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Berlusconi in Monza: Romantik oder Kalkül?

Tom Mustroph
26. November 2018

Silvio Berlusconi ist zurück im Fußball. Mit dem Drittligisten SS Monza will er mit einheimischen Spielern ohne Tattoos und wilden Frisuren in die Serie A. Das Vintage-Modell eines alten reichen Mannes.

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Silvio Berlusconi ist neuer Eigentümer des Drittligisten Monza
Bild: picture-alliance/IPP

Noch klappt es nicht so recht mit der famosen Aufstiegsgeschichte. Unter gellenden Pfiffen der etwa 1.000 Ultras trabten die Spieler des SS Monza 1912 in die Katakomben des Stadions Brianteo. 0:2 ging das Heimspiel gegen Serie C-Konkurrenten Pordenone verloren. Zwar hatten die Gastgeber spielerisch ein Übergewicht. Es gab sogar Hackentricks und mancher Spielzug erinnerte an das Repertoire des großen AC Milan. Am Ende konnte aber nicht einmal ein Platzverweis gegen den Gast die Partie versöhnlicher gestalten.

Silvio Berlusconi, der den Klub im September erworben hatte, war nicht im Stadion. Sein Anwesen in Arcore liegt keine zehn Kilometer entfernt. Er soll, wenn er aus dem Fenster blickt, sogar die Flutlichtmasten des 1988 im Brutal-Betonstil jener Jahre gebauten und für etwa 18.000 Zuschauer ausgerichteten Stadions erkennen können. Dass er nicht zu den 2.353 Zuschauern gehörte - Gesamteinnahme offiziell 11.715,43 Euro - ersparte ihm einen frustrierenden Nachmittag.

Auf der Tribüne saß dagegen Berlusconis treuer Adlatus Adriano Galliani. 31 Jahre lang managte er unter Berlusconi die "Rossoneri" und führte das Star-Ensemble zu Meisterschaften und Champions League-Triumphen. Bevor er zum AC Mailand ging, war Galliani aber auch neun Jahre für Monza tätig. Er pflegt zu sagen: "Ich war immer einer von Monza. An den AC Mailand war ich nur 31 Jahre ausgeliehen. Jetzt bin ich zurück."

Tommaso Ceccarelli
Noch nicht die ganz große Bühne: Bei den Heimspielen Monzas sind (noch) die meisten Plätze im Brianteo-Stadion leerBild: picture-alliance/NurPhoto/A. Diodato

Das ist der romantische Aspekt der Geschichte. Galliani ist Monza-Urgestein, 1944 wurde er hier geboren. Nach seiner Ausbildung arbeitete er acht Jahre lang für die Stadtverwaltung. Und selbst Neubesitzer Berlusconi darf man aufgrund der räumlichen Nähe zu Mailand und seinem Landsitz in Arcore wohl Bodenständigkeit zubilligen.

Nicht wie RB Leipzig, aber Parallelen zu Hoffenheim

Mit dem Retortenklub RB Leipzig lässt sich SS Monza 1912 daher nicht vergleichen. Red Bull übernahm 2009 einen Fünftligisten in Makranstädt, um unter dem Radar der Lizensierungsauflagen des DFB eine Fußballfiliale der damaligen Salzburger Zentrale aufzubauen. Größer sind die Parallelen schon zum anderen Neureichen-Klub der Bundesliga, der TSG 1899 Hoffenheim. Wie bei Monza gibt es die regionale Verankerung des Eigners, des SAP-Mitbegründers Dietmar Hopp. Dessen finanzielles Gewicht überstieg in Anfangszeiten ebenfalls weit die Möglichkeiten der Konkurrenz. Doch während Hopp sich mit dem Klub ein ganz neues Spielzeug zu leisten begann, ist Berlusconi ein Rückkehrer. Einer, der vielleicht gar nicht vom Spiel mit dem Ball und der ganzen damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit lassen kann.

"Fußball ist wie eine Droge", erklärt sich Monzas Sportdirektor Filippo Antonelli den Einstieg des Medienmoguls und Berufspolitikers. Antonelli ist bereits seit vier Jahren beim Klub. "Berlusconi und Galliani sind echte Fußballliebhaber. Das spürt man, wenn sie über Fußball reden. Mit ihnen kommt mehr Erfahrung und auch mehr Kapital, um die Strukturen hier deutlich zu verbessern", meint er zu DW. Ausbau der Jugendarbeit und Entwicklung eigener Talente lautet die Strategie.

Serie A, Nationalteam, Champions League?

Serie C - Monza v Triest:  Adriano Galliani und Silvio Berlusconi
Eingespieltes Team: Adriano Galiani (l.) und Silvio Berlusconi (r.) machten den AC Mailand gemeinsam zur WeltmarkeBild: picture-alliance/IPP

Bis spätestens 2020 soll der Klub in die 2. Liga. "Mittelfristig streben wir natürlich die Serie A an. Aber wir wollen es mit Geduld angehen und vor allem italienische Spieler entwickeln. Wenn die dann in die Nationalmannschaft berufen werden, umso besser", erklärt Antonelli. Er stimmt auch komplett überein mit einer geradezu nostalgischen Strategie Berlusconis. "Es soll wie in den alten Zeiten des AC Mailand sein: Der Kern der Mannschaft besteht aus Italienern, dazu kommen drei Ausländer. Das ist die Formel", betont er.

Berlusconis zweite Forderung, dass die Spieler keine Tattoos tragen dürften und auf schrille Frisuren verzichten sollten, versucht der Sportdirektor pragmatisch zu entschärfen. Nicht tätowierte Spieler sind kaum zu haben, selbst Coach Cristian Brocchi, von Berlusconi vom AC Mailand mitgebracht, hat welche.

Cristian Brocchi
Monzas tätowierter Trainer mit Profierfahrung: Cristian Brocchi war Profi und Coach beim AC Milan Bild: picture-alliance/epa/A. Carconi

Berlusconis Rückkehr in den Fußball trägt emotionale, wirtschaftliche und politische Züge. Als er im letzten Jahr den AC Mailand verkaufte, inszenierte er sich vor allem als Trauernden. "Die Summen, die man braucht, um vorn dabei zu sein, kann eine einzelne Familie gar nicht mehr stemmen. Deshalb mussten wir verkaufen", sagte er. Beim hochtourigen Fußballgeschäft der russischen Oligarchen, arabischen Ölprinzen, Hedgefonds-Manager aus den USA und neureichen Chinesen wollte und konnte er nicht mehr mitbieten. 600 Millionen Euro durfte sich seine Holding Fininvest nach dem Verkauf gutschreiben. Die rund drei Millionen Euro, die Fininvest jetzt für den Kauf von Monza locker machte, sind da eine Bagatellsumme.

Politisches Kalkül?

Dass Berlusconi zurückkam, dürfte auch mit dem schwachen Wahlergebnis seiner Partei Forza Italia im Frühjahr 2018 zusammenhängen. Da hatte er bitter bemerkt: "Ich werde wohl noch Milan zurückkaufen müssen. Die Wahlanalysten sehen einen Zusammenhang zwischen dem Abschneiden von Forza Italia und dem Milan-Verkauf." Für den Serie A-Klub reichte es nicht, für den neuen Klub um die Ecke in der 3. Liga aber schon.

Mit der Strategie, vor allem auf italienische Spieler zu setzen, bedient er den Nationalstolz. Die Anti-Tattoo-Kampagne suggeriert ebenfalls eine Rückkehr zu tradierten Werten. Unabhängig vom sportlichen Erfolg versucht Berlusconi so Anhänger zurückzugewinnen, die Forza Italia im rechten politischen Spektrum an die provinziellen Nationalisten der Lega Nord verlor. Der Begriff "Champions League" - bei Hoffenheim und RB Leipzig früh im Umlauf - spielt in Monza zumindest derzeit keine Rolle. Es klingt zu elitär, zu sehr nach dem, von dem man sich absetzen will. Und eine wirtschaftlichen Erfolg versprechende Zuschauerbasis ist in dem Provinznest nordöstlich von Mailand wohl nur dann aufzubauen, wenn den Traditionsklubs AC und Inter Mailand gravierende Fehler unterlaufen.