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Politik

Der kranke Mann in Amerika

Marko Langer mit afp, ap, dpa
4. Oktober 2020

Zwei Fahnen stehen hinter dem US-Präsidenten, der vor allem eines zeigen will: Hier bin ich, im Besitz meiner Kräfte und fähig, das Amt auszuüben. Doch wie krank ist Donald Trump wirklich?

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USA Präsident Trump im Walter Reed Hospital
Bild: Joyce N. Boghosia/The White House/Reuters

Donald Trump, US-Präsident und gegenwärtig Patient im Walter Reed Medical Center in Bethesda bei Washington, war wohl nicht glücklich über die Art, wie die amerikanischen Medien am Samstag über seinen Gesundheitszustand berichteten. Zwar hatte sein Leibarzt nichts als positive Verlautbarungen vor der Presse verbreitet, aber dennoch war gleich wieder von einem kritischen Verlauf die Rede. Da hatte jemand geplaudert, über den noch zu sprechen sein wird. Der Patient Trump jedenfalls zog sich ein blaues Sakko an, ließ aber den Hemdkragen offen - so bekommt man besser Luft, mit und ohne Corona. Dann setzte er sich vor zwei Flaggen und versicherte der Nation, dass es ihm gut gehe.

Es ist längst die große Stunde der Spin-Doktoren, guten Quellen und Trump-Deuter. Interessant an dem vier Minuten und zwei Sekunden langen Video ist unter anderem, wie dankbar sich Trump für die gute Behandlung zeigt. Und dass er nicht ein einziges Mal das Wort "Fake News" in den Mund nimmt. Das hätte man erwarten können angesichts der vielen Meldungen und Spekulationen, die von der offiziellen Sprachregelung abwichen.

Unglaubliche Fortschritte

Denn: Die Verfassung des US-Präsidenten nach seiner Corona-Infektion gab mehr Anlass zur Sorge , als offiziell bekannt gegeben wurde. Trumps Stabschef Mark Meadows sagte dem Sender Fox News, die Ärzte seien angesichts eines Abfalls des Sauerstoffgehalts im Blut zunächst "sehr besorgt" über den Gesundheitszustand des 74-Jährigen gewesen. "Seit gestern morgen hat er unglaubliche Fortschritte gemacht, als einige von uns, der Arzt und ich, sehr besorgt waren", fügte Meadows hinzu. "Gestern Morgen waren wir wirklich besorgt ... Er hatte Fieber und sein Sauerstoffgehalt im Blut sank schnell." Allerdings sei die Situation nie so gewesen, dass an eine Übertragung der Amtsgeschäfte gedacht worden sei, dieses Risiko habe nicht bestanden.

Die Quelle? Stabschef Mark Meadows
Die Quelle? Stabschef Mark MeadowsBild: Ken Cedeno/Reuters

Stabschef Meadows sollte sich vielleicht schon einmal Gedanken über seine berufliche Zukunft machen. Denn damit ist er wohl der Mann, der geplaudert hatte. Zuvor war in den Berichten von "New York Times", dem Sender ABC und eigentlich allen Nachrichtenagenturen von einer namentlich nicht genannten Quelle die Rede, die mit den Worten zitiert wurde, dass die Werte des Präsidenten "in den vergangenen 24 Stunden sehr besorgniserregend" gewesen seien: "Die nächsten 48 Stunden werden entscheidend für seine Behandlung sein."

Die Ärzte beim ersten Bulletin am Samstagmorgen
Die Ärzte beim ersten Bulletin am SamstagmorgenBild: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Und auch Trumps Leibarzt Dr. Sean Conley stellte die Dinge abends anders dar als in den frühen Morgenstunden. Da war er noch, in Begleitung von neun weiteren Medizinern und Pflegekräften, vor die Tür des Militärkrankenhauses getreten und hatte erklärt, dem Präsidenten gehe es sehr gut. Er habe kein Fieber mehr und auch eine Beatmung sei nicht notwendig gewesen. Als der Tag zu Ende ging, klang das bei Conley so: "Auch wenn er noch nicht über den Berg ist, bleibt das Team vorsichtig optimistisch."

Keine andere Wahl?

Wie passt das alles zusammen? In Agenturberichten ist zu lesen, wie verärgert Trump über die Aussagen seines Stabschefs war, so dass er seinen langjährigen Vertrauten Rudy Giuliani eine Presseerklärung aufsetzen ließ, der zufolge es ihm gut gehe. Als Beleg dafür habe er auch das Video angeordnet, sagte ein Republikaner, der dem Weißen Haus nahesteht, der aber nicht namentlich genannt werden will.

In dem Video verteidigte Trump seine Entscheidung, trotz der Pandemie weiter Wahlkampf mit großen Menschenansammlungen zu betreiben. "Ich hatte keine andere Wahl. Ich musste vorne mit dabei sein." Der Präsident ist - wie gesagt - 74 Jahre alt und übergewichtig. Damit hat er ein höheres Risiko für einen schweren Corona-Krankheitsverlauf.

Dass Leibarzt Conley verriet, Trump habe erstmals am Donnerstagnachmittag "klinische Anzeichen" einer COVID-19-Erkrankung gezeigt, also früher als bisher bekannt, trug auch nicht gerade zur Beruhigung bei. Das Weiße Haus bemühte sich derweil, die Kontakte des Präsidenten und der ebenfalls infizierten First Lady nachzuverfolgen. Das Augenmerk lag vor allem auf der Zeremonie im Rosengarten des Weißen Hauses am Samstag vergangener Woche anlässlich der Nominierung der Juristin Amy Coney Barrett für den Obersten Gerichtshof. An jenem Tag hatte Trump mehr als 150 Gäste in dem Außenbereich versammelt. Viele standen dicht an dicht, herzten sich und begrüßten sich mit Handschlag. Die wenigsten trugen Masken. Es gab auch mehrere Empfänge im Weißen Haus, bei denen Bundesrichterin Barrett, deren Angehörige, Senatoren und andere zusammenstanden, wie Fotos vom Event belegen.

Superspreader-Event? Die Zeremonie im Rosengarten
Superspreader-Event? Die Zeremonie im RosengartenBild: Chip Somodevilla/Getty Images

Etliche der Teilnehmer sind nun positiv auf das Coronavirus getestet worden: New Jerseys Ex-Gouverneur Chris Christie, Trumps Beraterin Kellyanne Conway, der Präsident der katholischen Privatuniversität University of Notre Dame, und mit Mike Lee und Thom Thillis mindestens zwei republikanische Senatoren. Ebenfalls infiziert, aber nicht bei der Veranstaltung, waren Trumps Wahlkampfmanager Bill Stepien und die Vorsitzende der Republikanischen Partei, Ronna McDaniel. Positiv getestet wurde auch ein Assistent des Präsidenten, Nick Luna, der mit ihm in den vergangenen Tagen unterwegs gewesen war.

Donald Trump, der kranke Mann Amerikas, ist also bei weitem nicht allein.