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Terror 2.0

Mathias Boelinger27. Juni 2007

Mit Hilfe des Internets organisiert El-Kaida ihre Propaganda neu. Ein Netz von Diskussionsforen erleichtert die Kommunikation der Terroristen untereinander und die Anwerbung von Sympathisanten.

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Terrorgefahr aus dem Internet
Terrorgefahr aus dem Internet

"Terrornetzwerk" wird El-Kaida gerne genannt: keine Kaderorganisation mit einer straffen Führung, wie es beispielsweise die linksextreme RAF war, sondern ein loser Zusammenschluss eigenständiger Gruppen, verteilt über die ganze Welt. Gerade weil die Dschihad-Bewegung dezentral organisiert ist, bietet ihr das Internet Möglichkeiten, die für frühere terroristische Bewegungen undenkbar gewesen waren. Besonders für die Sympathisanten sei der Zugang wesentlich einfacher geworden, sagt Ulrich Schneckener, Terror-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP). "Man kann Fragen stellen, man kriegt Antworten. Früher war es für Terroristen sehr schwer, mit ihren Sympathisanten zu kommunizieren."

Foto und Audio-File von Osama bin Laden auf der Internetseite einer militanten Organisation
Und er lebt immer noch: Osama bin Laden tritt regelmäßig im Internet aufBild: AP

Seit etwas mehr als einem Jahr haben die Dschihadisten sich im Internet neu organisiert. Früher waren die verschiedenen Gruppen über eigene Homepages im Internet präsent, die dann gelegentlich von Hackern stillgelegt oder von den Behörden vom Netz genommen wurden. Heute nutzen die Gruppen vor allem interaktive Technologien, wie sie manchmal unter dem Stichwort Web 2.0 zusammengefasst werden.

Über Internetforen zum Terroristen

Gemeinsam betreiben die wichtigsten terroristischen Gruppen seit etwa anderthalb Jahren ein Netz von Internetforen, über das alle wichtigen Verlautbarungen kommuniziert werden. Der Vorteil: Besucher bekommen schnell einen Überblick über neue Entwicklungen, und weil die Foren ihre Inhalte gegenseitig austauschen, hätte es kaum eine Auswirkung, wenn man ein oder zwei solcher Foren vom Netz nehmen würde.

Ohnehin wäre das schwierig, denn die Terroristen achten natürlich sorgfältig darauf, Server in Ländern zu nutzen, in denen sie die Behörden nicht zu fürchten haben. Und die elektronischen Spuren, die zu den Hintermännern führen könnten, werden sorgfältig verwischt.

Die meisten Dschihad-Seiten haben sowohl offene Bereiche, in die Besucher Kommentare und Fragen einstellen können, als auch administrierte Bereiche, die für Mitteilungen der Dschihad-Führer reserviert sind. Kontrolliert werden diese Verlautbarungsforen von einer Instanz, die sich "Al Fajr" nennt – die "Morgenröte". Was genau sich hinter diesem Namen verbirgt, weiß man nicht. Geheimdienstler halten "Al-Fajr" aber für die zentrale Informationsagentur der Dschihad-Bewegung. „Wenn in diesen Foren Material auftaucht, das nicht dementiert wird, dann ist es wahrscheinlich, dass dieses Material authentisch ist“, erklärt der Bundesverfassungsschutz auf Nachfrage. Und weil das Material in diesen Foren aus mehreren verschiedenen Quellen stammt, erhalten Geheimdienste und Polizei hier auch Hinweise auf interne Debatten der Dschihadisten.

Trimediale Terroristen

Die wichtigsten Inhalte dieser Foren sind religiöse Rechtfertigungen des Terrors oder Strategiefragen. Etwa die Frage, ob man Zivilisten töten darf. Darüber hinaus findet man Bekennervideos oder Drohungen der bekannten Dschihad-Führer. Experten vermuten außerdem, dass die Terrornetze hier auch neue Mitglieder anwerben.

Arabische Internetseite der Terror-Organisation Ansar al-Sunna
Neuer Onlineauftritt: Terroristen finden sich via InternetBild: APTN
Und nicht zuletzt suchen die Terroristen den Kontakt zur Öffentlichkeit. Hier werden die Trophäen des Dschihads zur Schau gestellt: Videos in denen Anschläge dokumentiert oder Geiseln enthauptet werden. "Gerade diese Enthauptungsvideos machen deutlich, welchen Nutzen das Internet für Terroristen hat", sagt Ulrich Schneckener von der SWP. Kein Fernsehsender sei heute bereit, diese Videos zu zeigen. Doch über die Dschihad-Foren gelinge es den Radikalen, die Filme trotzdem in die Medienöffentlichkeit zu bringen. Denn sind sie erstmal im Internet aufgetaucht, berichten die Medien in aller Welt darüber.