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PolitikBelarus

Belarus: Was man über die Wahlen 2024 wissen muss

Emma Levashkevich | Alexandra Boguslawskaja | Daria Bernstein
Veröffentlicht 24. Februar 2024Zuletzt aktualisiert 25. Februar 2024

In Belarus soll die Bevölkerung erstmals seit der gefälschten Präsidentenwahl im Jahr 2020 wieder wählen gehen. Der Urnengang findet ohne unabhängige Beobachter statt. Wie hat sich das Regime darauf vorbereitet?

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Plakat auf einem Platz mit dem Aufruf zur Teilnahme an den Wahlen am 25. Februar
Am 25. Februar 2024 sollen die Belarussinnen und Belarussen ihre Stimme abgebenBild: DW

Es sind die ersten Wahlen in Belarus seit der politischen Krise im Jahr 2020. Am 25. Februar ist die Bevölkerung aufgerufen, gleichzeitig Abgeordnete für Gemeinderäte und Parlament zu bestimmen.

Ins Unterhaus des Parlaments werden 110 Abgeordnete gewählt, in die Gemeinderäte etwa 12.000 Vertreter. Eine Hürde, was die Wahlbeteiligung angeht, gibt es diesmal nicht. Die Wahlen gelten als gültig, unabhängig davon, wie viele Menschen an ihnen teilnehmen.

Nach den Massenprotesten wegen Manipulation der Präsidentschaftswahlen im Sommer 2020, bei denen Machthaber Alexander Lukaschenko einfach zum Sieger erklärt worden war, hatte das Regime weitere Wahlen lange hinausgezögert. Die Gemeinderäte sollten eigentlich schon im Jahr 2022, und das Parlament 2023 gewählt werden.

Repressionen sorgen für Angst

In den vergangenen Jahren hat das Lukaschenko-Regime die politische Landschaft gründlich "gesäubert". Dies betonen das belarussische Menschenrechtszentrum "Wjasna" und das belarussische Helsinki-Komitee im Rahmen ihrer Kampagne "Menschenrechtsverteidiger für freie Wahlen". Von den ursprünglich 16 Parteien seien nur noch vier übrig geblieben. Von diesen bekunde jede ihre volle Unterstützung für Lukaschenko.

Alexander Lukaschenko an einem Tisch mit zwei Mikrofonen und belarussischen Flaggen im Hintergrund
Alexander Lukaschenko ist seit 1994 in Belarus an der MachtBild: ALEXANDER NEMENOV/AFP/Getty Images

Noch bevor die Wahlen für 2024 angekündigt wurden, sorgten die Behörden den Menschenrechtlern zufolge mit Repressionen und Willkür für eine Atmosphäre der Angst: "Nach den Präsidentschaftswahlen hat das Regime den öffentlichen und politischen Raum systematisch verwüstet. Es gibt keinen Platz mehr für Debatten".

Ende 2020 waren den Aktivisten 650 Fälle politischer Verfolgung bekannt. 2021 stieg die Anzahl auf 1380 Fälle, 2022 auf 3800 und Ende 2023 auf rund 5200 Fälle. Der Politologe Artyom Shraibman, der selbst aus Belarus fliehen musste, hält die Wahlen für einen "Test des Systems, um zu sehen, ob noch alles hält". Er fügt hinzu: "Ich denke, das erklärt die Nervosität".

Stimmabgabe im Ausland nicht möglich

Diesmal sollen die Wähler nach dem Willen der Behörden anscheinend so weit wie möglich kontrolliert werden. So wird es beispielsweise in den Wahlkabinen keine Vorhänge geben. Das Fotografieren von Stimmzetteln ist untersagt.

Ferner können Belarussen mit Wohnsitz im Ausland nicht mehr in den Botschaften des Landes ihre Stimme abgeben. Dies betrifft über 1,8 Millionen Menschen. Außerdem werden die Namen der Mitglieder der Wahlkommissionen geheim gehalten. Auf einem Foto zur Berichterstattung über die Wahlen wurden von der staatlichen Nachrichtenagentur Belarusian Telegraph Agency (Belta) sogar die Gesichter der Kandidaten anonymisiert.

Wahlen ohne unabhängige Beobachter

Es sind bereits die dritten Wahlen in Belarus, bei denen keine Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zugelassen sind. Aus Sicht des belarussischen Außenministeriums sind die "Gründe dafür einfach und klar". Dazu gehöre "die traditionelle Dominanz von Vertretern westlicher Länder in OSZE-Missionen", die "ungerechtfertigten strengen politischen und wirtschaftlichen Sanktionen seitens der westlichen Länder" und die "Verschlechterung der logistischen Möglichkeiten für Belarussen bei der Aus- und Einreise". 

Der Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), Matteo Mecacci, befürchtet, die belarussische Bevölkerung werde mangels unabhängiger Beobachtung "keine unparteiische, transparente und umfassende Bewertung der Wahlen" bekommen. "Dies widerspricht sowohl den von Belarus eingegangenen Verpflichtungen und Verträgen, als auch dem Geist der Zusammenarbeit, worauf die OSZE beruht."

Menschen stehen in einer Schlange vor Tischen für eine Unterschriftensammlung für Kandidaten für die Wahlkampagne 2024
Unterschriftensammlung für Kandidaten für die Wahlkampagne 2024Bild: Ales Petrovich/DW

Menschenrechtler haben beschlossen, in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen keine Wahlbeobachtung vorzunehmen. Eine Expertenkommission soll aber Informationen aus offenen Quellen zusammentragen. Zudem sollen Wahlverstöße auf anonymem Wege gemeldet werden können. "Heute bestehen für unabhängige Wahlbeobachter große Risiken. Die Behörden haben Menschenrechtsorganisationen, die früher legal Beobachter in Wahllokale schicken konnten, die Zulassung entzogen. Einige Organisationen wurden sogar als extremistisch eingestuft, weswegen sie auch strafrechtlich verfolgt werden können", erläuterte die belarussische Anwältin Svetlana Golovneva.

Wer darf als Beobachter kommen?

Statt Wahlbeobachtern von der OSZE werden die Wahlen in Belarus nach Angaben der staatlichen zentralen Wahlkommission von anderen Organisationen beobachtet: Dazu gehören Vertreter von Zentralen Wahlkommissionen aus postsowjetischen GUS-Staaten und Abgesandte der Association of World Election Bodies (A-WEB). Auch eine Mission der Parlamentarischen Versammlung der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) ist vertreten. Die OVKS ist ein im Jahre 2002 gegründetes Militärbündnis zwischen mehreren früheren Mitgliedsstaaten der Sowjetunion, das von Russland angeführt wird. 

Am vergangenen Donnerstag hatte zudem die Wahlkommission mitgeteilt, dass sie 23 Vertreter der Europäischen Union für die Wahlen akkreditiert habe, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Belta. Es gehe um Personen aus Deutschland, Litauen, Polen und anderen Ländern. Die Wahlkommission machte weder Angaben zu den Namen der Beobachter noch zu den Organisationen, denen sie angehören.

Anwältin Svetlana Golovneva weist darauf hin, dass undemokratische Regime oft versuchen würden, eine pseudo-unabhängige Beobachtung zu organisieren, um eine positive Beurteilung von Wahlen zu erhalten. "Da keine Möglichkeit zur Beobachtung durch die Zivilgesellschaft oder internationale unabhängige Beobachter besteht, wird es viel schwieriger, Beweise zu sammeln, dass die Wahlen nicht frei und fair abgehalten wurden."

Was sagen Vertreter der Opposition?

Die belarussischen demokratischen Kräfte stellen klar, dass die anstehende Abstimmung nicht als "Wahl" bezeichnet werden könne. "Es gibt keinen wirklichen Wahlkampf für die Parlaments- oder Kommunalwahlen und auch keine elementaren Voraussetzungen zur Durchführung solcher Wahlen", sagte der DW Walerij Kowalewskij, Vertreter des "Gemeinsamen Übergangskabinetts der Demokratischen Kräfte".

Zudem gebe es keine unabhängigen Medien und keine alternativen Kandidaten, die wirklich um Mandate kämpfen würden. "Man kann nicht von fairen und freien Wahlen in Belarus sprechen, wenn Tausende von Menschen als politische Gefangene in Haft sind und nicht teilnehmen können."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk