1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteUkraine

Aktuell: Lebenszeichen von Prigoschin

26. Juni 2023

Der Wagner-Chef bestreitet jedweden Umsturzversuch in Russland. In Litauen findet ein NATO-Manöver statt. Bundesverteidigungsminister Pistorius verspricht dem baltischen Staat deutsche Unterstützung. Ein Überblick.

https://p.dw.com/p/4T2vV
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin fährt am Samstag durch die russische Stadt Rostow am Don - vorne sitzt ein vermummter Soldat seiner Wagner-Truppe
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am Samstag in der russischen Stadt Rostow am Don Bild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Prigoschin dementiert Umsturzversuch gegen Putin
  • Berichte über Schäden durch Wagner-Vormarsch
  • Selenskyj besucht die Front
  • Verteidigungsminister Pistorius in Litauen
  • EU-Außenminister beschließen weitere Ukraine-Hilfen
  • Selenskyj: Russland schadet sich zunehmend selbst

 

Der Anführer der Wagner-Truppe, Jewgeni Prigoschin, hat sich zum ersten Mal seit seinem abgebrochenen Aufstand vom Wochenende wieder gemeldet. Er habe die russische Führung nicht stürzen wollen, erklärt er in einer elfminütigen Audiobotschaft, in der er seinen Aufenthaltsort nicht preisgibt. Ziel der Aktion sei es gewesen, seine Truppe zu retten, die durch eine Eingliederung in die reguläre russische Armee bedroht war.

Prigoschin kritisiert, dass seine Truppen auf dem Weg nach Moskau beschossen worden seien. Er bedauere, dass im Gegenzug Flugzeuge der russischen Luftwaffe abgeschossen wurden. Man sei letztlich umgekehrt, um ein Blutvergießen zu vermeiden. Allerdings habe sein Vormarsch erhebliche Sicherheitsmängel in Russland aufgedeckt.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin lässt sich am Samstag in der russischen Stadt Rostow am Don von Zivilisten feiern
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin lässt sich am Samstag in der russischen Stadt Rostow am Don von Zivilisten feiernBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Prigoschin war mit seinen schwerbewaffneten Soldaten von der ukrainischen Grenze nach Moskau vorgerückt. Der Wagner-Chef sagt nun in seiner Audiobotschaft, die Militärkolonne seiner Truppe sei 780 Kilometer in Russland vorangekommen und sei bis rund 200 Kilometer vor Moskau gekommen. Wagner habe "die gesamte Militärinfrastruktur blockiert" einschließlich Luftwaffenstützpunkten entlang der Strecke. Zivilisten in Städten an der Strecke hätten seine Leute unterstützt, behauptet Prigoschin.

Wagner-Kämpfer beschädigten Häuser und Straßen

Beim Vormarsch aufständischer Wagner-Söldner in Russland sind nach Angaben der Behörden Häuser und Straßen beschädigt worden. In der Region Woronesch seien 19 Häuser in dem Dorf Elisawetowka durch ein Feuergefecht beschädigt worden, teilte der Chef der Bezirksverwaltung, Maxim Jantsow, im Messengerdienst Telegram mit. Demnach kam es in der Nähe des Dorfes "während des Durchzugs einer Wagner-Kolonne zu Zusammenstößen" mit der regulären russischen Armee.

Wagner-Söldner vor einem Panzer mit einem Z-Zeichen in einer Straße
Wagner-Panzer am Samstag in Rostow am DonBild: REUTERS

In der südlichen Stadt Rostow am Don, in der Wagner-Kämpfer am Samstag ein Militär-Hauptquartier besetzt hatten, beschädigten Panzer Fahrbahnen auf einer Fläche von mehr als 10.000 Quadratmetern, wie Bürgermeister Alexej Logwinenko in Online-Netzwerken mitteilte. Auf Fotos, die er im Internet veröffentlichte, waren Panzerspuren auf den Straßen zu sehen. Die Reparaturarbeiten sollten umgehend beginnen und es sei geplant, dass sie in zwei Tagen abgeschlossen seien, sagte er.

Weder die russischen Behörden noch die Wagner-Gruppe machten zunächst Angaben zu möglichen Opfern, obwohl die Söldner erklärt hatten, mehrere Flugzeuge abgeschossen zu haben. 

Nach dem Söldner-Aufstand rief der russische Ministerpräsident Michail Mischustin das Land zu Geschlossenheit auf. Russlands Stabilität sei herausgefordert worden, sagt Mischustin in einer im Fernsehen übertragenen Regierungssitzung. Das Land müsse weiter geschlossen hinter Präsident Wladimir Putin stehen. 

Neues Video von Verteidigungsminister Schoigu

Nach dem bewaffneten Aufstand der Söldnergruppe Wagner am vergangenen Wochenende hat Russlands Regierung erstmals Aufnahmen von Verteidigungsminister Sergej Schoigu veröffentlicht. Das 47 Sekunden lange Video ohne Ton, das Schoigu etwa in Beratungen mit anderen Militärs zeigt, soll bei einem Besuch im Kampfgebiet in der Ukraine aufgenommen worden sein, teilte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mit. Der Minister habe dort einen der vorderen Kommandopunkte besucht, hieß es. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Es wurden keine Angaben gemacht, von wann die Aufnahmen stammen.

Russland l Videostill, russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu Bild: Russian Defence Ministry/dpa/picture-alliance

Von Schoigu hatte am Wochenende in der Öffentlichkeit jede Spur gefehlt, nachdem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin in der Nacht zum Samstag einen Aufstand begonnen und unter anderem die südrussische Stadt Rostow am Don zwischenzeitlich besetzt hatte. Auch Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow äußerte sich in diesen chaotischen Stunden nicht. Sowohl gegen Schoigu als auch gegen Gerassimow hatte Prigoschin schwere Vorwürfe erhoben und ihre angeblichen militärischen Verfehlungen als Grund genannt, warum er seine Kämpfer auf Moskau marschieren lassen wollte.

Selenskyj besucht die Front

Inmitten der ukrainischen Gegenoffensive hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj überraschend Frontgebiete in der Region Donezk besucht. Bei einem Stopp an einer Tankstelle konnten sich Soldaten mit dem Präsidenten fotografieren. Während des formelleren Teils seines Besuchs überreichte Selenskyj Medaillen an die Soldaten. "Alle wissen, dass der Ostabschnitt sehr schwierig ist, hier ist es heiß", betonte der Staatschef. "Die Ukraine ist stolz auf jeden von euch",  

Ukrainische Soldaten fotografieren sich mit dem ukrainischen Präsidenten
Selfie mit dem Präsidenten: Selenskyj bei einem Zwischenstopp auf dem Weg zur FrontBild: POU/ROPI/picture alliance

Der Chef der Landstreitkräfte, Olexander Syrskyj, unterrichtete Selenskyj über die aktuelle Lage in diesem Frontabschnitt. Syrskyj hatte zuvor über das Zurückdrängen russischer Truppen hinter einen Kanal südwestlich von Bachmut berichtet.

Bundeswehr-Brigade für Litauen

Deutschland will nach den Worten von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius rund 4000 Bundeswehr-Soldaten zusätzlich nach Litauen zu schicken, um dort die Ostflanke der NATO zu stärken. "Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren", sagte er bei einem Besuch in der litauischen Hauptstadt Vilnius.

Verteidigungsminister Boris Pistorius nach seiner Ankunft in Vilnius - im Hintergrund ist das Regierungsflugzeug zu sehen
Verteidigungsminister Boris Pistorius in VilniusBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Pistorius sieht sich eine Übung der Bundeswehr mit der litauischen Armee an. Bei dem Manöver "Griffin Storm", für das 1000 Soldaten der Panzergrenadierbrigade 41 "Vorpommern" nach Litauen verlegt wurden, wird die Verteidigung der NATO-Ostflanke trainiert. Das Übungsgelände in Pabrade ist keine 200 Kilometer von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt.

Staatspräsident Gitanas Nauseda erklärte, Litauen wolle bis 2026 die militärische Infrastruktur zur Stationierung der deutschen Soldaten fertigstellen. Sollte es bereits 2025 klappen, werde er nicht böse sein, sagte er nach einem Treffen mit Pistorius und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Pabrade. "Wir haben in Litauen eine starke politische Bereitschaft, die notwendigen finanziellen Ressourcen zu finden, um den Bedarf an Infrastruktur finanzieren zu können", betonte Nauseda. Dies gehe mit der Modernisierung der litauischen Streitkräfte einher, die auch eine "sehr wichtige Priorität" sei. 

Grenze mit einem EU-Schild und einer Säule mit russischen Schriftzeichen
Grenze zwischen Litauen und BelarusBild: DW

Am Abend nehmen Pistorius und Stoltenberg an der Verleihung der Manfred-Wörner-Medaille teil, die vom Bundesverteidigungsministerium an Persönlichkeiten verliehen wird, die sich um Frieden und Freiheit in Europa verdient gemacht haben. Die Laudatio für die diesjährige Preisträgerin, die frühere litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite, hält Stoltenberg.

"Sicherheit der Ostgrenze muss erhöht werden"

Nauseda hatte nach dem Aufstand der russischen Privatarmee Wagner gegen die Führung in Moskau eine weitere Stärkung der NATO-Ostflanke gefordert. Sollte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mit unklaren Absichten im Exil in Belarus landen, müsse die Sicherheit der Ostgrenze erhöht werden, sagte das Staatsoberhaupt des baltischen EU- und NATO-Landes.

Litauischer Präsident Gitanas Nauseda vor einem DW-Mikrofon
Gitanas Nauseda bei einem Gespräch mit der Deutschen WelleBild: Nina Haase/DW

Mit Blick auf Russland erklärte er: "Wir haben es mit einem großen Staat zu tun, einem Atomstaat, und alle inneren Unruhen haben unweigerlich Konsequenzen für die Sicherheit der umliegenden Staaten." Er habe bislang keine Informationen, wonach sich der Wagner-Chef bereits in Belarus aufhalte. Nauseda kündigte an, dass Litauen künftig mehr Geheimdienstkapazitäten einsetzen werde, um die "politischen und sicherheitspolitischen Aspekte" der Lage in Belarus beurteilen zu können.

Weitere 3,5 Milliarden Euro für die Ukraine

In Luxemburg haben die Außenministerinnen und -minister der Europäischen Union über die Entwicklung nach der Wagner-Revolte in Russland beraten und weitere Unterstützung für die Ukraine beschlossen. Damit stellt die EU weitere 3,5 Milliarden Euro für die militärische Unterstützung der Ukraine und anderer Partnerländer zur Verfügung. Ungarn blockierte zuletzt die Freigabe einer Tranche von 500 Millionen Euro aus dem Fonds, mit denen Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert werden sollen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor EU-Flagge
Für Deutschland nimmt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock an dem Treffen teilBild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Außerdem ging es um die Frage, wie Russland für den Angriffskrieg zur Verantwortung gezogen werden kann. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nahm per Video an der Debatte teil.

NATO will Beitritt Schwedens voranbringen

Noch vor ihrem Gipfel im Juli will die NATO bei einem hochrangig besetzten Treffen in Brüssel den Beitritt Schwedens zu dem Militärbündnis voranbringen. Dafür sollen Außenminister, Geheimdienstchefs und nationale Sicherheitsberater zusammenkommen, wie NATO-Generalsekretär Stoltenberg ankündigte.

 Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Schwedens NATO-Beitritt bislang blockiert, habe dem Treffen zugestimmt.

Zwölf Jahre Haft für russischen Wissenschaftler Golubkin

Ein russisches Gericht hat den Wissenschaftler Valery Golubkin zu einer zwölfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Anklage lautete auf Verrat von Staatsgeheimnissen an ausländische Organisationen. Golubkin, der am Moskauer Institut für Physik und Technologie arbeitete, bestreitet die Vorwürfe. Er war 2020 verhaftet worden. Damals hieß es, er habe Geheimnisse an einen NATO-Staat verraten.

Irans Polizei will stärker mit Russland zusammenarbeiten

Die Polizei der Islamischen Republik will stärker mit den Behörden in Russland zusammenarbeiten. Kommandeur Ahmad-Resa Radan werde für die Unterzeichnung mehrerer Kooperationsvereinbarungen nach Russland reisen, meldet die iranische Nachrichtenagentur ISNA.

Geplant sei eine engere Zusammenarbeit im Kampf gegen Terror, Schleuserbanden sowie Drogenhandel. Angesichts internationaler Sanktionen haben der Iran und Russland ihre Kooperation auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet ausgebaut. Die Islamische Republik unterstützt Moskau nach westlichen Erkenntnissen auch mit sogenannten Kamikaze-Drohnen im Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Iran | Kamikaze-Drohnen
Iranische Kamikaze-DrohnenBild: Iranian Defence Ministry/AFP

Wasserstand bei Cherson wieder normal

Drei Wochen nach der Zerstörung des südukrainischen Kachowka-Staudamms ist der Wasserstand im umkämpften Gebiet Cherson teils wieder normal. Nahe der gleichnamigen Regionshauptstadt Cherson betrug der Stand des Dnipro am Montagvormittag 33 Zentimeter, wie der ukrainische Krisenstab auf Telegram mitteilte. Dies entspräche den dortigen Messwerten vor der Damm-Zerstörung.

Allerdings ist der Kachowka-Stausee weitgehend ausgetrocknet. Der Dnipro - der drittlängste Fluss Europas - ist an manchen Stellen unterhalb des zerstörten Damms nur noch ein Bach. Die ukrainische Wasserbehörde Ukrhydroenerho kündigte an, nach der kompletten Befreiung der Region dort schnell temporäre Damm-Konstrukte zu bauen. Mehrere Regionen des Landes sollen dadurch mit Wasser versorgt werden.

Selenskyj warnt vor russischer AKW-Sabotage

Mit seinem Angriffskrieg schadet Russland nach Meinung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zunehmend dem eigenen Land. Inzwischen sei erkennbar, "dass der Krieg in seinen Heimathafen zurückkehrt", sagte er in seiner allabendlichen Videobotschaft. Es blieb unklar, ob Selenskyj damit die wirtschaftlichen Probleme Russlands oder den kurzfristigen Aufstand der Wagner-Söldner vom Wochenende meinte. "Je länger die russische Aggression anhält, desto mehr Schaden richtet sie in Russland selbst an", meinte er.

Atomkraftwerk im ukrainischen Saporischschja
Europas größtes Atomkraftwerk im ukrainischen SaporischschjaBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Der ukrainische Staatschef beklagte zudem die Lage rund um das von Russen kontrollierte größte Kernkraftwerk Europas. "Leider ist die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für die bestehende russische Bedrohung im Kernkraftwerk Saporischschja immer noch unzureichend", sagte er. Die westlichen Partner der Ukraine hätten alle verfügbaren Geheimdienstinformationen über die russischen Pläne für das AKW erhalten. "Wir müssen ganz konkrete Maßnahmen ergreifen, und zwar alle gemeinsam in der Welt, um jegliche Strahlungsvorfälle zu verhindern", warnte er mit Blick auf eine mögliche Sabotage der Anlage durch die russischen Besatzer.

as/rb/gri/fab/haz/bri (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.