: George Michael

Kritiker bemängelten, dass die Auswahl der Künstler und ihr Bezug zu Freddie Mercury nicht immer nachvollziehbar gewesen sei, aber Brian May und Co. hatten für die Organisation seit Mercurys Tod eben nur knapp fünf Monate Zeit gehabt. Und es gab etliche Künstler, die diesen Abend zu einem Spektakel machten: Elton John und Axl Rose etwa, die bei "Bohemian Rhapsody" ein ungewöhliches Duo bildeten. Rose wurde damals Homophobie vorgeworfen, und die etwas ungelenke Umarmung mit seinem Gesangspartner konnte dieses Vorurteil nicht bei allen Beobachtern entkräften. Elton John übrigens war als enger Freund Mercurys einer der wenigen, die ihn bis zuletzt besuchen und auch an der Trauerfeier für ihn teilnehmen durften.

David Bowie - The Freddie Mercury Tribute Konzert
Sang nicht nur, sondern betete auch: David Bowie Bild: picture alliance/dpa/N.Munns

David Bowie sang erst "Under Pressure" mit Annie Lennox als Freddie-Ersatz, um dann spontan, auf ein Knie gestützt, das Vaterunser zu beten. Ein Augenblick, der auf viele befremdlich wirkte: Einige Zuschauer begannen zu lachen, und auch Bowie selbst war sich seiner Sache nicht ganz sicher: "Ich hatte Angst, als ich die Worte sprach."

Für die Diva Liza Minnelli war das unvermeidliche "We Are the Champions" wie gemacht.
Den besten Auftritt des Abends aber lieferte eindeutig George Michael. Da waren sich Fans und Kritiker einig. Mit seiner Version des Queen-Klassikers "Somebody to Love" riss er das Publikum mit wie Freddie in seinen besten Zeiten. "Es war vermutlich der größte Moment meiner Karriere, denn ich durfte einen Kindheitstraum ausleben: einen von Freddies Songs vor 80.000 Leuten zu singen", sagte Michael später. Aber so gut wie Freddie Mercury war an diesem Abend keiner. Und auch das hätte dem Perfektionisten Mercury sicher gefallen.