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Leben mit den Folgen eines verheerenden Buschfeuers

Stuart Braun ke
10. April 2018

Australien ist ein sehr trockener Kontinent, Buschfeuer sind hier normal. Was aber am sogenannten Black Saturday im Jahr 2009 passiert ist, gab es vorher nie. Noch heute kämpfen die Überlebenden mit den Folgen.

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Buschfeuer in Australien im Jahr 2009
Bild: Getty Images/S. Henderson

Als die SMS meines Nachbarn kam, regnete gerade Asche vom Himmel. In seiner Nachricht warnte er mich vor einem Feuer. Es drohe, auch zu uns ins Tal hinab zu kommen, schrieb er.

Als wir daraufhin in unseren Wagen stiegen, konnten wir noch keinen Rauch in der unmittelbaren Umgebung sehen. Aber da war diese Asche, ein deutliches Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmte. Kaum zehn Minuten später standen wir an einem Fluss, in Sicherheit. Von dort sahen wir, wie das Feuer den Berg und am Ende unser Haus verschlang.

Eigentlich leben wir in der Stadt. Zu unserer Hütte in den dicht bewaldeten Bergen nahe Melbourne sind wir nur gekommen, um einer brutalen Hitzewelle zu entkommen. Die Temperaturen in der Stadt sollten noch steigen, bis auf 47 Grad Celsius, so die Prognose. Das wäre der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen. Schon die Woche vorher hatten sich die Werte irgendwo bei mehr als 40 Grad eingepegelt. "Buschfeuer-Wetter" nennen Wissenschaftler das. Sie sagen, dass der Klimawandel diese Rekordtemperaturen mit sich bringt.

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Auch an diesem Tag gab es, wie jeden Tag zuvor, eine offizielle Warnung vor "extremer Brandgefahr”.  Nicht alltäglich waren allerdings Windgeschwindigkeiten von 100 Stundenkilometern und mehr. Der Wind fegte durch die staubtrockenen Wälder der Region. Die anhaltende Trockenheit hatte die Bäume in Zunder verwandelt. An diesem 7. Februar drohe der wohl "schlimmste Tag in der Geschichte des Landes", warnte der Premierminister Viktorias. Doch diese Warnung erhielten viele, einschließlich mir, nicht.

Am Ende drehte der Wind und das Feuer verschonte unser Tal. Trotzdem mussten wir hilflos dabei zusehen, wie andere Orte im Nordosten in Flammen aufgingen. Viele waren schlecht vorbereitet. Viele Einwohner würden es nicht schaffen, da lebend rauszukommen.

Ein Löschhubschrauber fliegt im dichten Rauch über Berge
Im Jahr 2009 zog es viele Einwohner von Melbourne in die Wälder außerhalb der Stadt. Sie versuchten, einer brutalen Hitzewelle zu entgehen und landeten stattdessen in einem lodernden InfernoBild: Getty Images/AFP/W. West

"Wie ein halbes Dutzend Jumbo-Jets"

Auch David Barton und seine damalige Ehefrau Jennifer versuchten der extremen Hitze standzuhalten. Von ihrem Haus in Marysville aus, einer Stadt, die bekannt ist für idyllisch gelegene Häuser und hohe Eukalyptuswälder. Etwa um 15:45 Uhr bemerkten sie Rauch, der aus den Hügeln in einiger Entfernung in den Himmel stieg.

Zu diesem Zeitpunkt war das Feuer noch 35 Kilometer entfernt und auf dem Weg nach Süden, also noch in meine Richtung. Doch dann drehte der Wind und schickte die Flammen in die entgegengesetzte Richtung, direkt zu dem Örtchen, an dem David und Jennifer ein Jahr zuvor ein Antiquitätengeschäft eröffnet hatten.

Und das Feuer wälzte sich immer schneller vorwärts. Inzwischen hatten die Winde 120 bis 130 Stundenkilometer erreicht. In der Stadt stieg die Temperatur auf 56 Grad Celsius. Das Paar half ältere und kranke Menschen in Sicherheit zu bringen. Als Jennifer mit einer älteren Frau auf dem Weg in ein Krankenhaus war, entschloss sich auch David zu gehen. Inzwischen war es 18:45 Uhr.

David Bartons Haus vor dem Brand
David Bartons Haus vor dem Brand - es war bei den Buschfeuern 2009 völlig zerstört wordenBild: David Barton

Als er ging, war der Himmel vollkommen schwarz, erzählt David. "Und da war dieses unglaubliche Dröhnen, das sich in der Stadt ausbreitete. Als würde ein halbes Dutzend Jumbo-Jets gleichzeitig starten."

"Wenn man die Hauptstraße von Marysville hinab sah, konnte man dort eine Flammenwand sehen. Sie leuchtete grell orange und war knapp 150 bis 200 Fuß hoch (46 bis 61 Meter). Oben drauf erhob sich noch einmal eine Wand aus grau-schwarzem, wirbelndem Rauch, noch höher, noch einmal 300 bis 400 Fuß."

"Ich dachte nur, Gott, das sieht nicht gut aus", sagt David.

Die Situation sei für ihn so surreal gewesen, dass er nur halb mitbekommen habe, was passiert sei, erinnert sich David. Außer seinem Hund und etwas Wasser nahm er nichts mit, nicht einmal seine Brieftasche.

Atmen wurde zunehmend schwieriger, weil das Feuer den gesamten Sauerstoff aus der Luft saugte. Trotzdem glaubte David nicht daran, dass das Feuer tatsächlich bis ins Zentrum der Stadt vordringen würde.

Eine halbe Stunde später hatte es die Stadt vollständig überrollt. Es war eine apokalyptische Szene, die zerbombten Straßen in Syrien glich, sagt David. Wie viele andere hat auch er in dem Feuer alles verloren. Kein Haus hat das Feuer überstanden.

Weitermachen ist eine schwere Aufgabe

David sagt, er habe Freunde und andere Anwohner der Stadt gewarnt. Doch viele, die glaubten, sie könnten ihr Hab und Gut verteidigen, kamen im tödlichsten Buschfeuer der australischen Geschichte ums Leben. Einige hätten noch geschmolzene Schläuche in den Händen gehalten, mit denen sie ihre Häuser löschen wollten.

Insgesamt starben 34 Menschen an diesem Tag in Marysville. Im ganzen Land forderte das Feuer 173 Menschenleben. Wie groß der Schaden an der Gemeinschaft war, ist unbezifferbar. Wie David und Jennifer haben rund 60 Prozent der Einwohner von Marysville beschlossen, nicht in die Stadt zurückzukommen, zumindest nicht sofort. Stattdessen zogen sie näher an Melbourne heran. Die Ehe der Bartons scheiterte keine zwei Jahre später.

David Barton sitzt vor den ausgebrannten Überresten seines Hauses
Wie viele Einwohner von Marysville entschied David Barton zunächst, nicht in die Stadt zurückzukehrenBild: David Barton

Sie wären nicht die einzigen gewesen, deren Beziehung infolge des Black Saturday zerbrochen sei, sagt David. Seine Erfahrungen und die Kämpfe, die er gegen seine posttraumatische Belastungsstörung ausfechten musste, hat er in seine Doktorarbeit einfließen lassen. Ihr Thema sei die Art und Weise, wie Überlebende mit "Verbundenheit, Verlust und Trauer" umgehen.

David ist sich sicher, dass die Dinge zwischen ihm und seiner Frau heute anders wären, wenn beide nach Marysville zurückgekehrt wären. Sie hätten mit der restlichen Gemeinschaft die Stadt wieder aufbauen können. 2012 ging David allein zurück. Rückblickend sagt er, dass er das Gefühl hatte, unter Freunden zu sein, auch wenn so viele nicht mehr da gewesen seien.

Warnzeichen und Bequemlichkeit

Heute, knapp zehn Jahre nach der Black-Saturday-Katastrophe, fordert die offizielle Strategie der Regierung die Menschen dazu auf, frühzeitig potentielle Gefahrenzonen zu verlassen. Viele bereiteten sich allerdings nicht auf das Unausweichliche vor, sagt David. Vor allem ehemalige Großstadtbewohner, die auf der Suche nach Ruhe aufs Land gezogen seien.

Im Januar war ich selbst auch wieder in meinem Haus, um ein paar Ausbesserungen vorzunehmen. Wieder waren die Temperaturen auf Werte jenseits der 40 Grad-Marke geklettert. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich bislang auch keinen konkreten Plan außer zu rennen, sollte ein Feuer kommen. 

Feuerwehrmänner packen ihre Schläuche weg, während eine Scheune im Hintergrund brennt
Australische Bewohner wurden dazu ermutigt, ihre Häuser auf einem Brand vorzubereiten und sie zu verteidigen - heute allerdings wird ihnen geraten, früh zu gehenBild: Getty Images/AFP/W. West

Infolge des Feuers und der Veröffentlichung eines Berichts der Victorian Bushfires Royal Commission wurden Feuer-Warnsysteme verbessert. Sie schließen nun auch einen "Code Red"-Alarm mit ein, der im Notfall Textnachrichten an die Einwohner von Buschfeuer-Gebieten schickt.

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Trotzdem wurden auch 2018 wieder rund einhundert Häuser in New South Wales und West-Victoria durch Buschbrände zerstört. Wie durch ein Wunder kam niemand dabei ums Leben. Trotzdem fürchtet David, dass die Ereignisse des "Black Saturday" über die Zeit in Vergessenheit geraten werden. "Das Ganze könnte ganz einfach von vorne beginnen", sagt er.

Und tatsächlich braucht es dafür nicht mehr als eine Änderung der Windrichtung.

Aspekte des Buschfeuers

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.