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PolitikAfrika

Tödliche Gewalt gegen Christen in Afrika

18. Januar 2023

Das christliche Hilfswerk "Open Doors" beklagt brutale Gewalt gegen Christen - vor allem in Teilen Afrikas. Es warnt auch vor einem neuen Kurs Chinas bei der Menschenrechtspolitik.

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Rund um ein hölzernes Kreuz sind leicht verschwommen viele Menschen in bunter Kleidung zu sehen
Schon der Gang in die Kirche kann in manchen Ländern für Christen lebensgefährlich seinBild: picture-alliance/dpa/S. Akber

"In Subsahara-Afrika hat die Gewalt gegen Christen deutlich zugenommen. Aber die Weltgemeinschaft nimmt das nicht wahr", sagt Illia Djadi. Der Afrika-Experte des Hilfswerks "Open Doors" spricht im Interview mit der Deutschen Welle von tagtäglichem Leid: "Es gibt in Nigeria Regionen, bei denen ist der Weg zum Gottesdienst in der Kirche wie ein One-Way-Ticket." Djadi zeigt sich besonders besorgt über die Lage in Nigeria und in der Demokratischen Republik Kongo. Die blutige Gewalt, die häufig von Islamisten ausgehe, greife aber auch auf Regionen in benachbarten Staaten über, berichtet er.

Im neuen "Weltverfolgungsindex" von "Open Doors" erreicht das Ausmaß der Gewalt gegen Christen nach Angaben des Hilfswerks einen neuen Höchststand. Zwar ist die Gesamtzahl der Christen, die wegen ihres Glaubens intensiver Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt seien, mit 360 Millionen ähnlich hoch wie 2022.

Ein Mann mit kurzen Haaren und Brille steht auf einer Wiese vor Sträuchern und Bäumen und schaut ernst in die Kamera
Illia Djadi von der christlichen Hilfsorganisation "Open Doors" in LondonBild: privat

Jedoch lege die Gewalt an Härte zu. So wurden laut "Open Doors" zwischen dem 1. Oktober 2021 und dem 30. September 2022 mindestens 5621 Christinnen und Christen ermordet; das seien gut 80 Prozent mehr als vor fünf Jahren (3066). Im Berichtszeitraum wurden allein in Nigeria 4726 Entführungen von Christen gemeldet; im Vorjahr seien mindestens 2510 Christen betroffen gewesen.

Bombenanschlag auf Gottesdienst

"Seit Jahren nimmt die Verfolgung an Intensität zu", sagt Markus Rode, der Leiter von "Open Doors" in Deutschland. Von den zehn Ländern weltweit, in denen die Christenverfolgung am schlimmsten ausgeprägt ist, liegen fünf (2022: vier) in Afrika. Besonders in Nigeria und anderen Ländern südlich der Sahara verzeichnete das Hilfswerk eine erhebliche Zunahme der gewaltsamen Vorfälle.

Blick auf umgeworfene Bänke, Stühle und zerstörte Zeltdächer
Bei einem Anschlag auf eine Kirche im Kongo Mitte Januar wurden etliche Menschen getötetBild: Zanem Nety Zaidi/Xinhua/IMAGO

Allein am vergangenen Wochenende wurden zwei tödliche Anschläge bekannt. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo wurden mindestens 17 Menschen bei einem Bombenanschlag auf einen Gottesdienst in einer Kirche der Pfingstbewegung getötet, Dutzende weitere verletzt. Und im Norden Nigerias brannten unbekannte Täter ein Pfarrhaus ab, in dem der Ortspfarrer sich vor ihnen verbarrikadiert hatte - er starb in den Flammen.

Auch moderate Muslime Opfer der Terroristen

Illia Djadi verweist auf Anhänger einer islamistischen Ideologie, die von Nigeria aus ein islamisches Kalifat errichten wollten. "Deshalb sind die Christen das Hauptziel. Die Dschihadisten wollen, dass sie konvertieren." Aber Djadi erläutert, auch moderate Muslime, die sich nicht der radikalen Haltung der Dschihadisten beugen wollten, würden zum Opfer der Terroristen. Häufig griffen diese auch Schulen an, weil Bildung ihr Feindbild sei.

Blick in einen Gottesdienstraum mit Scherben und teilweise zerstörter Einrichtung
Eine Kirche in Owo, Nigeria, nach einem Anschlag im Juni 2022Bild: Rahaman A Yusuf/AP/picture alliance

"Open Doors", das sich als Hilfswerk für verfolgte Christen bezeichnet, beklagt die geringe internationale Aufmerksamkeit für das Leid der Christen in Subsahara-Afrika. Djadi sagt, es habe jeweils eine hohe Mobilisierung der Staatengemeinschaft und internationaler Koalitionen gegeben, als es um Afghanistan ging oder um den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Nahen Osten. Diese Aufmerksamkeit fehle den Christen, die in Afrika unter wachsendem Druck von Islamisten zu leiden hätten. Dabei gelte die Verfolgung nicht einzelnen Bekenntnissen, Katholiken oder Pfingstlern, sondern allen Christen.

Für Djadi ist es von herausragender Bedeutung, dass Papst Franziskus Ende Januar zu einer Afrika-Reise aufbrechen will, die ihn in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan führt. "Diese Reise wird die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf das Leid afrikanischer Christen lenken", hofft Djadi. Damit werde diese weltweit vernachlässigte Krise endlich wahrgenommen.

Beim "Weltverfolgungsindex", den "Open Doors" nun zum 30. Mal veröffentlicht, sind viele Positionen ähnlich besetzt wie in den vergangenen Jahren. So gehören Nordkorea, Somalia, Jemen und Libyen zu den Ländern mit besonders schlechter Lage für Christen. Im Irak hat sich die Lage gebessert, eines von wenigen Ländern mit einem deutlichen Unterschied gegenüber 2022.

Sorgen in Lateinamerika

Zwei Details im Bericht fallen auf: So vermerkt "Open Doors" mit Blick auf Lateinamerika deutliche Verschlechterungen der Lage von Christen in mehreren Ländern. Nicaragua taucht zum ersten Mal überhaupt in der Liste von 50 Ländern auf. Um den gesellschaftlichen Einfluss der Kirche zu schwächen, würden dort Kirchengebäude angegriffen und christliche Sender geschlossen.

Zwei Uniformierte stehen auf der Straße an einem Polizeifahrzeug. Im Hintergrund sitzt ein Mann mit gesenktem Kopf
Polizisten vor der Kathedrale: In Nicaragua steht die Kirche immer stärker unter staatlichem DruckBild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Neben Nicaragua seien auch in Kuba und Venezuela Kirchen-Repräsentanten immer stärker von Repressionen durch staatliche Stellen betroffen.

Beim Blick auf China erwähnt "Open Doors" nicht nur die üblichen Schikanen für das Leben der Gemeinden im Alltag, sondern warnt auch vor einem neuen Vorgehen auf Ebene der internationalen Politik. Derzeit treibe China die Bildung einer internationalen Allianz zur "Neugestaltung" der Menschenrechte voran: Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit zählten dann nicht mehr dazu.