1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie kommt der Kampf gegen HIV und AIDS voran?

22. Juli 2017

Ab Sonntag treffen sich Experten aus der ganzen Welt in Paris zur 9. internationalen AIDS-Tagung. Der Fokus im Kampf gegen das Virus richtet sich in diesem Jahr auf eine neue Gefahr: Resistenzen gegen AIDS Medikamente.

https://p.dw.com/p/2gxZz
Kenia Dolutegravir Pillen für die HIV-Behandlung
Bild: Reuters/B. Ratner

Der Kampf der Forscher gegen das HI-Virus, dass die Immunschwächekrankheit AIDS auslöst, scheint nur sehr schleppend voranzukommen. Zwar gibt es  immer wieder neue Entdeckungen und Infizierte können mit antiretroviralen Medikamenten mittlerweile auch durchaus ein hohes Lebensalter erreichen, aber eine drastische Verringerung der Neuinfektionen ist nach wie vor nicht in Sicht. 

35 Jahre nachdem Francoise Barré-Sinoussi und Luc Montaigner das Virus erstmals nachgewiesen haben, steht die Forschung, immer noch im Wettlauf mit dem Virus. 

Wenn ab Sonntag Virologen, Mediziner und Gesundheitspolitiker in Paris für drei Tage zur Welt-AIDS-Konferenz IAS2017 zusammen kommen, wird ein neues Thema die Tagesordnung bestimmen: Wachsende Resistenzen gegen HIV-unterdrückende Medikamente.
Der jährliche Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO, der am Donnerstag vorgestellt wurde, betont, dass in sechs von elf Ländern, die in Afrika, Asien und Lateinamerika untersucht wurden, Resistenzen in einem signifikanten Maße auftreten. In diesen Ländern haben demnach "mehr als zehn Prozent der Menschen, die antiretrovirale Therapien beginnen, eine Form des HI-Virus, das resistent gegen einige der üblichsten HIV Medikamente ist."

Man kann nur spekulieren, was das für das 90-90-90-Ziel von von UNAIDS bedeutet. Die Fachorganisation der Vereinten Nationen will erreichen, dass 90 Prozent der weltweit mit HIV infizierten Menschen richtig diagnostiziert sind und dass davon 90 Prozent regelmäßig antiretrovirale Medikamente erhalten. Außerdem möchte sie bei 90 Prozent dieser Patienten den Ausbruch von AIDS komplett verhindern.

Was, wenn die Medikamente versagen?

"Wenn die Resistenz in einigen Ländern zehn Prozent [oder mehr] erreicht, finde ich das sehr besorgniserregend. Es bedeutet, dass das resistente Virus bereits häufig übertragen wurde" sagt Professor Hendrik Streeck, der in Essen das erste deutsche Labor leitet, welches sich ausschließlich der Erforschung des HI-Virus widmet. 

Infografik HIV-Drogen-Resistenz in einige Länder DEU

Es gibt fünf verschiedene Wirkstoffklassen, mit denen sich ein AIDS-Ausbruch bei Trägern des Virus unterdrücken lässt. Eine globale Bedrohung sind die Resistenzen also noch nicht. Trotzdem rechnet die WHOmit 135.000 zusätzlichen Todesfällen und 105.000 Neuinfektionen im Laufe der kommenden fünf Jahre, sollte man die Resistenzen nicht in den Griff bekommen.

"Es hängt davon ab, wie oft ein Virus weitergegeben wird. Falls ein Patient antiretrovirale Medikamente falsch einnimmt und dadurch das Virus eine Resistenz entwickeln kann, und wenn dann der Patient eine anderen Person ansteckt, kann diese Person nicht mehr mit dem gleichen Medikament behandelt werden," sagt Streeck. "Üblicherweise ist es dann die ganze Wirkstoffklasse [die nicht mehr funktioniert]. Reden wir also von einer Rate von zehn Prozent, dann droht uns eine ganze Wirkstoffklasse verloren zu gehen.“

Unterdrückung ist nur eine vorübergehende Lösung

Als antiretrovirale Medikamente auf den Markt kamen, haben sie viel verändert und auch viele Menschenleben gerettet. Aber diese Medikamente vernichten das Virus nicht. Sie sorgen nur dafür, dass es in den Zellen versteckt bleibt - oft so weit, dass es nicht mehr messbar ist. Dann bricht auch die tödliche Immunschwächekrankheit AIDS nicht aus. Aber das Virus ist immer noch da.

Um das Virus zu unterdrücken muss man die Medikamente lebenslang einnehmen. Unterbricht man die Behandlung, bricht das Virus mit großer Wahrscheinlichkeit wieder aus. Deshalb stellen diese Medikamente auch keine Heilung dar. "HIV ist sehr geschickt: Es kann sich im Körper verstecken. Wir Ärzte nennen das Latenz," sagt Dr. Wenhui Hu. Er lehrt an der Katz School of Medicine/Temple University. "Wir arbeiten daran, auch das latente HIV zu entfernen. Dann wäre es eine permanente Heilung."

Wenhui Hu Professor am Center for Metabolic Disease Research
Noch immer keine HIV-Heilung? Wenhui Hu und sein Team arbeiten an einer Genschere, die latente HI-Viren abtöten soll. Bild: Danielle Hu

In einigen Fällen kann das Virus sich sogar in das Erbgut des Patienten einbauen. Die DNA des Virus, auch als provirale HIV DNA bezeichnet, kann dann zur eigenen DNA werden, sagt Hu. 

Sein Team forscht an zwei möglichen Wegen, die latenten Zellen los zu werden. Einer davon nutzt die Genschere CRISPR/Cas9. Der andere ist bekannt unter dem Titel "shock and kill" ("Aufschrecken und töten"). Dabei geht es darum, die latenten Zellen zunächst zu reaktivieren, also aus dem Versteck zu locken, um sie dann zu töten - entweder durch das eigene Immunsystem, oder durch Medikamente.

Dabei kann es allerdings zu Nebenwirkungen kommen. Die Genschere ist möglicherweise ein präziserer Ansatz. "Wir nutzen Gene-Editing um spezifische, latente Zellen ins Visier zu nehmen. Mit CRISPR/Cas9 gelingt es uns, nur HIV positive Zellen auszuwählen. Unsere 'dCas9' Methode [eine bestimmte Form der Genschere] setzt mehr Kraft frei, um das latente Virus zu reaktivieren und es in einen direkten Selbstmord zu treiben," erklärt Hu, seine Methode. "Dann muss man sich nicht so sehr auf das eigene Immunsystem verlassen."

Heilung oder Impfung?

Eine Heilung für HIV - das klingt fast so gut wie eine Heilung für Krebs. Leider gibt es weder das eine, noch das andere. AIDS Aktivisten, wie Mitchell Warren von der AIDS Lobbygruppe AVAC betonen deshalb, dass Prävention an erster Stelle stehen muss.

"Um Erfolg zu haben - auch mit dem 90-90-90 Modell, ist es nötig Prävention stärker zu bewerben: Die Verwendung von Kondomen, [ergänzend dazu männliche] Beschneidung [die das Infektionsrisiko etwas abschwächt, aber alleine keinen Schutz bietet] und präventive PrEP-Medikamente [sogenannte 'pre-exposure' Prophylaxe]," sagt Mitchell. "Und wir müssen sicherstellen, dass es simultan weiterhin Investitionen in Innovation und neue Technologien gibt, wie Gene-Editing, Impfungen und Forschung an anderen Heilungsmethoden. Jetzt in Paris wird es eine komplexe Aufgabe, da die richtige Balance zu finden."

Warren meint damit, dass die 90-90-90 Strategie alleine nicht ausreichen wird, um die Epidemie zu bezwingen. Es sei gleichzeitig nötig, die Neuinfektionen zu stoppen. Der Medizin gelinge es bisher nicht, die Infektion zu bezwingen, noch immer laufe sie der Realität hinterher.

"Wir sehen Fortschritte, was die Zahlen 90-90-90 betrifft. Immer mehr Menschen werden behandelt, aber die Wirkung im allgemeinen wird nicht sichtbar: Die Zahl der Neuinfektionen geht nicht stark genug zurück," sagt Warren.

Um das zu erreichen ist eine Impfung nötig, meint er. "Die Behandlung hilft den infizierten Patienten, aber es wird die Epidemie nicht beenden," sagt Streeck. "Besonders bei den sexuell übertragenen Krankheiten werden die Menschen nicht gut genug beobachtet. Sie werden stigmatisiert und schämen sich darüber zu sprechen. Eine Behandlung kann also die Epidemie verlangsamen oder abschwächen, aber nicht stoppen." 

Abbany Zulfikar Kommentarbild App
Zulfikar Abbany Wissenschaftsredakteur mit einem Faible für KI und die Beziehung zwischen Technologie und Menschen.