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PolitikEuropa

Ukraine aktuell: Kiew stellt Plan zur Krim-"Befreiung" vor

2. April 2023

Ein ukrainischer Regierungsvertreter legt einen 12-Punkte-Plan zur "Befreiung" der annektierten Halbinsel Krim vor.

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Ukraine Kiew | Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine Oleksij Danilow
Deutliche Worte in Richtung Moskau: Olexij Danilow, Sekretär des Verteidigungsrates der UkraineBild: Anna Voitenko/REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • 12-Punkte-Plan für "Befreiung" der besetzten Halbinsel Krim veröffentlicht
  • Ukrainischer Botschafter nennt Friedensplan deutscher Politiker "zynisch"
  • US-Außenminister fordert Freilassung von Evan Gershkovich
  • Hausarrest und Fußfesseln für den Vorsteher des Kiewer Höhlenklosters
  • London: Russische Verluste auch durch Alkoholkonsum bedingt

 

Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Olexij Danilow, fordert in dem Plan, als Teil der "De-Okkupation" etwa die Krim-Brücke mit der Auto- und Eisenbahnverbindung zum russischen Kernland abzureißen. Die Staatsdiener auf der Krim, die sich 2014 bei der Annexion mit den russischen Besatzern eingelassen hätten, würden einer Säuberung unterzogen nach dem Vorbild der Entnazifizierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, teilte Danilow auf Facebook mit.

Die Kollaborateure und Verräter des ukrainischen Staates sollen in Strafverfahren zur Rechenschaft gezogen werden, heißt es etwa in Schritt 2 des Plans. Besonders erwähnte Danilow auch Richter, Staatsanwälte, Angehörige der Sicherheitsorgane, die sich 2014 auf die Seite Russlands geschlagen hätten. Russen, die sich nach Februar 2014, auf der Krim niedergelassen haben, sollen vertrieben werden. Grundstückskäufe und andere Verträge würden annulliert. Zudem sollten alle politischen Gefangenen, darunter viele Krim-Tataren, umgehend freigelassen werden.

Die Atommacht Russland hatte immer wieder gedroht, die annektierte Krim mit allen Mitteln zu verteidigen. Zudem warnte Moskau den Westen, Kiew nicht mit Waffenlieferungen zu einer Rückeroberung der Krim zu animieren. Die ukrainische Führung hatte dagegen an den Westen appelliert, sich von den nuklearen Drohungen Moskaus in dem Konflikt nicht beeindrucken zu lassen. Mehrfach hatte es etwa Drohnenangriffe auf der Krim gegeben, teils mit Toten und Verletzten.

Scharfe Kritik der Ukraine an Friedensappell aus Deutschland

Ukrainische Politiker haben einen Friedensappell namhafter deutscher Sozialdemokraten und Gewerkschafter zur raschen Beendigung des russischen Angriffskrieges scharf zurückgewiesen. "Schert euch zum Teufel mit eurer senilen Idee", einen schnellen Waffenstillstand zu erreichen und den Frieden nur mir Russland zu schaffen, schrieb der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk auf Twitter. Sein Nachfolger als Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Dieser Friedensappell ist kein Aprilscherz. Das ist ein purer Zynismus gegenüber den zahlreichen Opfern der russischen Aggression." Der Aufruf habe nur ein Ziel: "Die Verbrechen Russlands und dementsprechend die Verantwortung des russischen Regimes zu verschleiern."

Ukrainischer Botschafter in Deutschland Oleksii Makeiev im DW-Interview
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii MakeievBild: Richard Walker/DW

Der Aufruf "Frieden schaffen! Waffenstillstand und Gemeinsame Sicherheit jetzt!" wurde am Samstag in der "Berliner Zeitung" veröffentlicht. Initiiert wurde er von dem Historiker Peter Brandt, einem Sohn des ehemaligen Kanzlers Willy Brandt (SPD), dem früheren DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann und dem Ex-Bundestagsabgeordneten Michael Müller (SPD). Unterzeichnet ist er von vielen ehemaligen Funktionsträgern der SPD, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, von Künstlern und Wissenschaftlern.

Darin wird Bundeskanzler Olaf Scholz aufgerufen, zusammen mit Frankreich die Länder Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand in der Ukraine zu erreichen. "Das wäre ein notwendiger Schritt, um das Töten zu beenden und Friedensmöglichkeiten auszuloten. Nur dann kann der Weg zu einer gemeinsamen Sicherheitsordnung in Europa geebnet werden."

Blinken verlangt Freilassung von inhaftiertem US-Reporter

In einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow hat US-Außenminister Antony Blinken die sofortige Freilassung des wegen Spionagevorwürfen inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich gefordert. Blinken habe in dem Gespräch die "große Besorgnis der Vereinigten Staaten über die inakzeptable Inhaftierung" des Journalisten in Russland bekundet, erklärte US-Außenamtssprecher Vedant Patel. Zudem habe Blinken dazu aufgerufen, den ebenfalls in Russland inhaftierten Ex-US-Soldaten Paul Whelan aus dem Gefängnis zu entlassen.

Journalist Evan Gershkovich
Der Korrespondent des Wall Street Journal, Evan Gershkovich, befindet sich seit Donnerstag in russischer UntersuchungshaftBild: The Wall Street Journal/AP/picture alliance

Aus Moskau hieß es dazu, Lawrow habe Blinken gesagt, dass ein Gericht über "das künftige Schicksal" von Gershkovich entscheiden werde. Lawrow habe zugleich "den Medienrummel" im Westen um die Festnahme des Journalisten beklagt. Dahinter stehe der Versuch amerikanischer Regierungsvertreter und westlicher Medien, "diesem Fall eine politische Dimension zu verleihen".

Ein Gericht in Moskau hatte am Donnerstag Haftbefehl gegen Gershkovich erlassen. Der Journalist des "Wall Street Journal" hatte unter anderem zu Russlands Krieg gegen die Ukraine recherchiert. Er sei zunächst bis 29. Mai in Untersuchungshaft, teilte das Gericht mit. Gershkovich drohen bei einer Verurteilung bis zu 20 Jahre Haft. US-Präsident Joe Biden hatte bereits am Freitag die sofortige Freilassung Gershkovichs gefordert.

Russischer Militärblogger bei Explosion getötet

In Sankt Petersburg ist ein russischer Kriegsberichterstatter bei einer Explosion in einem Café ums Leben gekommen. 15 Menschen wurden bei der Detonation des Sprengsatzes verletzt, wie die Staatsagentur Tass berichtet. Der 40-jährige Journalist und Blogger mit dem Pseudonym Wladlen Tatarskij stammte aus dem Donbass in der Ostukraine. Er sei auf der Stelle tot gewesen.

Russland Explosion in Cafe in St Petersburg
Das schwer beschädigte Café in St. Petersburg Bild: Anton Vaganov/REUTERS

Tatarskij, dessen richtiger Name Maxim Fomin lautete, hatte nach offiziell unbestätigten Medienberichten zu einem "patriotischen Abend" in das Café im Zentrum von Sankt Petersburg eingeladen. Das Lokal gehört laut Medienberichten Jewgeni Prigoschin, dem Chef der Söldnertruppe Wagner. Über die Hintergründe der Explosion gab es zunächst keine offiziellen Angaben.

Tote und Verletzte nach russischem Beschuss von Kostjantyniwka

In der ostukrainischen Stadt Kostjantyniwka sind durch russischen Beschuss nach Angaben aus Kiew mindestens sechs Menschen getötet worden. Acht Personen erlitten demnach Verletzungen. Das Zentrum der Stadt im Gebiet Donezk sei mit Raketen angegriffen worden, teilte der Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, mit. Er veröffentlichte auch Fotos von den Zerstörungen der Wohnhäuser. Es seien 16 Wohnblöcke und acht Privathäuser, das Gebäude der Steuerbehörde, Gasleitungen und mehrere Autos getroffen worden. Russland führt seit mehr als einem Jahr einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und will unter anderem den gesamten Donbass unter seine Kontrolle bringen.

Pawlo mit seiner priesterlichen Kopfbedeckung
Der Vorsteher des Höhlenklosters bei der Anhörung in KiewBild: Pavlo Bagmut/Avalon//Photoshot/picture alliance

Zwei Monate Hausarrest für Metropolit Pawlo

Ein ukrainisches Gericht hat den Vorsteher des weltberühmten Kiewer Höhlenklosters, Pawlo, für zwei Monate unter Hausarrest gestellt. Der Geistliche der ukrainisch-orthodoxen Kirche stehe unter Verdacht, die religiösen Streitigkeiten befeuert und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gerechtfertigt zu haben, berichteten ukrainische Medien aus dem Gerichtssaal.

Pawlo muss elektronische Fußfesseln tragen. Der Kontakt mit Gläubigen ist ihm untersagt. Der 61-Jährige bestreitet die Vorwürfe und spricht von einem politischen Verfahren. Nach einer Razzia im Kloster protestierten Dutzende Gläubige. Die Versammelten, darunter auch Geistliche, schwenkten religiöse Symbole und beteten vor dem Kloster Lawra Petschersk.

Luftbild des Höhlenklosters
Das Höhlenkloster in KiewBild: Artjazz/Shotshop/picture alliance

Die Vorladung des Metropoliten erfolgte nur drei Tage nach dem Ablauf einer Frist für die Räumung des zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Klosters. Bis vor kurzem war es der Sitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche, ihre Mönche lebten kostenlos in einem Teil des Klosters. Sie haben angekündigt, so lange wie möglich bleiben zu wollen.

Hintergrund sind Streitigkeiten um die Nutzung des Höhlenklosters und die Stellung der ukrainisch-orthodoxen Kirche im Land allgemein. Bis Kriegsbeginn war die Kirche dem Moskauer Patriarchat unterstellt.

Sitzung des UN-Sicherheitsrats von oben fotografiert
Der UN-Sicherheitsrat hat turnusgemäß einen neuen Vorsitz: Russland (Archivbild)Bild: Ed Jones/AFP/Getty Images

Selenskyj verlangt Reform des UN-Sicherheitsrates

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Reform des UN-Sicherheitsrats gefordert. Zuvor hatte Russland den Vorsitz des Gremiums übernommen. Erst am Vortag habe die russische Artillerie ein fünf Monate altes Kind getötet und nun übernehme es den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sagte Selenskyj am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. "Es ist kaum etwas vorstellbar, was den vollständigen Bankrott solcher Institutionen besser demonstriert", so der 45-Jährige.

Austausch mit Macron

In einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat Selenskyj über die Umsetzung des "Friedensplans der Ukraine" gesprochen. Das Gespräch habe eine Stunde gedauert und sei detailliert gewesen, sagte Selenskyj. Im Online-Dienst Telegram schrieb Selenskyj, Macron und er hätten "die nächsten Schritte zur Umsetzung" des Zehn-Punkte-Plans seiner Regierung besprochen. "Wir haben die Aktionen für die bevorstehenden internationalen Ereignisse koordiniert", fügte er hinzu.

Wolodymyr Selenskyj und Emmanuel Macron
Im Gespräch: Macron und Selenskyj, hier auf dem Weg zum EU-Gipfel in Brüssel im FebruarBild: Mohammed Badra/AFP/Getty Images

Selenskyj hatte im vergangenen November einen Zehn-Punkte-Friedensplan vorgelegt, der unter anderem die territoriale Integrität der Ukraine, das Schicksal von Gefangenen und die Ernährungssicherheit in der Ukraine umfasst.

Die französische Präsidentschaft teilte nach dem Gespräch der beiden Staatschefs mit, diese hätten "eine Bestandsaufnahme der militärischen Lage in der Ukraine" vorgenommen. Macron habe "seine Unterstützung für die Ukraine" bekräftigt, um "der russischen Aggression ein Ende zu setzen". Zudem sei es um die "besorgniserregende Lage" am seit März 2022 von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja gegangen.

Angriff auf die freie Presse

Das Wall Street Journal hat die sofortige Freilassung von Evan Gershkovich gefordert, einem in Moskau ansässigen Korrespondenten, der vom russischen Sicherheitsdienst FSB wegen Spionageverdachts festgenommen worden war.

"Evans Fall ist ein bösartiger Affront gegen eine freie Presse und sollte Empörung bei allen freien Menschen und Regierungen auf der ganzen Welt hervorrufen", erklärte die Zeitung auf Twitter.

London: Alkohol ein Grund für hohe russische Verluste in Ukraine

Der Alkoholkonsum der russischen Streitkräfte in der Ukraine ist nach britischer Einschätzung einer der Gründe für die hohen Verluste. Russland habe seit Beginn des Angriffskriegs vor gut einem Jahr bis zu 200.000 Soldaten verloren, eine große Zahl der Todesfälle sei jedoch auf andere Ursachen als die eigentlichen Kampfhandlungen zurückzuführen, erklärte das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse. Anfang der Woche habe ein russischer Telegram-Nachrichtenkanal berichtet, dass es eine "extrem hohe" Anzahl an Vorfällen, Straftaten und Todesfällen im Zusammenhang mit Alkoholkonsum unter den Streitkräften gebe. Starkes Trinken sei in der russischen Gesellschaft weit verbreitet und als ein stillschweigend akzeptierter Teil des militärischen Lebens hingenommen worden, auch bei Kampfeinsätzen.

Zu den weiteren Hauptursachen für nicht-kampfbedingte Verluste zählen laut den britischen Geheimdienstberichten vermutlich auch eine schlechte Ausbildung an den Waffen, Verkehrsunfälle und auf die klimatischen Bedingungen zurückzuführende Schädigungen wie Unterkühlung.

kle/uh/fab/ack/sti/se (rtr, dpa, afp, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.