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Von auto- bis pansexuell: Wie wir lieben

25. Juli 2019

Hetero, homo, bi. Kennt man. Trans- und intersexuell vielleicht auch noch. Doch wer weiß, was demisexuell bedeuten soll? Wir versuchen, einen Weg durch das Dickicht der sexuellen Orientierungen zu bahnen.

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Köln | Christopher Street Day 2019
Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Ich geb's zu: Mich irritiert die Kategorisierungswut, wenn es um die sexuelle Orientierung von Menschen geht. Sorgen die vielen kleinen, engen Schubladen nicht eher für eine Betonung der Andersartigkeit, als dafür, dass alle Lebens- und Liebesweisen Normalität werden?

Vielleicht ist das auch nur die naive Sichtweise einer cis-hetero-Frau, die nie wegen der eigenen sexuellen Orientierung angefeindet wurde und deshalb leicht reden hat. Moment mal, cis-hetero? Genau, da geht's schon los. Versuchen wir also, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Wer bin ich? Cis, trans oder inter?

Wer mit eindeutig weiblichen oder männlichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt kommt und sich auch in den folgenden Lebensjahren mit diesem Geburtsgeschlecht identifiziert, darf sich "Cis-Frau" oder "Cis-Mann" nennen.

"Cis" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "diesseits". Analog dazu bezeichnet "trans" (jenseits) die Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.

Mehr dazu: Mann? Frau? Beides? - Was genau ist Intersexualität?

Intersexuelle wiederum kommen sowohl mit männlichen als auch weiblichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt und können sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zuordnen. Seit vergangenem Jahr kann in Deutschland neben "männlich" und "weiblich" "divers" als dritte Geschlechtsoption im Geburtenregister eingetragen werden.

Wen mag ich? Hetero, homo, bi und pan

Cis-, Trans- und Intersexualität beschreiben einen Teil der Identität eines Menschen, sagen aber noch gar nichts darüber, wen eine Person liebt oder als Sexualpartner bevorzugt. Der heterosexuelle Mann steht auf Frauen. Die homosexuelle Frau auch. So weit, so übersichtlich.

Doch schon bei der Bisexualität wird es komplizierter. Grundsätzlich fühlen sich Bisexuelle zu beiden Geschlechtern hingezogen. Aber nicht unbedingt gleich stark. Deutlich macht das die Kinsey-Skala, eine Darstellung der sexuellen Orientierung des Menschen und Erfindung des Sexualforschers Alfred Charles Kinsey.

Zwischen "ausschließlich heterosexuell" und "ausschließlich homosexuell" existieren laut der Skala noch einige Schattierungen. Kinsey hat diese Abstufungen im Jahr 1948 alle unter dem Begriff der Bisexualität zusammengefasst.

Heute würde er wahrscheinlich eher von "Pansexualität" sprechen. Während Bisexuelle in Mann-Frau-Kategorien denken, weiten Pansexuelle den Kreis potentieller Geschlechts- und Lebenspartner auf das "diverse" Geschlecht aus.

Bisexuelle (und wahrscheinlich auch pansexuelle) Menschen müssen sich häufig anhören, sie wollten sich nicht binden und mit möglichst vielen Menschen ins Bett. Das ist in etwa so wahr wie die Annahme, Heterosexuelle seien generell monogam.

Mehr dazu: Homo, Hetero oder Bi - Sexualität lässt sich kaum kategorisieren

Ob jemand monogam oder polygam lebt, sich also auf einen Sexualpartner beschränkt oder mehrere Eisen im Feuer hat, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Nachgezählt hat vermutlich noch niemand, aber polygame Cis-Heteros dürfte es ebenso geben wie monogame Trans-Bisexuelle.

Worauf stehe ich? Eine Auswahl

Einigen Lesern werden manche der nun folgenden Begriffe albern vorkommen. Oder bizarr. Wahrscheinlich beides. Vielleicht taucht auch erneut die Frage auf, warum braucht denn alles eine eigene Schublade?

Demisexuell

Sexuelle Lust ist nicht spürbar, wenn nicht auch eine emotionale Verbindung zu der Person besteht. Auch das hat einen Namen: demisexuell. Demisexualität mag das Online-Dating ad absurdum führen, dürfte dafür aber relativ zuverlässig vor miesen One-Night-Stands schützen.

Sapiosexuell

Durchtrainierter Körper, strahlendes Lachen und schöne Augen reichen nicht, um den Sapiosexuellen umzuhauen. Erotisch sind in erster Linie kluge Gespräche und das geistige Niveau des Gegenübers. Ziemlich sinnvoll für alle, die gerne auf allen Ebenen stimuliert werden möchten.

Autosexuell

Sigmund Freud prägte diesen Überbegriff für alle Formen der sexuellen Selbstbefriedigung. Autosexualität bedeutet aber auch, dass jemand in sich selbst verliebt ist. Betroffene berichten von Schmetterlingen im Bauch, sobald sie sich selbst im Spiegel sehen. Wir lassen das mal so stehen und einigen uns darauf, dass eine (gesunde) Selbstliebe bestimmt nicht schadet.

Asexuell

Asexuelle Menschen haben kein Bedürfnis nach Sex. Nicht, weil sie sexuelle Interaktionen grundsätzlich eklig finden oder verklemmt sind. Anders als beim Zölibat oder anderen Formen der Enthaltsamkeit ist Asexualität keine bewusste Entscheidung, sondern eher eine sexuelle Orientierung. Nur ohne Sex.

Wozu nun all diese Kategorien? Wenn die Mehrheit der Menschen cis-hetero ist, reicht es dann nicht, nur die sexuellen Orientierungen zu benennen, die von dieser Norm abweichen? Klar, kann man machen. Allerdings würde das die Einteilung der Menschen in "normal" und "nicht normal" weiter legitimieren.

Eine andere Möglichkeit wäre, alle Kategorien aufzugeben und jede sexuelle Orientierung als einen Teil der Norm zu betrachten. Aber so weit sind wir noch nicht.