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Politik

Zehntausende Afghanen wollen nach Deutschland

7. November 2022

Wenige Wochen nach dem Start des Aufnahmeprogramms des Bundes für besonders gefährdete Afghanen erreicht zivile Helfer "eine Flut" von Anträgen. Entsprechende Mails liefen "im Minutentakt" ein.

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Afghanische Ortskräfte in Brandenburg angekommen
Gefährdete Ortskräfte aus Afghanistan auf dem Gelände der DRK-Flüchtlingshilfe in Brandenburg (Archivbild) Bild: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/picture alliance

"Bei uns laufen im Minutentakt Mails ein", sagte Axel Steier von "Mission Lifeline" den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Bis Anfang November, gut zwei Wochen nach dem Startschuss des Aufnahmeprogramms der Bundesregierung, hätten 17.000 Anfragen aus Afghanistan die Organisation erreicht.

Bei den Helfenden von "Kabul Luftbrücke" waren es nach eigenen Angaben 15.000 Nachrichten, per E-Mail, über die Social-Media-Accounts, teilweise auch über die privaten Mail-Adressen der Mitarbeitenden. "Reporter ohne Grenzen" spricht von 12.000 Registrierungen und knapp 4000 Hilfsanfragen. Die Organisation habe das Online-Formular für gefährdete afghanische Medienschaffende "temporär wieder offline gestellt", hieß es. Auch die Bundesregierung hätten bereits "Anfragen im fünfstelligen Bereich erreicht", hieß es auf Nachfrage der Zeitungen aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.

Bis zu 1000 besonders gefährdete Afghanen sollen pro Monat einreisen 

Mitte Oktober war das neue Konzept gestartet, mit dem monatlich bis zu 1000 besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland kommen können. Darauf hatten sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geeinigt. Es geht um den Schutz etwa von Medienschaffenden und Menschenrechtlern, aber auch Mitarbeitenden in Justiz, Polizei oder Politik, die seit der Machtübernahme der islamistischen Taliban im August vorigen Jahres in Gefahr sind.

Afghanistans Regierungschef Mohammad Hassan Akhund
Unter der Herrschaft der islamistischen Taliban - hier Regierungschef Mohammad Hassan Akhund - sind viele, die früher mit dem Westen zusammenarbeiteten, in akuter Gefahr Bild: WAKIL KOHSAR AFP via Getty Images

Allerdings können sich gefährdete Menschen in Afghanistan nicht selbst für eine Aufnahme im Rahmen des Programms bewerben. Sie müssen stattdessen von den Hilfsorganisationen als "meldeberechtigte Stellen" vorgeschlagen werden.

Programm ein PR-Gag?

Und dieses Prozedere kritisieren die zivilen Helfer. Sie forderten in den Funke-Zeitungen mehr Transparenz und mehr Einsatz durch den Bund für gefährdete Afghanen. "Das Programm kommt uns vor wie ein PR-Gag. Es ist nicht wirklich konzipiert für gefährdete Personen", sagte Tilly Sünkel von "Kabul Luftbrücke". "Wenn es ein solches Programm gibt, dann müssen aus unserer Sicht zumindest nebenher weitere Verfahren offenbleiben und reformiert werden - mit ausreichend Ressourcen und Personal verstärkt." Das betreffe beispielsweise das Ortskräfteverfahren, den Familiennachzug und die individuelle Antragstellung nach dem Aufenthaltsgesetz.

Nach Ansicht von Christian Mihr von "Reporter ohne Grenzen" droht das Aufnahmeprogramm "vollends zu scheitern". Die Bundesregierung müsse die Rahmenbedingungen überarbeiten und vor allem auch jenseits des Aufnahmeprogramms unbürokratisch humanitäre Visa für ganz besonders bedrohte Medienschaffende vergeben, so Mihr.

Ausreisedruck ist sehr hoch

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, der Ausreisedruck aus Afghanistan sei "sehr hoch". Entsprechend komme es vor, dass Personen falsche Angaben machten oder gefälschte Unterlagen vorlegten. Dies sei einer der Gründe, weshalb die Bundesregierung "auch die Fachkenntnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in Afghanistan tätig waren oder besonders gute Kenntnisse zum aufzunehmenden Personenkreis haben, nutzen möchte und diese in das Programm mit einbezieht".

se/wa (kna, waz, oldenburger-onlinezeitung.de)