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Politik

Landeverbote für britische Flieger

20. Dezember 2020

Nachdem in Großbritannien eine neue Variante des Coronavirus entdeckt wurde, wollen mehrere Nachbarstaaten keine Fluggäste mehr von dort einreisen lassen.

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Niederlande Amsterdam Schiphol | British Airways Embraer ERJ-190
Eine Maschine der British Airways nach der Landung in Amsterdam (Archivbild)Bild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture alliance

Als erstes europäisches Nachbarland setzten die Niederlande das Fluglandeverbot am Sonntagmorgen in Kraft. Es gilt bis zum 1. Januar. Die Regierung in Den Haag reagierte damit auf den Nachweis einer neuen, besonders ansteckenden Mutation des Coronavirus in den Niederlanden. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums entspricht diese Variante der bereits in Großbritannien zirkulierenden Version. Diese soll sich dem Ministerium zufolge leichter und schneller verbreiten sowie schwieriger zu entdecken sein.

Nach einer Empfehlung der nationalen Gesundheitsbehörde hatte das Kabinett von Regierungschef Mark Rutte nun "vorsichtshalber" das Verbot von Flügen aus Großbritannien beschlossen. Mögliche Regeln für andere Verkehrswege würden derzeit überprüft. Zudem solle mit anderen EU-Staaten darüber beraten werden, mit welchen Schritten eine Ausbreitung der neuen Corona-Mutation verhindert beziehungsweise begrenzt werden könne.

Immer mehr Flugstopps

Kurz darauf beschloss Belgien einen 24-stündigen Landestopp für Flieger aus Großbritannien, der zur Mitternacht in Kraft tritt. Zudem gibt es Einschränkungen für Einreisen mit dem Zug. Dies gilt auch für den Eurostar. Auch Österreich und Italien kündigten an, keine Flugzeuge aus dem Vereinigten Königreich mehr landen zu lassen, nannten aber keine Termine. Tschechien verschärfte derweil seine Quarantäne-Vorschriften für Reisende aus dem Königreich. 

Angesichts der neuen Virusvariante prüft auch Deutschland Schutzvorkehrungen im Flugverkehr. Einschränkungen der Flüge aus Großbritannien und Südafrika, wo die Virusmutation ebenfalls aufgetaucht ist, seien eine "ernsthafte Option", hieß es aus Kreisen des Gesundheitsministeriums. Wegen einer Änderung im Bevölkerungsschutzgesetz dürfte eine Reaktion der Bundesregierung länger dauern als bisher üblich. In der Vergangenheit hätte Spahns Ressort per Anordnung und im Einvernehmen mit dem Bundesverkehrsministerium rasch und quasi über Nacht handeln können. Nun ist eine formale Rechtsverordnung der gesamten Bundesregierung nötig.

Kein Shopping, keine Reisen 

Auf jeden Fall solle auf Reisen, wenn irgendwie möglich, verzichtet werden, appellierte das Gesundheitsministerium an die Niederländer, die sich seit dieser Woche in einem harten Lockdown befinden. Schulen und alle nicht für den täglichen Bedarf notwendigen Geschäfte sind bis Mitte Januar geschlossen.

Ziel des Lockdowns sei es, die Zahl der Kontakte auf ein Minimum zu begrenzen, erklärte Rutte in einer Fernsehansprache. Noch vor wenigen Wochen hatte der Regierungschef das Ziel formuliert, die Zahl der Neuinfektionen auf unter 3600 pro Tag zu reduzieren. Kurz vor Inkrafttreten der neuen Regeln meldeten die Gesundheitsämter täglich mehr als 8000 neue Fälle. 

Großbritannien London | Coronavirus | Regent Street, Shopping
In London werden die Einkaufsstraßen künftig deutlich leerer seinBild: Alberto Pezzali/AP Photo/picture alliance

Auch in London und im Südosten Englands, wo rund ein Drittel der Bevölkerung lebt, wurden bereits Konsequenzen aus der Entdeckung der neuen Variante des Coronavirus gezogen. Premierminister Boris Johnson hatte zwar vor wenigen Tagen noch Forderungen aus der Wissenschaft und der Opposition nach härteren Maßnahmen über die Feiertage abgelehnt - nun aber blieb ihm offenbar keine andere Wahl. Etwa 16 Millionen Menschen dürfen auch über Weihnachten keine Mitglieder anderer Haushalte treffen. Geplant war zunächst, dass sich im Zeitraum vom 23. bis 27. Dezember bis zu drei Haushalte zu festen "Weihnachtsblasen" zusammenschließen dürfen. In Gebieten wie London, in denen ab sofort die höchste Corona-Warnstufe 4 gilt, müssen zudem alle Geschäfte, die nicht lebensnotwendige Dinge anbieten, schließen.

"Wir opfern die Möglichkeit, unsere Lieben dieses Weihnachten zu sehen, damit wir eine bessere Chance haben, ihr Leben zu schützen, damit wir sie an künftigen Weihnachten sehen können", schrieb Johnson am Samstagabend auf Twitter. Gleichzeitig warnte der Premier vor der neuen Variante VUI2020/12/01. Diese breite sich rasch aus und sei bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form. Der Premier betonte, es gebe aber weder Hinweise darauf, dass Impfstoffe weniger effektiv gegen die Mutation seien, noch darauf, dass die Krankheit schwerer verlaufe oder es mehr Todesfälle gebe. Zuvor war bereits in Südafrika eine ähnliche Mutation des Virus entdeckt worden (501.V2). Wissenschaftler, die hunderte Proben untersucht hatten, leiteten ihre Erkenntnisse an die Weltgesundheitsorganisation und britische Behörden weiter.

Deutschland weiter auf hohem Neuinfektionsniveau

Auch in Deutschland wird die Verbreitung der neuen Variante mit Sorge beobachtet. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Mutationen die Ansteckungsgefahr erhöhen", warnte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das ist ein weitere Grund dafür, warum die zweite Welle nicht so stark werden darf. Je mehr Ansteckungen man zulässt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch gefährlichere Mutationen folgen", erklärte Lauterbach. Man gerate sonst schnell in eine Art Teufelskreis.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet derweil mehr als 22.700 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Die Zahl der Corona-Todesfälle stieg laut RKI binnen eines Tages um 409 auf insgesamt 26.049. Da aber am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter ihre Daten übermitteln, liegen die Fallzahlen sonntags und montags in der Regel niedriger als an anderen Wochentagen. Am vergangenen Sonntag wurden vom RKI 20.200 Neuinfektionen und 321 neue Todesfälle vermeldet. 

Deutschland Bamberg | Coronavirus | Probelauf Impfzentrum
Eine Mitarbeiterin des neu eingerichteten Impfzentrums Bamberg beim Probedurchlauf Bild: Nicolas Armer/dpa/picture alliance

Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich der Impfbeginn kurz vor Weihnachten auf die Verbreitung des Virus in Deutschland auswirkt. Nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn hat sich die Bundesregierung weitere Dosen der aussichtsreichen Impfstoffe gesichert. Spahn erklärte am Samstag auf Twitter, es solle jedem, der 2021 geimpft werden wolle, auch so bald wie möglich ein Impfangebot gemacht werden. "Dazu haben wir schon mit den beiden in Zulassung befindlichen Impfstoffen ausreichend Dosen." 

Keine Impfpflicht

Die gesicherten Mengen werden allerdings erst nach und nach im Laufe des kommenden Jahres erwartet. Für das erste Quartal 2021 rechnet der Bund zunächst mit 11 bis 13 Millionen Dosen. Deswegen wird eine Reihenfolge festgelegt, welche besonders schutzbedürftigen Gruppen sich vorrangig impfen lassen können. Der CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz sprach sich dafür aus, unter anderem Politiker frühzeitig zu impfen. "Sobald es die Kapazitäten hergeben, sollten auch Vertreter des öffentlichen Lebens geimpft werden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). So könne man auch denjenigen die Angst und die Befürchtungen nehmen, die Zweifel an den Impfungen hätten.

Privilegien oder Belohnungen für Menschen, die sich impfen lassen, soll es nach Ansicht von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dagegen nicht geben. "Eine Impfpflicht durch die Hintertür ist nicht geplant", erklärte der Grünen-Politiker der dpa. Er wolle stattdessen mit Nachdruck für das Impfen werben und darüber aufklären. Ähnlich äußerte sich auch der nordrhein-westfälische Landeschef Armin Laschet (CDU). Auch er sprach sich gegen Sonderrechte für bereits Geimpfte aus. "Jeder Druck zerstört Vertrauen", erklärte Laschet. Sollten private Anbieter - etwa Konzertveranstalter oder Fluggesellschaften - einen Impfausweis verlangen, schließt der Ministerpräsident ein politisches Vorgehen dagegen nicht aus. 

djo/fab/kle (afp, dpa, rtr, ape)