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"Unsichtbare Stadt": Brasiliens Mythen

Isabela Martel
13. April 2021

In Brasilien kennt jedes Kind die mythischen Protagonisten aus der Netflix-Serie "Unsichtbare Stadt". Sie verknüpft Krimi und Folklore - und boomt weltweit.

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Filmszene aus der Netflix-Serie "Unsichtbare Stadt"
Internationaler Erfolg: "Unsichtbare Stadt" lag in mehr als 40 Ländern unter den Top 10 der meistgesehenen InhalteBild: Netflix

Eric (Marco Pigossi) ist Umweltpolizist in Rio de Janeiro. Als seine Frau (Julia Konrad) unter mysteriösen Umständen stirbt, beginnt er auf eigene Faust mit den Ermittlungen zu ihrem Tod. Zeitgleich wird ein rosafarbener Flussdelfin - eigentlich im Amazonas beheimatet - tot an einem der Strände der Stadt angeschwemmt. Als Eric der Todesursache auf den Grund geht, stößt er auf mythische Kreaturen, die mitten unter den Menschen leben. 

Das ist die Ausgangshandlung der Netflix-Serie "Unsichtbare Stadt", die weltweit auf der Streaming-Plattform verfügbar ist. Sind die übernatürlichen Wesen real? Ohne zu spoilern, ist eins jedenfalls sicher: Die Figuren, die in der Serie vorkommen, haben in Brasilien eine Jahrhunderte alte Tradition und bilden einen wichtigen Teil der Folklore des Landes: Die in der Serie vorgestellten Fabelwesen kennen hier alle: Sie stehen auf Lehrplänen, in Büchern, tauchen im Fernsehen und in Zeichentrickfilmen auf. Jetzt werden sie einem weltweiten Publikum zugänglich gemacht - und ernten begeisterte Reaktionen.

Regisseur Carlos Saldanha und Schauspieler Marco Pigossi stehen nebeneinander, verziehen scherzhaft die Gesichter und recken die Fäuste in die Luft
Serienschöpfer Carlos Saldanha (links) mit Protagonist Marco Pigossi bei den Dreharbeiten in Rio de JaneiroBild: Alisson Louback/Netflix

"Unsichtbare Stadt" kombiniert geschickt Elemente aus Drama, Fantasy, Mystery-Thriller und Krimi, Premiere war im Februar 2021 auf Netflix. Seitdem war die Serie in mehr als 40 Ländern mindestens einen Tag lang unter den Top 10 der meistgesehenen Inhalte der Streaming-Plattform vertreten. Netflix hat bereits angekündigt, dass es nach der ersten Staffel eieen Fortsetzung geben wird.

Der Plot wurde von Carlos Saldanha entwickelt. Der zwei Mal für den Oscar nominierte Regisseur war bislang vor allem für Animationsfilme bekannt, besonders für die "Ice Age"-Reihe und die "Rio"-Filme. "Unsichtbare Stadt" ist sein erstes Projekt mit realen Schauspielern.

Coole Geschichten

Die Idee entstand aus dem Wunsch, "Elemente der brasilianischen Kultur mit einer erwachsenen, polizeilichen Thriller-Produktion zu kombinieren", sagte Saldanha im Gespräch mit der DW. Während er seine Idee entwickelte, erhielten Serien wie "American Gods", in der alte und neue Götter das Leben der Menschen aufmischen, oder "Grimm", in der ein Polizist engen Kontakt zu Märchengestalten hat, ebenfalls bereits viel Aufmerksamkeit. "Ich dachte: 'Warum haben wir nie daran gedacht, so etwas mit Brasilien zu machen?' Wir haben so viele Mythen, die interessant und visuell einzigartig sind."

Für Saldanha erzeugt allein das Reden über Brasilien "ein Gefühl des Stolzes, des Wunsches, meine Kultur zu zeigen, (...) diese Geschichten sind so reich und so cool, wir können sie nicht sterben lassen", sagt er. Eine der größten Herausforderungen für das Team sei es gewesen, die Folklore-Figuren einem internationalen Publikum vorzustellen, das in den meisten Fällen noch nie von ihnen gehört hatte - Götter wie Zeus oder Aphrodite aus der griechischen Mythologie sind da wesentlich bekannter.

Die Schöpfer von "Unsichtbare Stadt" wollten die Wesen aus der reichen Sagenwelt so darstellen, dass jeder sie versteht, auch ohne Detailkenntnis. Da die erste Staffel nur auf sieben Episoden von jeweils etwa 35 Minuten beruht, fürchtete Saldanha, dass "es langweilig werden könnte, wenn es zu erklärend wäre. "Es war ein Risiko, aber es hat funktioniert", sagt er. Die Zuschauer seien neugierig auf die Fabelwesen seiner Heimat gewesen. 

Indigene und afrikanische Einflüsse

Die brasilianische Folklore ist sehr vielfältig, eine Mischung aus indigenen, afrikanischen und europäischen Wurzeln. Die folkloristischen Geschichten wurden von Generation zu Generation weitergegeben, meist von Mund zu Mund, und ihre Ausschmückung kann von Region zu Region variieren. Die meisten der Legenden beziehen sich auf die Natur und deren Schutz.

Die Charaktere in "Unsichtbare Stadt" werden auf moderne Weise dargestellt und leben in einer ausgegrenzten städtischen Umgebung. Sie tragen andere Namen als die eigentlichen Fabelwesen, da sie versuchen, ihre Identitäten geheim zu halten und sich in der menschlichen Welt zurechtzufinden.

Szene aus der brasilianischen Serie "Unsichtbare Stadt". Ein lächelnder Mann steht vor dem Fenster eines Mädchens.
Jedes Kind kennt in Brasilien Saci (links), eine mythologische Figur. In der Serie trägt sie den Namen Isac.Bild: Alisson Louback/Netflix

Zu den mythischen Wesen gehört auch der einbeinige Kobold Saci. Er raucht eine Pfeife und hat eine magische rote Kappe, mit deren Hilfe er in einem Wirbelwind jederzeit auftauchen und wieder verschwinden kann.  Oder Iara, eine Sirene, die im Fluss lebt, wo sie nachts, vor allem bei Mondschein, unwiderstehliche Lieder singt. Curupira ist der Beschützer der Amazonas-Wälder. Seine Füße sind verdreht, weshalb derjenige, der seiner Spur folgen will, sich von ihm entfernt. Und dann ist da noch die Hexe Cuca, die Kinder in ganz Brasilien in Angst und Schrecken versetzt.

All diese Gestalten lernen Netflix-Zuschauer jetzt kennen, und so trägt "Unsichtbare Stadt" zur Diversifizierung des Fantasy-Genres bei. "Ich denke, die Serie bringt frischen Winde in die Mythologie und Fantasy", ist sich Regisseur Saldanha sicher. Und wie bei allen dauerhaften Mythen vermitteln auch die populären brasilianischen Legenden universelle Ideen. "Letztendlich sind wir alle ähnlich", so der Schöpfer der Serie. "Jeder hat die gleichen Gefühle. Was sich ändert, ist die Art, wie man Geschichten erzählt."

Adaption ins Deutsche: Torsten Landsberg