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Der Fall Luis Rubiales und seine Folgen

29. August 2023

Nach dem Kuss-Eklat bei der Fußball-WM der Frauen wird Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales von fast allen Seiten zum Rücktritt aufgefordert. Sogar sein Onkel belastet ihn und erhebt weitere Vorwürfe.

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Luis Rubiales, Präsident des spanischen Fußballverbands, am Rednerpult
Luis Rubiales möchte sein Amt als Präsident des spanischen Fußballverbands nicht aufgeben - der Fall schlägt hohe WellenBild: Real Federación Española de Fútbol/Europa Press/AP Photo/picture alliance

Wie ist der aktuelle Stand im Fall Rubiales?

Die Zahl derer, die an der Seite des spanischen Fußball-Verbandspräsidenten Luis Rubiales stehen, wird immer kleiner. Nun hat sich offenbar auch die eigene Familie in großen Teilen gegen ihn gestellt. Sein Onkel und ehemaliger Büroleiter Juan Rubiales gab der Zeitung "El Confidencial" ein Interview und wetterte gegen seinen Neffen und ehemaligen Vorgesetzten. Er nannte ihn einen "feigen Mann", der "von Macht, Luxus und Frauen besessen ist. Er braucht eine Umerziehung, wie man Frauen behandelt". Die gesamte Familie Rubiales stehe hinter Jenni Hermoso, der Spielerin, die Luis Rubiales nach dem gewonnenen Endspiel der Fußball-WM bei der Siegerehrung auf den Mund geküsst hatte. 

Einzig Angeles Bejar, die Mutter von Luis Rubiales, scheint noch zu ihrem Sohn zu halten. Sie war Anfang der Woche aus Protest gegen die - nach ihrer Meinung - ungerechte Kritik an ihrem Sohn in einer Kirche in ihrer Heimatstadt Montril in Hungerstreik getreten. Am Mittwochabend musste sie diesen offenbar wegen verschiedener körperlicher Probleme unterbrechen und wurde vorübergehend in ein Krankenhaus gebracht.

Am Montagabend hatten die Präsidenten der spanischen Fußball-Regionalverbände Rubiales' sofortigen Rücktritt gefordert. Bereits am Wochenende hatte die Disziplinarkommission des Fußball-Weltverbandes FIFA ihn für 90 Tage suspendiert. Rubiales selbst sieht sich weiter als Opfer. Der Kuss, so sagt er, sei einvernehmlich gewesen. Er habe Hermoso gefragt, ob es in Ordnung sei, sie zu küssen. Sie habe zugestimmt. Die Spielerin selbst behauptet das Gegenteil. Nun soll Rubiales der FIFA am Mittwoch ein Video zugespielt haben, um seine Unschuld zu beweisen. Das berichtet die Digitalzeitung "El Espanol". Der Clip wurde nach dem Titelgewinn im Teambus der Spanierinnen gemacht. Darin witzeln einige Spielerinnen in lockerer Atmosphäre über den Vorfall und lachen über Foto-Collagen auf Social Media, die den Kuss mit anderen berühmten Kussszenen vergleichen. Auch Hermoso selbst ist in vergnügter Stimmung zu sehen. 

Wer wendet sich gegen Rubiales?

Es wäre wohl einfacher, die Frage zu beantworten: Wer tut es nicht? Spaniens Regierung reagierte auf Rubiales' vehemente Rücktrittsweigerung, die er in seiner Rede auf der außerplanmäßigen Vollversammlung des spanischen Fußballverbands RFEF am Freitag (25.8.) kundtat: "Logischerweise werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, damit dieser Herr, den man kaum als würdigen Vertreter des spanischen Fußballs bezeichnen kann, nicht länger an der Spitze des spanischen Fußballs steht", sagte Spaniens geschäftsführende Vize-Regierungschefin Teresa Ribera der Nachrichtenagentur Europa Press. Landesweit gab es zudem Protestdemonstrationen gegen Rubiales. Allein in Madrid gingen Tausende Menschen auf die Straße, machten ihrem Unmut gegen den Verbandspräsidenten lautstark Luft. 

Die oberste spanische Sportbehörde CSD beantragte beim nationalen Sportgerichtshof Tad die Suspendierung von Rubiales. Auch spanische Fußball-Größen wie Andres Iniesta und Bayer Leverkusens Trainer Xabi Alonso zeigten sich entsetzt. "Es ist ganz klar, dass er gehen muss. Er war nie akzeptiert. Er hat sich nicht korrekt verhalten und kann nicht in dieser Position bleiben", sagte Alonso bei Sky.

Demonstrantinnen mit Transparenten bei Protesten gegen Luis Rubiales in der Innenstadt von Madrid
Tausende Menschen gehen in Madrid gegen Luis Rubiales auf die StraßeBild: Richard Zubelzu/Zumapress/picture alliance

Am Montag gab es sogar ein Statement aus Kreisen der Vereinten Nationen zu Rubiales: "Wie schwierig ist es, jemanden nicht auf die Lippen zu küssen?", fragte Stephane Dujarric, der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres in New York und ergänzte: "Es gibt weiterhin ein kritisches Problem des Sexismus im Sport und wir hoffen, dass die spanischen Behörden und die spanische Regierung dieses Problem auf eine Weise angehen, die die Rechte aller Sportlerinnen respektiert."

"Kuss-Opfer" Jenni Hermoso kündigte an, so lange nicht mehr für Spaniens Nationalmannschaft aufzulaufen, wie die aktuelle Führung auf ihren Posten bliebe. Diesem Boykott schlossen sich insgesamt über 80 Spielerinnen an, so dass Spanien derzeit ohne Frauen-Nationalteam dasteht. Aus den Funktionsteams der weiblichen Nationalmannschaften Spaniens waren am Samstag elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgetreten, unter anderem die Assistenten des umstrittenen Nationaltrainers Jorge Vilda. Die deutschen Fußball-Nationalspielerinnen um Kapitänin Alexandra Popp solidarisierten sich ebenfalls mit Weltmeisterin Hermoso. 

Wie steht der spanische Fußballverband zu Rubiales?

RFEF-Interimspräsident Pedro Rocha hatte direkt nach der Übernahme der Amtsgeschäfte von Rubiales dafür gesorgt, dass ein RFEF-Kommuniqué zurückgezogen wurde, in dem der Verband Jenni Hermoso aufgefordert hatte, endlich nicht mehr länger zu lügen, wenn es um den einvernehmlichen Kuss mit Luis Rubiales gehe. Zudem hatte er einen Antrag des RFEF-Generalsekretärs Andreu Camps beim europäischen Fußballverband UEFA zurückgezogen, in dem Camps dazu aufgefordert hatte, die politische Einmischung durch die spanische Regierung in sportliche Belange zu prüfen und gegebenenfalls mit Konsequenzen wie einer Sperre des Nationalteams und spanischer Klubmannschaften für internationale Wettbewerbe zu drohen. Offenbar wollte Camps, der als Rubiales-Unterstützer gilt, so den Druck auf die Politik erhöhen, sich aus der Sache rauszuhalten. 

Die Staatsanwaltschaft des Nationalen Gerichtshofs hat unterdessen eine Voruntersuchung eingeleitet. Jennifer Hermoso solle sich "innerhalb von 15 Tagen" melden, um "über ihre Rechte als Opfer eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs informiert zu werden" und gegebenenfalls "Anzeige zu erstatten", schrieb die Behörde.

Wie geht es mit Frauen-Nationaltrainer Jorge Vilda weiter?

Auch der umstrittene spanische Frauenfußball-Nationaltrainer Jorge Vilda hat sich von seinem Verbandschef Luis Rubiales distanziert - allerdings erst mit Verspätung. Am Freitag bei der flammenden Rede Rubiales', der die Kritik an seiner Person unter anderem als "falschen Feminismus" gegeißelt hatte, saß Vilda noch im Publikum und applaudierte Rubiales als der mehrfach rief: "Ich werde nicht zurücktreten!"

Spaniens Trainer Jorge Vilda lächelnd mit WM-Pokal
Machte eine Kehrtwende in der Bewertung seines Verbandschefs Luis Rubiales: Spaniens Frauen-Nationalcoach Jorge VildeBild: Carl Recine/REUTERS

Einen Tag später hatte Vilda seine Ansicht offenbar geändert. In einem Statement vom Samstagabend verurteilte der Weltmeistercoach Rubiales' Verhalten: "Ich bedauere zutiefst, dass der Erfolg des spanischen Frauenfußballs durch das unangemessene Verhalten unseres Präsidenten Luis Rubiales, das er selbst zugegeben hat, beeinträchtigt wurde", hieß es in Vildas Mitteilung, die in spanischen Medien veröffentlicht wurde. Vilda war von Rubiales stets gestützt worden, auch als im vergangenen Jahr 15 Spielerinnen ihren Rücktritt aus dem Nationalteam erklärten und eine Absetzung Vildas erwirken wollten. Die gleiche Sinneswandlung wie Vilda zeigte auch der Nationaltrainer der Männer, Luis de la Fuente. Beide Coaches stehen in der Kritik. Ihnen droht die Entlassung.

Der Artikel wurde zuletzt am 31. August aktualisiert.