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Überkonsum: Menschen verbrauchen zu viel Ressourcen

Stuart Braun | Elliot Douglas
2. August 2023

Die Menschheit hat am 2. August mehr Ressourcen verbraucht, als unsere Erde innerhalb eines Jahres erzeugen kann und lebt somit auf Kosten zukünftiger Generationen. Der Überkonsum ist jedoch sehr unterschiedlich.

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Klimaschützer stehen mit Fahnen am Rand des Tagebaus Garzweiler vom Energiekonzern RWE am Dorfrand von Lützerath und protestieren gegen die weitere Braunkohleverbrennung in Deutschland.
Klimaschützer fordern den Stopp der Kohleförderung in DeutschlandBild: INA FASSBENDER/AFP/Getty Images

Laut Berechnungen der US-Umweltorganisation Global Footprint Network hat die Menschheit die Grenze der Nachhaltigkeit am 2. August überschritten. Um den derzeitigen Lebensstil aufrechtzuerhalten, bräuchte die Menschheit mittlerweile rund 1,7 Planeten.

So oder so geschehe die Eindämmung der Übernutzung der Ressourcen durch die Menschheit viel zu langsam, fügte die NGO hinzu. Ihren Berechnungen zufolge müsste der sogenannte Earth Overshoot Day in den nächsten sieben Jahren jedes Jahr 19 Tage später stattfinden, um die globalen Ziele zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgasemissionen zu erreichen.

Für Steven Tebbe, Geschäftsführer von Global Footprint Network, sind die immer häufigeren Wetterextreme Ausdruck der Erdüberlastung, ausgelöst unter anderem durch die Abholzung von Wäldern und die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas.

"Die anhaltenden Überschreitungen führen zu immer deutlicheren Symptomen, darunter ungewöhnliche Hitzewellen, Waldbrände, Dürren und Überschwemmungen, mit dem Risiko einer Beeinträchtigung der Nahrungsmittelproduktion", betont Tebbe.

Deutschland an der Spitze der Rohstoffverbraucher

1970 reichte die sogenannte Biokapazität der Erde noch völlig aus, um den Ressourcenbedarf der Menschheit innerhalb eines Jahres zu decken. Unter Biokapazität versteht man die Fähigkeit der Ökosysteme, sowohl vom Menschen genutzte biologische Stoffe zu produzieren als auch unsere Abfälle zu absorbieren. Ein halbes Jahrhundert später reichen die Kapazitäten des Planeten längst nicht mehr aus.

Die Umweltorganisation schätzt auch die Ressourcenverbrauch einzelner Staaten ein. Deutschland hatte demnach bereits am 4. Mai die Ressourcen verbraucht, die die Erde innerhalb eines Jahres generieren kann.

Würde alle Menschen auf der Welt so konsumieren wie die Bevölkerung in Deutschland, würden laut Berechnungen von Global Footprint Network die Ressourcen von drei Erden gebraucht. Noch höher ist der Ressourcenverbrauch der USA und der Vereinigten Arabischen Emirate. Negativer Spitzenreiter 2023 ist Katar. Das Emirat hatte schon zum 10. Februar alle seine erneuerbaren Ressourcen aufgebraucht.

Einen Großteil der Umweltzerstörung durch Ressourcenübernutzung müssen vor allem Menschen im globalen Süden und künftige Generationen tragen. Indonesien oder Ecuador zum Beispiel überschreiten erst im Dezember ihre planetaren Grenzen. Gleichzeitig werden jedoch dort Ressourcen zugunsten von reichen Ländern wie Deutschland ausgebeutet. 

"Deutschland ist der fünftgrößte Rohstoffverbraucher der Welt und importiert bis zu 99 Prozent der Mineralien und Metalle aus Ländern des globalen Südens", sagte Lara Louisa Siever, Referentin für Ressourcengerechtigkeit beim deutschen Entwicklungsnetzwerk INKOTA, im vergangenen Jahr.


Infografik Earth Overshoot Day 2023 DE

Endloses Wachstum geht nicht bei endlichen Ressourcen

Doch wie die meisten hoch entwickelten Länder ist auch Deutschland weit vorne auf der Liste. Frankreich erreicht die Grenze einen Tag später. Und auch Griechenland, das Vereinigte Königreich und Japan überschreiten ihr Limit im Monat Mai. 

"Das große Problem, das wir in Deutschland und generell im globalen Norden haben, ist, dass wir noch nicht verstanden haben, dass die Ressourcen endlich sind", sagt Viola Wohlgemuth, Referentin für Kreislaufwirtschaft und Giftstoffe bei Greenpeace Deutschland.

Daten des World Resources Institute zeigten, dass die "Ausbeutung von Ressourcen und die Umwandlung in Produkte" für 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen und für 90 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt verantwortlich seien. Trotz dieser "enormen Ressourcenkrise" hätten Länder wie Deutschland "nichts gelernt", so Wohlgemuth.

 Schiffe und Kräne im Containerhafen in Bremerhaven
Deutschlands Wirtschaft ist die Grundlage für seinen Wohlstand - doch der ist nicht nachhaltigBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Dabei sei Deutschland lange "als Musterbeispiel für Klimatugenden" gelobt worden, so der Berliner Klimaaktivist Tadzio Müller. "Der Grund für diesen Mythos von Deutschland als Öko-Champion hat ironischerweise nichts mit der deutschen Industriepolitik oder den politischen Strategien auf Regierungsebene zu tun, sondern mit mächtigen sozialen Bewegungen."

Müller verweist auf die Anti-Atomkraft-Bewegung in den 70er- und 80er-Jahren, den Schwung für erneuerbare Energien in mittelständischen Unternehmen im Land und auf die jüngsten erfolgreichen Forderungen junger Klimaschützer nach einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Müller meint, dass sich vor allem die deutsche Wirtschaftspolitik grundlegend ändern müsse, namentlich das treibende Grundprinzip eines endlosen Wachstums. Eine solche Änderung sei nötig, wenn der durch übermäßigen Konsum getriebene Klimawandel und das "extrem ernste Problem des Verlusts der biologischen Vielfalt" angegangen werden sollen, so Müller.

Dies gelte auch für die Idee des grünen Wachstums, in seinen Worten der "Elektroauto-Kapitalismus", der ebenfalls auf der massiven Ausweitung des Ressourcenverbrauchs - insbesondere bei Mineralien und seltenen Erden - beruhe.

Aktivistin mit Plakat und Jürgen Trittin vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Vor allem soziale Bewegungen haben den ökologischen Wandel vorangetriebenBild: Nadja Wohlleben/REUTERS

Kreislaufwirtschaft unverzichtbar, um Ressourcen zu schonen

Die Bundesregierung debattiert derzeit über eine Strategie für eine nationale Kreislaufwirtschaft. Durch effizientere Nutzung solle zwar der Ressourcenverbrauch reduziert werden, doch gleichzeitig das Wachstumsmodell beibehalten werden, kritisiert Müller.

Für Viola Wohlgemuth ist eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft unverzichtbar, um den weltweiten Überkonsum zu mindern. "Wir müssen unsere Geschäftsmodelle so ändern, dass Produkte wirklich wiederverwertbar sind", sagt sie und verweist auf die Grundsätze von Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling, die beispielsweise dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft des Europäischen Green Deal zugrunde liegen. Wohlgemuth fordert auch eine klare Obergrenze des Ressourcenverbrauchs in Deutschland.

Das schließe auch den Energieverbrauch ein. Laut Greenpeace wird nur ein Viertel der deutschen Gaslieferungen zum Heizen oder Kochen verwendet. Ein Großteil der fossilen Brennstoffe wird für die nicht nachhaltige Herstellung von Gütern genutzt.

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Deutschland muss Emissionssenkungen rasch beschleunigen

Klimaschädliche Treibhausgasemissionen seien eine direkte Folge der Überproduktion und des Überkonsums und müssten rasch gesenkt werden, wenn Deutschland seinen "Overshoot" reduzieren wolle, sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch. "Die CO2-Emissionen in Deutschland müssten dreimal so schnell sinken wie heute."

Als wirksame Maßnahmen dafür sieht Germanwatch unter anderem einen verbesserten Zugang zum emissionsarmen Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene und eine Einschränkung des Flugverkehrs. Ohne eine Lösung für den Überkonsum sei es für Deutschland nicht möglich, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu leben.

"Wir betrachten alle Probleme getrennt voneinander - Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt oder Nahrungsmittelknappheit - als ob sie unabhängig voneinander auftreten würden", sagt Mathis Wackernagel, Gründer und Präsident des Global Footprint Network.

"Aber das sind alles Symptome, die demselben Thema zugrunde liegen: dass unser kollektiver Stoffwechsel, also die Menge an Dingen, die die Menschheit verbraucht, riesig geworden ist im Vergleich zu dem, was die Erde erneuern kann."

Der Beitrag erschien erstmalig am 4. Mai und wurde am 2. August zum Erdüberlastungs-Tag aktualisiert. Adaption aus dem Englischen von Gero Rueter.

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.