Wer steckt hinter "Burisma"?
16. Mai 2014Für wen arbeitet Hunter Biden? Diese Frage beschäftigt die Medien seit Mittwoch (14.05.2014). An diesem Tag wurde bekannt, dass der Sohn des US-Vizepräsidenten seit April Vorstandsmitglied der ukrainischen Gasfirma "Burisma Holdings" ist. Auch der ehemalige polnische Präsident Alexander Kwasniewski sitzt im Vorstand des Unternehmens. Kwasniewskis Foto erschien auf der Internetseite von "Burisma" erst am Freitag (16.05.2014), obwohl er bereits im Januar zu der Firma gewechselt war. Der Präsident der Ukraine hieß damals Viktor Janukowitsch. Mit ihm verhandelte Kwasniewski zuvor im Auftrag des EU-Parlaments über eine Freilassung der inhaftierten ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.
Weitere Vorstandsmitglieder sind zwei US-Amerikaner und zwei Zyprioten. Im Management sitzen vier junge Ukrainer. Fast alle hatten in ihren Karrieren Stationen in Russland.
Ein Großteil der Firmenleitung wurde 2013 ausgetauscht. Olexander Chartschenko, Direktor des Kiewer Zentrums für Energie-Studien, vermutet, dass dies auf einen Eigentümerwechsel hindeutet. "Darüber wurde einfach nicht berichtet", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er hält "Burisma" für ein Unternehmen mit viel Potenzial. Ähnlich sieht es Hennadi Kobal vom Kiewer Zentrum für Öl- und Gas "Newfolk": "Die haben sich gute Felder gesichert".
Britische PR-Firma übernimmt Medienarbeit
Wer mehr über die Firma "Burisma" wissen möchte, braucht Zeit. Auf ihrer bescheidenen Internetseite heißt es, sie wurde 2002 gegründet und sei heute "einer der größten unabhängigen Gasproduzenten" in der Ukraine. Kein Wort über Eigentümer.
Gegenüber Medien wird "Burisma" von der PR-Firma "Bell Pottinger" mit Sitz in London vertreten. Einer ihrer Gründer, Lord Timothy Bell, beriet einst die britische Ministerpräsidentin Margaret Thatcher, aber auch den ersten russischen Präsidenten Boris Jelzin. Zu den prominenten Kunden der jüngeren Vergangenheit zählen unter anderem Asma Assad, die Ehefrau des syrischen Präsidenten, und die Regierung von Weißrussland. Eine DW-Anfrage zu "Burisma" ließ "Bell Pottinger" unbeantwortet.
Gasbaron aus der Regierung Janukowitsch
In Berichten ukrainischer Medien über "Burisma" stößt man auf ein undurchschaubares Geflecht von Firmen, die meist in Zypern registriert sind. Ein Name taucht besonders oft auf: Mykola Slotschewski. Der 47-Jährige soll zumindest bis vor kurzem der eigentliche Eigentümer der Firma gewesen sein.
Slotschewski macht seit Anfang der 1990er Jahre eine Karriere im Öl- und Gasgeschäft. Das ukrainische Nachrichtenmagazin "Korrespondent" schätzte 2013 sein Vermögen auf 238 Millionen US-Dollar. Bekannt ist seine Vorliebe für britische Luxuskarossen wie Rolls Royce und Bentley. Slotschewski war Parlamentsabgeordneter, leitete zwischen 2010 und 2012 das Umweltministerium und wechselte danach in den Sicherheitsrat. Er war bestens vernetzt in der Regierung des im Februar 2014 abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Wachsende Gasförderung
Slotschewski bestritt im Herbst 2013, Eigentümer von "Burisma" zu sein. Eine Mitarbeiterin seines Büros sagte, er habe das Unternehmen verkauft. Beweise dafür sind nicht bekannt.
Als mögliche neue Besitzer werden zwei Oligarchen genannt: Ihor Kolomojski und Viktor Pintschuk. Kolomojski wurde nach dem jüngsten Machtwechsel in Kiew zum neuen Chef der Gebietsverwaltung in Dnipropetrowsk ernannt und gilt als der politisch Einflussreichere von beiden. Die DW konnte Kolomojski für eine Stellungnahme zu "Burisma" nicht erreichen. Pintschuk wollte sich zu dem Sachverhalt nicht äußern. Für Pintschuk als neuen Eigentümer spricht, dass er gute Beziehungen zu US-Demokraten haben soll. Auch der frühere polnische Präsident Kwasniewski ist seit Jahren mit Pintschuk befreundet.
Nach Schätzungen ukrainischer Experten deckt die Ukraine ihren Gasbedarf etwa zu einem Drittel - 15 bis 20 Milliarden Kubikmeter - aus eigenen Quellen. Das meiste wird von staatlichen Firmen gefördert, doch der Anteil der Privaten wächst. Es werden umfangreiche Vorkommen vor allem im Osten vermutet. Um sie zu fördern, braucht die Ukraine das Know-how westlicher Konzerne.
US-Firmen in der Ukraine
Die USA sind bereits seit längerem auf dem ukrainischen Energiemarkt aktiv. Die US-Firma "Vanco" gewann 2007 eine Ausschreibung für Gasförderung im Schwarzen Meer. Der Deal wurde von der Regierung Julia Timoschenko später annulliert, weil das Unternehmen die Rechte an eine andere Firma weitergegeben hatte, an der ostukrainische und russische Geschäftsleute beteiligt gewesen sein sollen.
Die Regierung Janukowitsch bemühte sich um US-Firmen und andere Weltkonzerne bei der Öl- und Gasförderung in der Ukraine. Kiew unterzeichnete Ende 2013 einen Vertrag mit dem US-Konzern Chevron über Schiefergasförderung in der Westukraine. Ein Vertrag mit dem Energieriesen ExxonMobil über Gasgewinnung im Schwarzen Meer nahe der Krim kam vor dem Hintergrund oppositioneller Proteste nicht zu Stande.
Vorwürfe der Vetternwirtschaft
Die Nachricht über die Ernennung von Hunter Biden befeuerte Vorwürfe der Vetternwirtschaft, denn sie wurde erst wenige Wochen nach dem Besuch des US-Vizepräsidenten in Kiew am 22. April verbreitet. Weder "Burisma", noch das US-Außenministerium wollten sich auf DW-Anfrage dazu äußern. Washington verwies auf eine Erklärung des Weißen Hauses: Hunter Biden sei eine Privatperson.