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Coronavirus: Das Kulturleben steht still

29. Januar 2020

Zum Schutz vor dem Coronavirus sind Freizeitparks und Sehenswürdigkeiten in China gesperrt, Museen und Kinos geschlossen. Wie gehen Betroffene damit um? Li Yunzhong, Kulturmanager aus Wuhan, gibt Antworten.

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BG Alltag in der abgeriegelten Stadt Wuhan
Bild: Getty Images/AFP/H. Retamal

"Aus meinem Fenster sehe ich den zweiten Ring von Wuhan, das ist eine Hauptverkehrsachse der Stadt. Normalerweise ist die Straße um die Uhrzeit (Anm. d. Red.: später Nachmittag) voller Autos, wie ein Strom aus Lichtern. Jetzt fahren da ein paar Fahrzeuge, deutlich mehr als in den letzten Tagen, aber insgesamt ist es sehr leer. Gegenüber sind die Gebäude schön beleuchtet, die Kulisse sieht schön aus – aber zugleich auch sehr unecht, surreal", erzählt Li Yunzhong, der eine Künstleragentur betreibt und seit sieben Tagen mit seiner Frau, einer Opernsängerin, in seiner Wohnung in Wuhan festsitzt. Nach mehreren düsteren Tagen habe sich das Wetter gebessert. "Deswegen kommen die Menschen wieder raus, um einfach mal nach Luft zu schnappen, einzukaufen, die Sonnenstrahlen zu spüren." Aber eine "Massenkultur", so Li Yunzhong, finde derzeit nicht statt.

Das kulturelle und öffentliche Leben ist weitgehend erloschen. Massenveranstaltungen sind verboten, Kultureinrichtungen geschlossen. Seit dem 22. Januar ist die 11-Millionen-Stadt Wuhan in Zentralchina von dem Rest der Welt abgeriegelt. Die offizielle Mitteilung der Regierung kam gegen 02.00 Uhr nachts. Bis 10.00 Uhr am selben Tag konnten die Menschen die Stadt noch verlassen, ab da wurde ein Ausreisestopp verhängt. Viele Menschen, die es in der Nacht noch mitbekommen hattten, haben in den verbliebenen acht Stunden ihre Stadt verlassen, Li Yunzhong ist geblieben, bewusst: "Da ich direkt am zweiten Ring wohne, hätte ich lediglich 30 Minuten bis zur Autobahn gebraucht, aber ich habe mich dagegen entschieden, die Stadt zu verlassen. Meine Schwestern sind hier in Wuhan, und wir wollten während des Frühlingsfests bei unseren Familien sein, bei meinen Eltern und Schwiegereltern. Das ist der Sinn des Festes, also stellte sich für mich die Frage der Ausreise nicht", sagt er.

Hinzu kommt für viele in der Stadt der finanzielle Aspekt: Die Kosten für Hotelübernachtungen um das Frühlingsfest herum sind in ganz China viel höher als üblich. Nur wenige können sich das leisten – und bleiben deswegen in der abgeriegelten Stadt.

Langeweile nistet sich ein

Die sonst so quirligen Straßen sind wie ausgestorben. Zur Angst vor dem Virus kommt für viele Chinesen die Langeweile dazu, wie User in sozialen Netzwerken schreiben. Denn auch in anderen Metropolen wie Shanghai und Peking sind Kinos, Museen und Theater geschlossen und die Straßen wie ausgestorben. 

Unterdessen machen sich die Menschen in Wuhan auf kreative Art und Weise Mut und beschwören den Zusammenhalt. Videos, bei denen Bewohner aus ihren Fenstern die chinesische Hymne singen, kursieren auf Twitter. Dabei skandieren sie unter anderem aufmunternde Sätze wie "Wuhan, add oil", was soviel bedeutet wie "Wuhan, gib Gas/auf geht's!". 


"Der Mensch ist ein Gesellschaftstier. Jemand, der in einer Großstadt wie Wuhan lebt und normalerweise ausgeht, sich mit Leuten trifft, ist es nicht gewohnt, eingesperrt zu sein. Das ist ein anormaler Zustand. Da kommt automatisch das Bedürfnis auf, etwas zu machen. Auf den sozialen Kanälen haben sich Menschen zum Singen verabredet, und dieser Aufruf wurde von vielen hier aufgenommen", erzählt Li Yunzhong. Zum Unmut der Experten, die prompt auf allen Kanälen – TV, Radio und Social Media – vor einer Beschleunigung der Ansteckungsgefahr warnten. Singen ja, aber zu Hause bei geschlossenen Fenstern, so die Aufforderung der Experten.

Medienberichten zufolge haben inzwischen Fastfood- und Kaffeeketten einen Großteil ihrer Filialen geschlossen. Allein die Firma Starbucks soll mehr als die Hälfte ihrer insgesamt 4300 Läden in China geschlossen haben. Offiziell wurde der Urlaub zum Frühlingsfest bis zum 2. Februar verlängert. 

DW Mitarbeiterportrait | Rayna Breuer
Rayna Breuer Multimediajournalistin und Redakteurin