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"7500": ein spannender Thriller über den Wolken

Jochen Kürten
26. Dezember 2019

Auch wenn "7500" pünktlich zum Fest ins Kino kam: Ein Weihnachtsfilm ist das Flugzeug-Drama wahrlich nicht. Ein atemberaubend spannender Thriller des deutschen Regisseurs Patrick Vollrath.

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Filmstill "7500"
Bild: picture-alliance/Universum Film

Der sperrig-dürre Titel des Films bezieht sich auf die in der internationalen Luftfahrt übliche Notfall-Ziffernfolge für eine Entführung. Bei der Uraufführung von"7500" in Locarno hielten die Menschen den Atem an - vor Spannung. Und das dürfte den meisten Zuschauern auch so gehen, wenn sie "7500" in den kommenden Wochen und Monaten im Kino oder bei "Amazon" sehen werden. Der US-Streamingdienst hat sich die Rechte an Vollraths Debüt gesichert und strahlt ihn 2020 aus. 

Filmstill "7500"
Aylin Tezel spielt in "7500" die Stewardess Gökçe, die mit dem Co-Piloten befreundet ist Bild: Universum Film

Überrascht dürfte der ein oder andere auch von der Tatsache sein, dass ein junger deutscher Nachwuchsregisseur für seinen ersten Spielfilm direkt mit einem Hollywood-Star in der Hauptrolle daherkommt. Joseph Gordon-Levitt, 1981 in Los Angeles geboren, stand schon mit sechs Jahren vor der Kamera. Seither hat er in unzähligen TV-Filmen, Serien und Kinostreifen mitgewirkt, war im letzten Star-Wars-Film dabei und verkörperte die Titelrolle in Oliver Stones Film "Snowden".

Oscar-Nominierung als Türöffner

Jetzt also sieht man Gordon-Levitt in einem deutschen Debütfilm. Wie hat Patrick Vollrath das hinbekommen? "Ich war 2016 für den Kurzfilm-Oscar nominiert und das öffnet in den USA doch einige Türen, man kennt dann den Namen", erzählt der 1985 im Harz geborene Vollrath. Die Oscar-Nominierung gab es damals für seinen Kurzfilm "Alles wird gut", seinen Abschlussfilm an der Filmakademie in Wien. Dort hat Vollrath beim österreichischen Starregisseur Michael Haneke das Handwerk gelernt.

Für "Alles wird gut" hatte Vollrath zuvor bereits den Studenten-Oscar gewonnen: "Natürlich ist der 'richtige' Oscar der Ritterschlag, auch eine Nominierung. Aber auch der Studenten-Oscar ist sehr angesehen", erzählt Vollrath. "Mich hat ein Management angesprochen und mit vielen Leuten in Kontakt gebracht." Die Nominierung für den "richtigen" Oscar habe diese Türen dann noch einmal weiter geöffnet.

Filmstill von " Everything Will Be Okay"
Auch in Vollraths 30-minütigen Abschlussfilm ging es um eine Entführung: Damals allerdings handelte es sich im Gegensatz zu "7500" um ein privates Drama Bild: http://www.patrickvollrath.com

Worum geht es in "7500"?

Der Film spielt ausschließlich im Cockpit eines Airbus-Flugzeuges. Gordon-Levitt verkörpert einen US-amerikanischen Co-Piloten, der für eine deutsche Airline von Berlin nach Paris fliegt. Kurz nach dem Start wird die Maschine von drei islamistischen Terroristen gekapert. Es kommt zum Kampf. Der deutsche Pilot stirbt, der Co-Pilot wird verletzt, es gelingt ihm aber, das Flugzeug in der Luft zu halten. In der Folge kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Kidnappern.

Reduzierter Schauplatz: Im Cockpit eines Airbus kommt es zum Show-Down 

Die Handlung des 90-Minuten-Films spielt sich auf wenigen Quadratmetern ab. Der Zuschauer verfolgt all das, was sich im Passagierraum im hinteren Teil der Maschine abspielt, genau wie der Co-Pilot, lediglich auf einem kleinen Überwachungsbildschirm.

Zwischen dem Co-Piloten und einem der Entführer kommt es im Laufe des Fluges zu einer vorsichtigen Annäherung. Vollrath wollte das übliche Gut-Böse-Schema konventioneller Action-Filme aufbrechen. Für ihn war das die Kernidee des Films: "Ich wollte einen Film machen, der zeigt, wie man eine solche Gewaltspirale aufbrechen kann. Und dass es eben nicht mit Rache geht."

Filmstill "7500"
Schemenhaft: So sieht der Co-Pilot die schrecklichen Szenen im Passagierraum - und mit ihm der ZuschauerBild: Universum Film

Er habe den Mikrokosmos des Terrorismus in dieses Cockpit packen wollen, "so gut und so glaubwürdig es mir in diesem Kontext gelingt. Deshalb fand ich es auch wahnsinnig wichtig, dass ein US-Amerikaner dabei ist. Weil die USA natürlich einen wesentlichen Teil zur globalen Weltlage beitragen." Auf der anderen Seite habe die zweite Hauptfigur gestanden, der junge Terrorist, der mit dem Co-Piloten ins Gespräch kommt - und den Vollrath durchaus vielschichtig angelegt hat: "Bei der zweiten Hauptfigur lag die Grundlage auf dem Jahr 2015, als sich wahnsinnig viele Jugendliche dem IS angeschlossen haben und dann auf so eine 'innere Abenteuerreise' gegangen sind." Erst später hätten viele realisiert, "was sie für einen schrecklichen Fehler gemacht haben".

Vollraths Debüt ist auch ein filmisches Experiment

Auch formal betritt "7500" Neuland: Ein Film, dessen Handlung ausschließlich in einem engen Cockpit spielt und trotzdem eine ungeheure Spannung entwickelt: "Ich wollte immer schon mal einen Film machen, der nur an einem einzigen Ort spielt, ein Mikrokosmos, der alles an einem Ort vereint", erzählt der Regisseur. Hier erinnert Vollraths Debüt in seiner scheinbaren Ausweglosigkeit in Momenten durchaus auch an die Filme seines Lehrmeisters Michael Haneke. Der habe "7500" von Anfang an begleitet, erinnert sich Patrick Vollrath: "Er hat das Drehbuch gelesen und sich den Film auch angeguckt, er hat Feedback gegeben und Kommentare."

Hat sich Vollrath irgendetwas abgeschaut bei Haneke? "Es geht in dem Film um Realismus und Glaubwürdigkeit im besten Sinne, um Genauigkeit, die Situation so glaubwürdig, wie sie in echt ist, einzufangen und auf die Leinwand zu bringen - mit jeglichen psychologischen Hintergründen", so Patrick Vollrath. In dieser Hinsicht habe er durchaus etwas von Haneke "persönlich mitgenommen". Doch Vollrath sieht auch Unterschiede: "Haneke sucht das Große im Kleinen. Bei mir ist es eher so: Ich suche das Kleine im Großen, also diese kleinen Momente, die 'Ehrlichkeit' in einer Flugzeugentführung, also das riesige Thema im Kleinen zu erzählen - ich glaube, dass ist der große Unterschied zwischen seinem und meinem Kino." 

Filmstill "7500"
Joseph Gordon-Levitt überzeugt als Co-Pilot Tobias EllisBild: Universum Film

Der erfahrene Joseph Gordon-Levitt erwies sich als Glücksgriff

Und wie hat es Vollrath geschafft, in seinem Debüt einen Hollywood-Star zu besetzen? Nach der Oscar-Nominierung, erzählt der Regisseur, sei er gefragt worden, ob er es sich vorstellen könne, sein Debüt auf Englisch zu drehen. Das konnte er sich vorstellen: "Dann war die Frage, wer könnte das spielen?" Am Anfang habe er einen anderen Schauspieler im Auge gehabt, Paul Dano, doch der musste aufgrund anderer Verpflichtungen absagen.

Es kam zum nächsten Schritt: "Es gibt in Hollywood Listen, auf denen steht, wer frei wird. Da stand dann auch Joseph Gordon-Levitt drauf und ich hab' gesagt, wenn das ginge, wäre das großartig." Gordon-Levitt habe sich dann seinen Kurzfilm angeschaut und das Drehbuch von "7500" gelesen und dann "glücklicher- und wundersamerweise 'Ja' gesagt."

Schweiz Locarno Internationales Film Festival 2019
Glücklich nach der Uraufführung in Locarno: Regisseur Vollrath und sein Hauptdarsteller Joseph Gordon-LevittBild: Locarno Film Festival/O. Bosello

"Ich bin dann nach Amerika geflogen und wir haben in seinem Musikstudio-Zimmer drei Stunden das Drehbuch besprochen, den Stil und die Art und Weise, wie ich mir das vorstelle." Gordon-Levitt habe die unkonventionelle Art, den Film zu inszenieren, gereizt, auch die Möglichkeit zu improvisieren, das überschaubare Setting, die emotionale Geschichte.

Gedreht wurde dann in Deutschland, in einem Kölner Studio. Im Spätsommer folgte die Uraufführung beim renommierten Festival in Locarno, jetzt der deutsche Kinostart und im kommenden Jahr die weltweite Ausstrahlung bei Amazon. Für Patrick Vollrath wurde ein Traum wahr. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht mit diesem jungen, talentierten Regisseur.