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Türkei und Russland: Empörung im Netz

Janina Semenova26. November 2015

Nach dem Abschuss des russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe wachsen die politischen Spannungen zwischen beiden Staaten. Der Konflikt spiegelt sich auch im Netz wider.

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Türkei Syrien Kampfjet Russland Abschuss Grenzgebiet
Bild: picture-alliance/dpa/Anadolu Agency

Russlands Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete den Abschuss des Kampfflugzeugs eine "geplante Provokation" des türkischen Militärs. "Wir haben Zweifel, dass dies unbeabsichtigt war", sagte er. Der russische Präsident Wladimir Putin nannte den Abschuss einen "Dolchstoß". Diese drastische Äußerung verwenden Nutzer im Netz sowohl auf Russisch als auch auf Englisch als Hashtag, um ihre Meinungen über den Abschuss zu verbreiten. In den vergangenen Tagen gibt es in den sozialen Netzwerken immer mehr Reaktionen dazu zu finden.

Aber auch mit anderen Hashtags wird auf dem Kurznachrichtendienst Twitter vor allem auf Russisch Stimmung gegen die Türkei gemacht. Unter #ТурцияЗаИГИЛ ("Türkei für den IS") beschuldigen Nutzer die türkische Regierung, den sogenannten Islamischen Staat zu unterstützen.

Vera Kusnetsowa aus Moskau schreibt unter diesem Foto: "Die türkische Regierung lässt ihre Maske fallen."

Auch in der offiziellen Äußerung des Premierministers Dmitri Medwedew klingen ähnliche Schuldzuweisungen durch: "Die Türkei hat mit diesen Aktionen gezeigt, dass sie den IS verteidigen."

Der russische Außenminister Lawrow warnte alle Staatsbürger vor einer Reise in die Türkei, da dort die Bedrohung durch Terroristen steige. Die Türkei gilt eigentlich als eines der beliebtesten Urlaubsziele der Russen. Jetzt starteten Nutzer auf Twitter unter dem Hashtag "Ich fahre nicht in die Türkei" jedoch eine Art Kampagne gegen Urlaub in der Türkei und riefen andere Russen auf, diese Aktion zu unterstützen. "Macht lieber Urlaub zu Hause", schreiben sie.

Der populäre russische Oppositionspolitiker und Blogger Alexej Nawalny deutet mit diesem Bild an, dass Putin allerdings nicht immer die Wahrheit über die Luftangriffe in Syrien sagt.

Doch die meisten russischsprachigen Nutzer schweigen über die Luftangriffe Russlands in Syrien – auch wenn sie die syrische Opposition und Zivilisten trafen, was mehrere westliche Staaten kritisierten.

Trotzdem sollte man bei diesen Reaktionen im Hinterkopf behalten, dass Russland mittlerweile dafür bekannt ist, Internet-Trolle zu beschäftigen, die gezielt Stimmungsmache im Auftrag der Regierung betreiben.

Doch auch auf den Straßen Moskaus hat es Proteste gegeben. Dieser türkische Journalist postete Bilder von Plakaten, die unter anderem fragen: "Kämpft ihr für oder gegen den IS?"

Am Mittwoch hatten sich außerdem Demonstranten vor der türkischen Botschaft in Moskau versammelt. Die Polizei habe die Demonstranten zwar aufgefordert, den Protest abzubrechen, sei aber zunächst nicht eingeschritten, berichtete die AFP. Fotos und Videos von dem Protest wurden auch auf Twitter geteilt. "Scheiben wurden mit Steinen eingeworfen", schreibt Philipp Kireev.

Außerdem will Russland nun die Lebensmittelimporte aus der Türkei schärfer kontrollieren. Der Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschew begründete dies mit "wiederholten Verletzungen russischer Normen durch türkische Hersteller". Bei Twitter sorgt das allerdings für Unverständnis. "Heißt das, davor haben wir uns von minderwertigen türkischen Produkten ernähert?", fragt Sergej Soschtschenko.

In der Türkei hingegen ist die Situation nicht so hochgekocht. Der Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte: "Wir haben nicht die Absicht, diesen Zwischenfall hochzuspielen."

Auch türkische User reagieren im Netz auf den Abschuss des Jets. "Die Büchse der Pandora ist jetzt offen. Man weiß, was die Türkei davon abbekommen wird. Trotzdem so zu handeln ist einfach bedenkenlos", schreibt diese Nutzerin.

Beim Durchlesen der vielen russischen Tweets wird deutlich, dass die meisten Russen eher gegen die Türkei hetzen und sich patriotisch der Meinung der russischen Regierung anschließen. Im Gegensatz dazu wird in der Türkei auch der Abschuss an sich thematisiert. Denn die Regierung weist weiter daraufhin, dass das russische Flugzeug in den türkischen Luftraum eingedrungen sei und auf türkischer Seite abgeschossen wurde.

"Russland kann keinen Krieg beginnen mit der Türkei. Weil es niemals Gewinner gibt bei einem Krieg. Russland hat ohne die Folgen zu bedenken den türkischen Luftraum verletzt und jemand sollte einfach Stopp sagen", heißt es von Emrah Turan.

Außerdem erinnern Nutzer an die internationalen Regeln mit Hinweis auf die Luftraumverletzung. "Es gibt auch Aufnahmen davon, wie die türkischen Piloten die Russen warnen. Die Türkei hat richtig gehandelt", heißt es.

Die Nachrichtenagentur DHA veröffentlichte am Mittwoch unter Berufung auf die Armee eine Sprachaufnahme, bei der es sich um den Funkspruch an die Piloten des abgeschossenen Flugzeugs handeln soll. Die Türkei hatte kurz nach dem Abschuss mitgeteilt, dass die russischen Piloten mehrfach gewarnt worden seien. Russland behauptete allerdings, dass es keinerlei Warnung oder Kontakt zwischen den türkischen und russischen Piloten gegeben habe. Das sagte der russische Pilot, der überlebt hatte, auch in einem Fernsehinterview.