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Syrien Dilemma

30. September 2011

In Syrien geht Baschar al-Assad weiter mit brutaler Härte gegen die Opposition vor. Dennoch konnte sich der Westen im UN-Sicherheitsrat bisher nicht mit Sanktionen oder einem Waffenembargo durchsetzen.

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Syrische Demonstranten trotzen den Sicherheitskräften in Hama im August 2011 (Foto: EPA)
Syrische Demonstranten trotzen den Sicherheitskräften in Hama im August 2011Bild: picture-alliance/dpa

Der jüngste Resolutionsentwurf, der von Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Portugal in den Sicherheitsrat eingebracht wurde, fordert lediglich ein "sofortiges Ende aller Gewalt" in Syrien. Anders als ursprünglich geplant, belässt es die internationale Staatengemeinschaft bei Appellen. Zu umfassenden Sanktionen oder gar einem internationalen Waffenembargo wird es vorerst nicht kommen. Und das, obwohl nach UN-Angaben bisher schon 2700 Menschen bei den Protesten gegen die Diktatur Baschar al-Assads durch Sicherheitskräfte des Regimes ums Leben gekommen sind. Wissam Tarif, ein syrisch-stämmiger Aktivist und Sprecher der Menschenrechtsorganisation INSAN, bezeichnet die Resolution als "im Grunde nutzlos" und beklagt insbesondere, dass im Resolutionstext jeder Hinweis auf den internationalen Strafgerichtshof fehle, "vor dem die Menschenrechtsverstöße des syrischen Regimes nach einem Sturz Assads geahndet werden könnten".

Moskaus schützende Hand

Syriens Präsident Assad mit Russlands Außenminister Lawrow im Jahr 2008 (Foto: EPA)
2008 waren Syriens Präsident Assad und Russlands Außenminister Lawrow noch gute FreundeBild: picture-alliance/dpa

Der Verzicht auf Sanktionen oder andere Strafmaßnahmen geht vor allem auf das Betreiben der Vetomächte Russland und China zurück. Alexander Rahr von der Gesellschaft für Auswärtige Politik erinnert daran, dass Russland noch immer ein indirekter militärischer Verbündeter Syriens ist. "Moskau unterhält in diesem Land seinen wichtigsten Marinestützpunkt im Mittelmeer. Syrien ist wie der Iran ein eifriger Käufer russischer Rüstungsgüter. Das Embargo würde somit den militärisch-industriellen Komplex Russlands hart treffen." Außerdem sieht sich Moskau im Nahen Osten noch immer als Gegenspieler der USA und der EU, insbesondere nach der militärischen Intervention der NATO-Staaten in Libyen. Auch deshalb hält man in Moskau noch immer die schützende Hand über Assad, zu dem man derzeit keine Alternative sieht. "Nach Meinung russischer Experten wäre mit der Entmachtung Assads noch keine Stabilität in Syrien in Sicht, vielleicht wäre sogar das Gegenteil der Fall. Ein extremistischer Islamismus in Syrien würde für Russland zu einer ernsthaften Herausforderung werden", so Rahr.

Auch für den Westen kommt eine militärische Intervention derzeit nicht in Frage. Anders als in Libyen, wo die Auswirkungen der Kämpfe auf andere Teile der arabischen Welt begrenzt waren, wird von den Entwicklungen in Syrien das strategische Gleichgewicht einer ganzen Region berührt. "Das Problem besteht für den Westen doch darin, dass man nicht wissen kann, wie sich ein Eingreifen auf die Lage im Libanon, im Nachbarland Irak oder auf den Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten auswirken würde", sagt Michael Bauer, Nahostexperte am Centrum für angewandte Politikforschung der Universität München. "Das sind alles Krisenherde in der Region, und man befürchtet eine weitere Destabilisierung der ganzen Region."

Pulverfass Syrien

Hinzu kommt ein kompliziertes Geflecht aus ethnischen und religiösen Gruppierungen, das, im Unterschied zu den relativ homogenen Bevölkerungen in Tunesien oder Ägypten, die syrische Gesellschaft prägt. Die herrschende Machtelite gehört zur Minderheit der Alewiten, einem schiitischen Zweig des Islam. Die Mehrheit in der Bevölkerung stellen jedoch sunnitische Moslems, die auch die größte Gruppe innerhalb der syrischen Streitkräften bildet. Daneben leben auch Kurden, Christen und Drusen in Syrien. Spannungen zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen waren im Lande immer vorhanden. Doch die Gefahr eines Bürgerkrieges nimmt zu, in dem Maße wie die Gewalt in Syrien eskaliert, so der Nahost-Experte Bauer: "Das ist die Entwicklung, die wir beobachten, immer mehr Soldaten desertieren aus der syrischen Armee und bekämpfen diese. Es steht zu befürchten, dass es zu einem regelrechten Bürgerkrieg kommt, mit dramatischen Folgen nicht nur für die Syrer selbst, sondern mit Auswirkungen auf die ganze Region."

US-Diplomaten im Kontakt zur Opposition

Auf einem Schild vor der US-Botschaft in Damaskus wird die Ausweisung des amerikanischen Botschafters Robert Ford verlangt (Foto: ap)
Übergriffe auf die US-Botschaft in Damaskus im Juli 2011Bild: dapd

Von den Beratungen für eine Syrien-Resolution im Sicherheitsrat hatte sich Washington schon Anfang dieser Woche zurückgezogen - aus Enttäuschung über den milden Charakter des Resolutionstextes, wie es aus Diplomatenkreisen hieß. Stattdessen setzt man auf direkte Einflussnahme vor Ort. So hat sich Washingtons Botschafter Robert Ford schon mehrfach mit Oppositionellen im Lande getroffen - zuletzt am Donnerstag (29.09.2011) mit dem Oppositionspolitiker Hassan Abdul Asim in einem Haus in Damaskus. Daraufhin bewarfen Anhänger Assads das Fahrzeug des US-Gesandten mit Steinen. Die syrische Regierung hat Washington in diesem Zusammenhang die "Anstiftung von Gewalt" vorgeworfen.

Schon im Juli hatte der US-Botschafter die von Assads Truppen belagerte Stadt Hama, ein Zentrum der syrischen Opposition, besucht. Dort war er von der örtlichen Bevölkerung begeistert empfangen worden. Wenige Tage später konnte eine Erstürmung der US-Botschaft in Damaskus durch Assad-Anhänger nur in letzter Minute von Sicherheitskräften vermieden werden.

Wer spricht für die Opposition?

Syrische Oppositionspolitiker auf einem Treffen in Istanbul am 16. Juli. 2.v.l. ist der 80-jährige Haitham al-Maleh (Foto: EPA)
Syrische Oppositionspolitiker auf einem Treffen in Istanbul im JuliBild: Picture-Alliance/dpa

Unterdessen gehen die Bemühungen der syrischen Regimegegner, eine gemeinsame Strategie zu finden, weiter. Für Anfang Oktober ist die Gründung eines syrischen Nationalrates auf einer Konferenz in Istanbul geplant. Er soll 140 Mitglieder haben, von denen 70 in Syrien leben. Vertreten sollen sowohl säkulare wie religiöse Strömungen sein. Ob dieses neue Gremium die Opposition einigen kann, bleibe abzuwarten, meint der Nahostexperte Bauer: "Es handelt sich um eine Vielzahl von Gruppen, die gegen Assad steht, aber das ist auch schon das Einzige, was sie eint. Ihr Auftreten nach außen war bisher wenig kohärent". Bauer sieht eine "große Herausforderung darin, diese Oppositionsbewegungen in einen organisatorischen Rahmen zu bringen, in dem sie dann auch mit einer Stimme sprechen können."

Die Aktivisten haben den Überwachungsapparat eines der am strengsten kontrollierten Polizeistaaten der Welt gegen sich. Sie sind hauptsächlich durch soziale Netzwerke miteinander verbunden und kennen einander vielfach nur unter ihrem Pseudonym. Ihre Namenlosigkeit ist Teil des Problems. Auch dem Westen fehlen bisher die Ansprechpartner.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Hans Spross