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Wulff warnt vor "Pauschalurteilen"

19. Oktober 2010

Zum Auftakt seiner Türkei-Reise hat Bundespräsident Christian Wulff der These von der mangelnden Integrationsfähigkeit von Türken widersprochen. Er grenzt sich damit klar von CSU-Chef Seehofer ab.

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Christian Wulff (Foto: dpa)
Christian WulffBild: picture-alliance/ dpa

"Zu behaupten, eine ganze Gruppe könne und wolle sich nicht integrieren, halte ich für falsch", sagte Wulff nach Angaben des Bundespräsidialamtes in einem Interview der türkischen Zeitung "Hürriyet" (Dienstagausgabe, 19.10.2010). "Ich wende mich gegen jedes Pauschalurteil. Es kommt auf den einzelnen Menschen an."

"Andere Kulturkreise"

Horst Seehofer (Foto: AP)
Horst SeehoferBild: AP

Wulff ging damit auf deutliche Distanz zum bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Dieser hatte mit seiner Bemerkung, Zuwanderer aus der Türkei oder arabischen Staaten täten sich bei der Integration schwerer, weil sie aus "anderen Kulturkreisen" kämen, zuletzt viel Kritik auf sich gezogen.

Wulff betonte: Staat und Gesellschaft müssten die Möglichkeiten zur Integration bieten. Diese Angebote müssten dann im Gegenzug aber auch angenommen werden. Alle in Deutschland lebenden Türken rief Wulff auf, die deutsche Sprache zu lernen, das Grundgesetz anzuerkennen und Respekt vor der deutschen Gesellschaftsordnung zu haben. Denn auch Wulff ist der Ansicht: "In streng religiösen Milieus" gebe es unter Zuwanderern "nicht akzeptable Abschottungen und Auffassungen", die mit der deutschen Rechtsordnung nicht vereinbar seien.

Türkei auf Europa-Kurs?

Zugleich betonte der Bundespräsident die Bedeutung der Türkei als Land zwischen Ost und West. Viele Menschen setzten ihre "Hoffnungen auf die Türkei als Modell eines modernen säkularen Staates, der sich seiner Wurzeln bewusst ist". Für diese Modellfunktion sei aber religiöse Toleranz wichtig: "Wenn die Türkei als ein Land mit überwiegend muslimischer Bevölkerung zeigen kann, dass sie Toleranz und Religionsfreiheit nicht nur für den Islam, sondern auch für andere Religionen wie Christentum und Judentum in vollem Umfang verwirklichen kann", dann werde sie eine "wichtige Vorbildfunktion erfüllen".

Ehepaar Wulff in Ankara (Foto: dapd)
Ankunft in der türkischen Hauptstadt Ankara: Der Bundespräsident mit seiner Gattin BettinaBild: dapd

Deutschland habe "großes Interesse, dass die Türkei ihren Kurs nach Europa fortsetzt", fügte Wulff hinzu. Er wünsche sich eine Türkei, "die ihre Verfassungs-, Rechts- und Wirtschaftsordnung immer weiter auf europäische Standards bringt". Das Land müsse so "europäischen Investoren Rechtssicherheit und gute Rahmenbedingungen für ein dynamisches Wachstum" bieten. Die EU-Beitrittsverhandlungen müssten "fair und ergebnisoffen geführt werden", forderte Wulff.

Der Bundespräsident, der am Montagabend in Ankara eintraf, wurde an diesem Dienstag von seinem türkischen Kollegen Abdullah Gül empfangen und wird mit Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zusammenkommen. Anschließend will Wulff als erstes deutsches Staatsoberhaupt eine Rede vor der türkischen Nationalversammlung halten.

Autor: Christian Walz (afp, dapd)
Redaktion: Ulrike Quast

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