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PolitikRumänien

Rumänien: Weihnachtsbäume und Urwälder

Cristian Stefanescu Bukarest
24. Dezember 2022

Die Weihnachtsbäume der Rumänen kommen von Plantagen und aus dem Ausland. Die heimischen Wälder, die zu den ältesten Urwäldern Europas gehören, werden durch Machenschaften der Holzmafia bedroht.

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Ein Mann trägt in einem Weihnachtsbaumhandel in Rumänien einen Baum auf der Schulter
Der Brauch des geschmückten Christbaums wurde aus Deutschland importiert - heute steht er in fast jedem HaushaltBild: Cristian Ștefănescu/DW

Der Weihnachtsbaum ist ein Brauch, der aus Deutschland nach Rumänien kam. Er wurde vor mehr als 150 Jahren vom ersten König der vereinigten Donaufürstentümer, dem ehemaligen preußischen Offizier Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, ins Land gebracht. 1866, kurz nach Einzug in den bescheidenen königlichen Palast in Bukarest, schmückten der deutsche Prinz und seine Frau den ersten Weihnachtsbaum mit Papierblumen und Früchten.

Es war ein kontroverser Moment - der lokale Adel war gespalten zwischen den Bewahrern östlicher Traditionen, mit denen die Walachei und die Moldau seit Jahrhunderten verbunden waren, und modernistischen, westlichen Einflüssen, unterstützt von denen, die einen König aus dem Westen auf dem Thron des neuen Staates Rumänien haben wollten.

Feuerwerk hinter der Reiterstatue von König Carol I. in Bukarest an Silvester 2013
In Rumänien wird König Carol I. mit einer Reiterstatue geehrt - hier ein Bild von Silvester 2013Bild: dapd

Letztere setzten sich durch, aus dem preußischen Offizier Karl wurde der rumänische König Carol I., der von der katholischen zur orthodoxen Kirche konvertierte - und die orthodoxen Rumänen übernahmen gewissenmaßen im Gegenzug den festlich geschmückten Christbaum von dem Deutschen. Heute ist das Aufstellen des Weihnachtsbaums in fast jedem der rund neun Millionen Haushalte in Rumänien ein unverzichtbarer Brauch. Eine Studie über die Konsumgewohnheiten rund um die Feiertage zeigt, dass nur etwa 15 Prozent der Rumänen keinen Weihnachtsbaum zu Hause haben möchten.

Nordmanntannen und einheimische Bäume

Hohe Nordmanntannen kaukasischen Ursprungs werden auf Weihnachtsmärkten, Plätzen oder öffentlichen Parks aufgestellt. Für Haushalte und Betriebe stehen Tannen aus den Wäldern der staatlichen Forstgesellschaft Romsilva hoch im Kurs - entweder aus heimischen Baumschulen oder aus dem Ausland importiert. Die wichtigsten externen Lieferanten für den rumänischen Markt sind Dänemark, Polen, Deutschland und Österreich. Romsilva bietet jährlich etwa 30.000 Bäume an, davon etwa 10.000 Fichten, der Rest sind Tannen. Vor sechs Jahren war das Volumen, das der Staatsbetrieb zur Verfügung stellte, noch doppelt so hoch.

Aufgestellte und liegend gestapelte Weihnachtsbäume auf einem Markt in Bukarest
Auf einem Markt in Bukarest werden Weihnachtsbäume angebotenBild: Cristian Ștefănescu/DW

Auf den Märkten gibt es Exemplare für jeden Geldbeutel, mit Preisen von etwa 15 Euro für eine Zwergfichte bis zu einigen hundert Euro für ein Prachtexemplar. Gesucht werden auch Tannenbäumchen im Blumentopf, die umgepflanzt werden können. Nach den Feiertagen landen viele der gefällten Bäume hinter den Wohnblocks der rumänischen Städte, wo ihre trockenen Äste im schmutzigem Schnee einen traurigen Anblick bieten.

Schwarzmarkt für Christbäume

Es gibt auch einen Schwarzmarkt - in kleineren Gemeinden operieren Netzwerke, die illegal gefällte Tannen aus staatlichen Wäldern oder aus Privatbesitz verkaufen. Das sind meistens bis zu zehn Jahre alte Bäume, die direkt an der Wurzel gefällt werden, oder - noch schlimmer für den Wald - die Wipfel ausgewachsener und gesunder Bäume, die einfach abgesägt werden, wobei der Tanne irreparabler Schaden zugefügt wird.

Ökologische Weihnachtstannen in Töpfen vor einem Einkaufszentrum in Bukarest
Ökologische Weihnachtstannen vor einem Einkaufszentrum in BukarestBild: Cristian Ștefănescu/DW

Umweltschützer werfen den zuständigen staatlichen Stellen vor, bei solchen Vorfällen ein Auge zuzudrücken. Umweltminister Tanczos Barna hält diese Vorwürfe jedoch für unbegründet, da 90 Prozent der auf dem heimischen Markt verkauften Weihnachtsbäume aus dem Ausland oder aus spezialisierten Baumschulen stammten.

Plantagen und Monokulturen

Probleme bringen auch Tannenbaum-Plantagen, die anstelle von gerodeten Wäldern angelegt werden. In der Natur wachsen Tannen im Mischwald neben anderen Arten. Baumschulen hingegen sind Monokulturen, die der Biodiversität schaden: "Wenn Sie den natürlichen Wald oder eine Wiese durch eine Plantage für intensiv wachsende Tannen ersetzen, produzieren Sie natürlich eine unerwünschte Wirkung", sagt Florin Stoican, Experte für nachhaltige Waldbewirtschaftung, der DW.

Mehrere Reihen junger Tannen auf einer Weihnachtsbaumplantage in Rumänien
Weihnachtsbäume in Reih und Glied in einer Baumschule in RumänienBild: Cristian Ștefănescu/DW

Theoretisch werden solche Baumschulen in Gebieten gepflanzt, die einer Regeneration bedürfen. Das sind zum Beispiel Waldstreifen, die gerodet wurden, um Platz für Hochspannungsmasten zu machen, weswegen die Größe der Bäume gesetzlich begrenzt ist. Praktisch aber werden diese Regeln häufig missachtet. Die Anpflanzungen erfolgen oft aus Profitgier und weniger unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.

Schlecht bewirtschaftete Plantagen, auf denen andere Baumarten ausgerottet und viele synthetische Düngemittel oder Pestizide verwendet werden, können den Boden dauerhaft schädigen. Und natürlich können sie Tierarten vertreiben, die an Pflanzenvielfalt gewöhnt sind. Nicht zuletzt gelangen während der Feiertage mit den Weihnachtsbäumen Pestizide in die Haushalte.

Die Holzmafia bedroht die Urwälder

Ein besonders bedrohliches Problem ist in einigen Regionen die illegale Abholzung durch die sogenannte Holzmafia. Sie wurde durch die Privatisierung der bis zum Fall des Kommunismus staatlichen Wälder und durch den Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union im Jahr 2007 und der damit verbundenen Liberalisierung der Wirtschaft befördert. Vor allem österreichische und schwedische Möbelhersteller richteten ihre Aufmerksamkeit wohl auf die rumänischen Wälder, die zu den ältesten Urwäldern Europas gehören. Zwischen 2001 und 2021 hat Rumänien laut "Global Forest Watch" 391.000 Hektar Wald verloren, was einem Verlust von fast fünf Prozent des Baumbestandes entspricht.

Baumstümpfe und Totholz auf einer abgeholzten Fläche in den Bergen im Naturpark Apuseni (Rumänien, 2015)
Abgeholzte Flächen im Naturpark Apuseni in Rumänien, 2015Bild: Kathrin Lauer/dpa/picture alliance

Im September 2021 wurde eine Filmcrew, die in Begleitung von lokalen Umweltschützern illegale Abholzungen filmen wollte, von kriminellen Holzfällern krankenhausreif geschlagen. 2019 wurden zwei Waldaufseher ermordet, als sie Hinweisen auf illegalen Holzeinschlag nachgingen.

Die rumänische Umweltschutzorganisation Agent Green dokumentiert die Vernichtung des Urwalds. Nach ihren Angaben sind aufgrund des übermäßigen Holzeinschlags der letzten Jahrzehnte die meisten Wälder inzwischen jünger als 80 Jahre.

Plastikbäume aus China als Alternative?

Neben natürlichen Bäumen greifen Rumänen in den letzten Jahren vermehrt zu künstlichen Tannen - am liebsten etwas höher als zwei Meter. Aber auch die kleineren verkaufen sich gut, da sie am besten in die Schuhkarton-großen Wohnungen in den Plattenbauten aus kommunistischer Zeit passen, die Rumäniens Vorstädte prägen.

Die meisten Plastikchristbäume werden in China hergestellt, was zu höheren Umweltkosten durch die Produktion und die langen Transportwege beiträgt. Schätzungen zufolge müsste eine Plastiktanne acht bis zehn Jahre lang verwendet werden, um die Umwelt tatsächlich nachhaltig zu schützen und die CO2-Emissionen, die durch das Schlagen natürlicher Tannen entstehen, auszugleichen.