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KonflikteNordkorea

Was wir über Nordkoreas Raketenabschüsse vor Südkorea wissen

5. Januar 2024

Das Abfeuern hunderter Artilleriegeschosse nahe der Seegrenze zwischen Nord- und Südkorea erhöht die Spannungen zwischen den beiden Ländern - und ist eine Erinnerung an Nordkoreas militärische Schlagkraft.

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Nordkoreanisches Raketenabschussfahrzeug steht auf weiter Flur vor einem blauen Himmel
Nordkorea hat ein großes Waffenarsenal - darunter auch mobile Interkontinentalraketen wie auf dieser Mitte Dezember von der staatlichen Nachrichtenagentur veröffentlichten AufnahmeBild: KCNA VIA KNS/AFP

Die Situation zwischen Südkorea und seinem nördlichen Nachbarn bleibt auch 2024 angespannt. Am Freitagmorgen zwischen 9 und 11 Uhr lokaler Zeit feuerte Nordkorea mehr als 200 Artilleriegeschosse in der Nähe zweier Inseln vor der Westküste der koreanischen Halbinsel ab. Die Geschosse fielen nördlich der Seegrenze zwischen den beiden Staaten ins Meer, so Südkoreas Generalstab. Auf Yeonpyeong und Baengnyeong kam niemand zu Schaden. Bewohner auf Yeonpyeong wurden aufgefordert, sich in Schutzräume zu begeben. Ob das mit dem Beschuss aus Nordkorea zusammenhing, ist aber nicht klar. Anwohner berichteten laut der Nachrichtenagentur AP, die Maßnahme stehe mit Militärübungen in Zusammenhang, die Südkorea seinerseits am Freitag im Seegebiet durchführen wolle.

Lee Sung Joon, Sprecher des südkoreanischen Generalstabs, erklärte der Nachrichtenagentur Reuters, dass Seoul die Verantwortung für die "Eskalation dieser Krise ausschließlich bei Nordkorea" sehe. "Dies ist ein provozierender Akt, der den Frieden auf der koreanischen Halbinsel bedroht," sagte der Sprecher. "Wir drängen sie [Nordkorea] aufs Stärkste, diese Handlungen sofort zu unterlassen."

Wo genau fand der Beschuss statt?

Geschosse aus Nordkorea gingen in der Nähe der kleinen Inseln Yeonpyeong und Baengnyeong nieder, trafen aber nicht auf Land. Die Inseln liegen nahe dem nordkoreanischen Festland, gehören aber zu Südkorea. Das liegt am Verlauf der Northern Limit Line (NLL), der Grenze, die die Vereinten Nationen am Ende des Koreakrieges 1953 zogen. Die NLL zieht sich dicht entlang der Küste Nordkoreas und ist nicht etwa, wie von Nordkorea vorgeschlagen, eine Verlängerung der Linie, die die demilitarisierte Zone entlang der Grenze zwischen den beiden Ländern markiert.

2010 hatte Nordkorea Yeonpyeong angegriffen, damals kamen vier Menschen ums Leben. Die Insel ist nur knapp acht Quadratkilometer groß, auf ihr leben rund 2100 Menschen. Zuletzt hatte Nordkorea im Dezember 2022 Geschosse ins Meer rund um die NLL gefeuert. Ein militärischer Pakt zwischen den beiden Ländern auf der koreanischen Halbinsel, geschlossen 2018, sollte für Ruhe in einer Pufferzone entlang der Seegrenze sorgen. Aber nachdem Nordkorea im November 2023 einen Spionage-Satelliten ins All schoss - was als weitere Provokation beurteilt wurde - setzte Südkorea das Abkommen teilweise aus. Daraufhin hatte Nordkorea angekündigt, es werde alle konfliktvermeidenden Maßnahmen abbrechen und neues militärisches Gerät in der Grenzregion einsetzen.

Wie ist Nordkorea militärisch aufgestellt?

Zuverlässige Angaben aus dem hermetisch abgeriegelten Land gibt es nicht. Aber das Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) stellte für seinen Globalen Militarisierungsindex 2022 Nachforschungen an und nahm auf Grundlage der Ergebnisse eine Schätzung vor. Aufgrund der unklaren Faktenlage wurde Nordkorea zwar nicht in den offiziellen Index aufgenommen. Aber basierend auf den Schätzungen und Resultaten der Forschenden war Nordkorea 2022 das am stärksten militarisierte Land der Welt. Bei den Kategorien Militärausgaben und Personal rangierte Nordkorea laut BICC weltweit auf Platz eins. Im Bereich schwere Waffen lag es knapp hinter Israel auf Platz zwei.

Die Ausstattung von Heer, Luftwaffe und Marine ist nach BICC-Angaben zwar veraltet. Dessen ungeachtet hat Nordkorea für ein Land seiner Größe ein unverhältnismäßig großes Militäraufgebot. Auf 1000 Einwohner kamen 2020 knapp 50 aktive Mitglieder der Streitkräfte. Bei einer Gesamtbevölkerung von 26 Millionen Menschen sind die mehr als eine Million Soldatinnen und Soldaten allein im Heer eine enorm hohe Zahl. Viele Panzer, Flugzeuge und Artilleriesysteme im Arsenal des nordkoreanischen Militärs kommen aus sowjetischer oder chinesischer Produktion. Nordkorea ist im Besitz von Raketen mit Reichweiten von bis zu 13.000 Kilometern. Außerdem hatte das Land Ende 2022 Schätzungen zufolge genug Material für bis zu 50 nukleare Sprengköpfe.

Wo sind Nordkoreas Waffen noch im Einsatz?

Geschosse aus Pjöngjang landen nicht nur vor der Haustür Südkoreas. Russland soll im Ukrainekrieg ebenfalls nordkoreanische Waffen einsetzen. Der Nationale Sicherheitsrat der USA erklärte am Donnerstag (04.01.2023), dass diese Woche mehrere ballistische Raketen aus Nordkorea bei Russlands Angriffen auf die Ukraine zum Einsatz gekommen seien. US-Informationen zufolge soll Pjöngjang außerdem kürzlich ballistische Raketenwerfer und mehrere ballistische Raketen an Moskau geliefert haben.

"Es ist vollkommen klar, dass China, Nordkorea und der Iran Russland unterstützen", sagte der pensionierte US-Generalleutnant Ben Hodges im Gespräch mit der DW. "Zum Glück sieht es zu diesem frühen Stand der Überprüfung danach aus, dass die nordkoreanischen Waffen von schlechter Qualität sind."

Nord- und Südkorea – siebzig Jahre im Kalten Krieg

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker