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Auf der Suche nach dem Beethoven von heute

13. Oktober 2020

Was ist musikalisch radikal im 21. Jahrhundert? Was hätte Beethoven heute getan? Zwölf junge Künstler gehen dieser Frage nach.

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Das STEGREIF Orchester in Aktion: Musikerinnen und Musiker mit verbundenen Augen spielen gemeinsam
Das STEGREIF.orchesterBild: PODIUM Esslingen/Navina Neuschl

Dass Ludwig van Beethoven beinahe jeden Aspekt des Musiklebens seiner Zeit revolutionierte, ist ein musikhistorischer Allgemeinplatz. Ob die Idee einer großen Symphonie, Improvisation, die Rolle des Künstlers, das Verhältnis von Alt und Neu oder das Konzertformat selbst - es gibt keinen musikalischen Bereich, in dem Beethovens Einfluss nicht enorm wäre. Dabei eckte er bei seinen eigenen Zeitgenossen mit seiner Radikalität und Kompromisslosigkeit schon mal an und wurde bei Weitem nicht immer als Prophet gefeiert.

Eine Welt ohne Beethoven: Keine Jazz ohne Beethoven?

Auf der Suche nach dem Beethovenschen Geist

Was hätte Beethoven aber heute getan? Wofür hätte er gestanden? Dieser gewagt formulierten Frage gehen zwölf aufstrebende Künstlerinnen und Künstler nach, die sich anlässlich des Beethoven-Jubiläums zum Projekt"#bebeethoven" zusammengetan haben.

Federführend für das landes- und bundesgeförderte Projekt ist PODIUM Esslingen - jener 2009 als kleines alternatives Kammermusikfestival gegründete Verein aus jungen Menschen, der in den letzten Jahren zunehmend als eine Art "Denkfabrik" in Sachen Neugestaltung des Musiklebens funktioniert.

An der Spitze des Projektes steht Steven Walter - Cellist und Musikmanager, der nach der Ära von Nike Wagner die Intendanz des Beethovenfestes Bonn übernehmen wird. Nun werden die zwölf Projekte beim Festival in Esslingen und danach, vom 16. bis 24.Oktober, in der Beethovenstadt Bonn präsentiert.

Schwarz-weiß Porträt von Steven Walter.
Der Neue: Steven WalterBild: Daniel Barth

Was ist musikalisches Querdenken heute?

"Wir haben uns die Frage gestellt: Wo finden wir in unserer Zeit interessante Ansätze, querdenkende Projekte, die ähnliches Wirkungspotenzial haben, wie Beethoven es hatte?", erzählt Walter, der Kurator des Projekts. "Das heißt natürlich nicht, dass die Leute sein sollten wie Beethoven. Das geht schon deswegen nicht, weil auch Beethoven heute nicht so wäre, wie er in seiner Zeit war. Vielmehr ging es uns darum, zu analysieren, wofür Beethoven stand und dann zu überlegen, wofür sein 'Spirit' heute stehen könnte."

Ob technologischer Fortschritt, kompositorischer Innovationsdrang, der Musikschaffende als Unternehmer oder das Bekenntnis zur humanistisch-politischen Dimension der Kunst - Beethoven bietet viele Ansätze als Mensch und Musiker.

"Kein Beethoven dabei, aber viel Beethoven drin …"

…lautete die Maxime. Das Projekt #bebeethoven versteht Steven Walter als eine Art Labor, in dem nach neuen transmedialen Formaten des Musizierens und der Interaktion mit dem Publikum geforscht wird. So entwarf der Berliner Hornist Juri de Marco mit dem von ihm gegründeten "STEGREIF.orchester" ein Modell von einem Zukunftsorchester, das frei, ohne Noten, ohne Stühle und ohne Dirigenten spielt, entstaubt von den Klischees des klassischen Orchesters und den dazugehörigen Konzertritualen.

Koka Nikoladze sitzt vor einer selbstgebauten Musikmaschine
Soundkünstler Koka NikoladzeBild: PODIUM Esslingen

Der georgische Künstler Koka Nikoladze, heute in Oslo ansässig, komponiert für das Projekt in Echtzeit - mit anwesenden Musikern und einer von ihm selbst entwickelten Technologie, die ein Orchester neuartig steuern kann. Auf seine Fahnen schrieb er sich das Beethoven-Zitat "Echte Kunst ist eigensinnig". Der Spanier Iñigo Giner Miranda inszeniert ein Konzert zu einem Gesamtkunstwerk, wobei ihm jedes Mittel recht ist - von einer Discokugel bis zu einem gedeckten Tisch, an den Konzertbesucher als Gäste von schauspielenden Musikern gebeten werden. Und das Berliner Künstlerkollektiv "Quadrature", bestehend aus Juliane Götz und Sebastian Neitsch, begibt sich auf die Suche nach den Klängen des Kosmos - wahrnehmbaren Geräuschen aus extraterrestrischen Welten. Ausgehend von physikalisch erhobenen Daten, entwickeln die Künstler mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Klanginstallationen, sozusagen neue "Himmelsharmonien".

Ein Radioteleskop auf einer Wiese voller Frost
Klänge von überall - auch aus dem All...Bild: PODIUM Esslingen

Hätte sich Beethoven für solche Experimente interessiert? Sicherlich würde er sich nicht vor ihnen verschließen, meint Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses und Künstlerischer Geschäftsführer der BTHVN2020 (Beethoven Jubiläums GmbH) die das Projekt #bebeethoven maßgeblich unterstützt und in Bonn mitpräsentiert: "Schließlich war Beethoven einmal ein nach den Sternen greifender junger Mann."

Die #bebeethoven Konzerte und Performances finden vom 17. bis 24. Oktober in Bonn statt. Dabei präsentieren sich alle zwölf Projektteilnehmenden mit diversen Konzertformaten und Installationen.