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Bafin-Boss: "Verhaftet diesen Haufen Krimineller!"

Brigitte Scholtes Frankfurt a.M.
3. September 2020

Auf einer Bankentagung in Frankfurt haben sich Banker und ihre Aufseher zum Wirecard-Skandal geäußert. Sie haben (Selbst-)Kritik geübt und Besserung gelobt. Auch der Berliner Finanzminister will Konsequenzen ziehen.

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Messestand, wirecard
Bild: imago

So schnell wie möglich will Bundesfinanzminister Olaf Scholz Reformen auf den Weg bringen, damit ein Bilanzskandal wie bei Wirecard künftig möglichst vermieden werden kann. Deshalb sei er auch"völlig einverstanden" damit, dass jetzt ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Skandals eingesetzt werde, sagte er auf einer Bankentagung in Frankfurt.

So hält der Minister es für dringend erforderlich, "dass wir zum Beispiel die Rotation von Wirtschaftsprüfern, die in einem Unternehmen tätig sind, beschleunigen und die lange Dauer, die heute möglich ist, reduzieren." Außerdem strebt er eine bessere Trennung von Prüfung und Beratung an, und die Aufsichtsbehörden sollen zusätzliche und schärfere Instrumente erhalten.

Der Fall Wirecard

Zwei Ministerien arbeiten zusammen

"Die Ministerin und ich haben uns vorgenommen, dass wir unseren Teil der Arbeit sehr bald fertig haben und dann auch zur Debatte stellen", sagte Scholz, der zusammen mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht diese Reformen angeht. Auch die aktuellen Prüfinstrumente seien in der vergangenen Krise überarbeitet worden. "Deshalb müssen wir diese schwere Herausforderung nutzen, um jetzt unsere ganzen Aufsichtsinstrumente, aber auch die Tätigkeit von Wirtschaftsprüfern effizienter aufzustellen, damit es nach Möglichkeit nicht passiert, dass solche Zahlenmanipulationen überhaupt nicht auffallen."

Der Finanzminister steht wie auch Felix Hufeld, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der Kritik: Sie hätten bei der Kontrolle über Wirecard versagt. Deshalb hatte die Opposition aus Grünen, FDP und Linken in diesen Tagen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen. Der soll aufklären, wie es zu dem Skandal kommen konnte.

Der Münchner Zahlungsdienstleister hatte Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro zugegeben. Inzwischen ist das Münchner Unternehmen aus dem DAX geflogen. Anleger und Banken aber haben Milliarden verloren.

Felix Hufeld
Felix Hufeld, der Präsident der Finanzdienstleistungsaufsichtsbehörde Bafin steht gerade ungeschützt im GegenwindBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Hausaufgaben sofort erledigen

Dass solche Manipulationen trotz der öffentlichen Berichterstattung über Wirecard nicht aufgefallen sei, stimme ihn nachdenklich, sagte Scholz. Zwar sei die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bei Wirecard hinzugezogen worden, denn die zuständigen langjährigen Wirtschaftsprüfer von EY hatten keine Mängel entdecken können.

Das aber habe man mit den aktuellen gesetzlichen Möglichkeiten nicht veranlassen können. "Das hat mich gewurmt", meinte der Bundesfinanzminister. Deshalb will er erreichen, dass staatliche Institutionen künftig Sonderprüfungen durchsetzen können - auch ohne Anlass und natürlich auch mit dem Risiko, dass das einen Reputationsschaden für ein Unternehmen bedeute.

"Mit den Hausaufgaben sollte man nicht warten", sagte auch Axel Weber, früherer Bundesbank-Präsident und mittlerweile Chef des UBS-Verwaltungsrats. Doch die primäre Verantwortung liege im Unternehmen beim Aufsichtsrat. Deshalb müsse man auch dort das System der Kontrolle des Vorstands stärken.

Ein Fenster für Reformen

Gestern (2.9.2020) hatte Felix Hufeld, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), zugegeben, dass man sich zu lange auf die formal korrekten Verfahren verlassen habe. "Mit dem Wissen von heute hätten wir sofort die Staatsanwaltschaft angerufen und gesagt: 'Verhaftet diesen Haufen Krimineller." Hufeld versprach, die Aufklärung mit "absoluter Offenheit" zu begleiten, er lehnte einen Rücktritt jedoch ab.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hatte ihm den Rücken gestärkt und gemahnt, man möge die richtigen Schlüsse ziehen und nicht einzelne an den Pranger stellen. So deutlich klang die Unterstützung für Hufeld von Scholz nicht: "Meine Hoffnung ist, dass er auch dabei hilft, dass wir diese Reformen jetzt durchsetzen können und sie nicht verhindert werden."

Der Untersuchungsausschuss schaffe nun ein Fenster für Reformen: "Wenn das Interesse komplett nachlässt, dann können mächtige Interessengruppen im Hintergrund schon allerhand anstellen, um zu verhindern, dass jetzt die notwendigen Entscheidungen getroffen werden."

Das Versagen der Prüfer