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Coronavirus: Ist SARS-CoV-2 deutlich länger ansteckend?

28. Februar 2020

Unklare Ansteckungswege und Indizien für eine doppelt so lange Inkubationszeit bereiten den Gesundheitsbehörden Sorge. Längere Ansteckungszeiten hätten drastische Folgen für alle Bemühungen, die Epidemie einzudämmen.

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Coronavirus SARS-CoV-2 im Elektronenmikroskop
Bild: picture-alliance/AP/NIAID-RML

Normalerweise beträgt die Inkubationszeit beim neuen Virus, also der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von Symptomen, 2 bis 14 Tage. Von diesem Zeitraum gehen auch die Weltgesundheitsorganisation WHO, das deutsche Robert-Koch-Institut und das Bundesgesundheitsministerium  weiterhin aus. Entsprechend werden Verdachtsfälle nach wie vor zwei Wochen lang isoliert.

Meistens treten die ersten Symptome nach drei Tagen auf, dies hatte auch Chinas führender Epidemiologe Zhong Nan Shan, der Leiter des nationalen Expertengremiums zur Eindämmung der Lungenkrankheit herausgefunden. Sein Team hatte 1099 Fälle aus 552 Krankenhäusern in China untersucht. 

Allerdings handle es sich dabei um vorläufige Ergebnisse, die weiter untersucht werden müssen, so Zhong Nan Shan, der 2003 das SARS-Coronavirus entdeckt hatte. In seltenen Fällen könne die Inkubationszeit beim neuen Coronavirus bis zu 24 Tage betragen, hieß es in der Studie vom 9.Februar 2020, die auf der medizinischen Forschungsplattform medRxiv veröffentlicht wurde. Dort heisst es: "The median incubation period was 3.0 days (range, 0 to 24.0 days)." 

Infografik Verluf der COVID-19-Epedemie DE 27.02.2020

Einzelfälle oder fehlerhafte Kontrolle?

Für Aufsehen sorgte vor wenigen Tagen ein Bericht der Provinzregierung von Hubei, dem Epizentrum des Virus, dass ein 70-jähriger Mann erst 27 Tage nach der Infektion erste Symptome zeigte. Allerdings sind solche Einzelfälle nur bedingt aussagekräftig, so der deutsche Coronavirus-Experte Christian Drosten von der Berliner Charité: "Eine häufige Fehlerquelle bei scheinbar sehr langen Inkubationszeiten ist eine unbemerkte zwischenzeitliche Exposition."

Christian Drosten sieht denn auch keine Veranlassung, die bisherigen Einschätzungen bezüglich der Inkubationszeit zu ändern. Nur unter sehr kontrollierten Bedingungen lasse sich ausschließen, dass Betroffene dem Erreger mehrfach hintereinander ausgesetzt waren. 

Unterschiedliche Körper reagieren unterschiedlich schnell

Aus Sicht von Thomas Pietschmann, molekularer Virologe am Twincore, dem Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Patienten unterschiedlich auf Krankheitserreger reagieren und damit auch die Inkubationszeiten teilweise erheblich variieren: "Viren haben unterschiedliche Eigenschaften, wie sie sich in einem Wirt ausbreiten und gleichzeitig dabei auch die Immunantwort unterdrücken. Und solche Prozesse führen dazu, dass es eben länger dauert, oder dass das Virus früher erkannt wird und die Symptome einsetzen," sagt Pietschmann im DW-Interview.

Allmählich zeige sich klarer, dass es vereinzelt deutlich längere Inkubationszeiten gibt, sagtProf. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung.  Aber die allermeisten Infizierten zeigten bereits nach einer Woche Symptome: "Man lernt einfach dazu, es ist ja bislang ein unbekanntes Virus gewesen. Wir kennen es jetzt seit zwei Monaten und man hat jetzt eben mehr Patienten und mehr Fälle, die man nachvollziehen kann. Damit hat man eben mehr Daten, die zeigen, dass in wenigen Fällen - das muss man nochmal betonen - die Inkubationszeit eben länger sein kann, bis zu über einem Monat. Die meisten werden aber innerhalb von einer Woche krank, das ist die Masse, und damit arbeiten wir", so Schmidt-Chanasit gegenüber der Deutschen Welle.

Japan Coronavirus Covid-19 Kreuzfahrtschiff Diamond Princess
Crew und Passagiere der Diamond Princess sollen nach zweiwöchiger Quarantäre noch zwei Wochen zu Hause bleibenBild: picture-alliance/AP Photo/Yomiuri Shimbun

Was bedeutet eine deutlich längere Inkubationszeit?

Sollte die Inkubationszeit des Virus aber tatsächlich deutlich länger als die vermuteten 14 Tage sein, hätte dies möglicherweise drastische Auswirkungen auf die Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie. Denn dann würde auch die bisher übliche Quarantänezeit von 14 Tagen nicht ausreichen. Wenn zum Beispiel die vielen chinesischen Arbeiter und Angestellten aus ihrem zweiwöchigen Zwangsurlaub wieder in ihre Betriebe und Firmen zurückkehren, könnte es so unter Umständen zu einer zweiten Infektionswelle kommen.

Japans Gesundheitsminister Katsunobu Kato hat deshalb alle Passagiere und Crewmitglieder des Kreuzfahrtschiffes "Diamond Princess" aufgefordert, auch nach der zweiwöchigen Quarantäne an Bord zusätzlich weitere zwei Wochen lang zu Hause zu bleiben. Denn bei zwei Australiern war das Virus erst zuhause festgestellt worden, obwohl sie auf der "Diamond Princess" negativ getestet worden waren.

Nicht nachvollziehbare Ansteckungswege

Sorge bereiten der WHO neben den Indizien für eine längere Inkubationszeit auch die oftmals nicht mehr nachvollziehbaren Ansteckungswege und jene Infektionsfälle, bei denen es keine klare epidemiologische Verbindung gibt, so WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus auf Twitter.

Laut WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus hätten sich viele Menschen mit dem neuen SARS-CoV-2 angesteckt, obwohl sie weder in China waren noch mit jemandem in Kontakt standen, bei dem das Coronavirus nachgewiesen worden war. Dies stützt die mittlerweile gängige Annahme, dass auch weitgehend oder gänzlich symptomfreie Menschen die Erreger weiter verbreiten können. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund