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Musik

Teodor Currentzis digital

24. April 2020

Der griechisch-russische Stardirigent und sein Orchester "musicAeterna" suchen neue Wegen, um miteinander und dem Publikum in Kontakt zu bleiben. Das erste Projekt ist jetzt gestartet.

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Deutschland | Stardirigent | Teodor Currentzis
Bild: O. Runyova

"Einige von Euch haben schon gefragt: Warum schweigt musicAeterna? Wir wollten nur abwarten, damit unsere Stimme in dem Wirrwarr der neuen digitalen Realität nicht untergeht" - so kündigten Teodor Currentzis und sein Team den Start des neuen Online-Projekts "musicAeterna digital platform" an, der virtuellen Residenz dermusikalischen Currentzis-Familie für die Zeit von Corona und womöglich auch danach. Nach einigen Verzögerungen startete das Projekt am 23. April.

Dirigent Teodor Currentzis auf der Bühne
Vereint in der Musik: Für Teodor Currentzis ist sein Ensemble wie eine FamilieBild: A. Muravjeva

Trotz Corona Familie bleiben

Noch lange vor der Pandemie war Teodor Currentzis für ungewöhnliche Begegnungsformate bekannt, die die sonst ziemlich konservative Klassikwelt ordentlich durchmischten und dem griechischen Maestro mit russischem Pass den Ruf eines "Klassik-Rebells" einbrachten. Ob Mitternachtskonzerte oder Programmvorstellungen inclusive Parfüm-Präsentationen (Duftnote Weihrauch): auf das Besondere war bei Currentzis-Projekten immer Verlass.

Klassikrebell Teodor Currentzis

Aber Corona trifft auch Currentzis: Die Pandemie erwischte den Dirigenten und seine Musiker mitten in den Vorbereitungen auf die zentralen Projekte des Jahres. Der Zyklus aller Beethoven-Sinfonien sollte im März beim Beethovenfest in Bonn und im Wiener Konzerthaus aufgeführt werden, Gastspiele in Asien und Auftritte bei den Salzburger Festspielen sollten folgen.

Stattdessen sitzen die Musiker und Sänger - das Ensemble musicAeterna besteht aus einem Orchester und einem Chor - nun in der Selbstisolation in Petersburg und Moskau, Perm und Paris, Madrid und Berlin. Der Maestro selbst hat sich in sein Landhaus im russischen Kernland zurückgezogen.

"MusicAeterna digital platform" soll nun ein Instrument sein, trotz der pandemiebedingten Vereinsamung "Familie" zu bleiben - und schöpferisches Labor. "Wir arbeiten weiter, in unserer virtuellen Residenz suchen die Musiker nach einer neuen Sprache, neuen Ausdrucksmitteln. Und unser Publikum kann, wie früher, nicht nur Zeuge, sondern auch Beteiligter dieses Prozesses sein", so die Pressemitteilung.

Neben Mitschnitten von Konzerten, Opernaufführungen und Diskussionsrunden mit und um Currentzis und musicAeterna aus den letzten Jahren sollen hier alle 2 bis 3 Tage Live-Veranstaltungen stattfinden, in denen die isolierten Musikerinnen und Musiker Einblicke in ihr Leben ermöglichen, Konzerte aus ihren Wohnzimmern streamen und in einen Dialog untereinander und mit der digitalen Community kommen.

Aeterna-Grüße aus Berlin

Konstantin Manaev, angesagter Solo-Cellist und Vorspieler der Violoncello-Gruppe des Orchesters, zählt zu den aktiven Unterstützern des Projektes. Die Isolation teilt er in einer Berliner Hinterhofwohnung mit seiner Ehefrau, der Violinistin Julia Smirnova, auch sie eine musicAeterna-Musikerin. In den nächsten Tagen und Wochen hat er vor, Musik von in Berlin lebenden jungen Komponisten und Komponistinnen live aufzuführen und über die Plattform zu streamen.

Konstantin Manaev und Julia Smirnova
Musik geht überall: Julia Smirnova und Konstantin Manaev von musicAeterna in ihrer Wohnung in BerlinBild: Benjamin Kosick

Erste Erfahrungen in der digitalen Welt hat er bereits als Künstlerischer Leiter einer kleinen Konzertreihe in Fürstenwalde gesammelt: sein jüngstes Programm mit der Pianistin Danae Dörken wird dem Publikum via Youtube angeboten. Am 26. April dann spielen Manaev und Smirnova ihr erstes "Home concert". "Natürlich kann man einen Online-Auftritt mit einem realen nicht vergleichen", gibt Konstantin zu. "Auf der anderen Seite bringen genau Zeiten und Erfahrungen wie diese uns besonders nah zusammen. Ausgerechnet in diesem Wirrwarr lernen wir, die Stimmen der anderen zu erkennen, zuzuhören."

"Musik ist unser Heilmittel, das uns heutzutage ermöglicht, am Leben teilzunehmen", predigt auch Currentzis in einer Botschaft an seine Fans. "Musik ist nicht Konzertleben. Musik ist Hauptkommunikationsmittel. Über die Musik bleiben wir immer zusammen - auch in strengster Isolation, in der existentiellen Einsamkeit selbst."

Digi-Plattform von MusicAeterna
Coming soon: musicaeterna.world

Digital unterwegs

Momentan sind viele Orchester digital unterwegs und nützen diverse Plattformen, um den Kontakt zur Welt außerhalb der eigenen vier Wände nicht zu verlieren. So kommunizieren die Musikerinnen und Musiker der Metropolitan Opera, die von ihrem Brotgeber ohne Bezahlung freigestellt wurden, über die Seite des Orchesters: unter dem Hashtag "MusicConnectsUs" posten Mitglieder des Ensembles, angefangen mit Chefdirigent Yannick Nézet-Séguin, kleine Musikvideos. Ähnliches tun - in der Erwartung, dass sie von der digitalen wieder auf die reale Bühne zurückkehren können - auch die Rotterdamer Philharmoniker , während die Berliner Kollegen ihre Digital Concert Hall noch bis zum 30. April für alle kostenlos geöffnet haben.

Ziel war und bleibt dabei: in den Zeiten der Vereinsamung und des schwindenden gesellschaftlichen Raums eine neue Form des sozialen Beisammenseins zu etablieren. Denn, so Konstantin Manaev, "jetzt ist die ganze Welt um uns herum digital geworden. Aber wir sind nicht digital, sondern aus Fleisch und Blut. Der Virus vergeht - und wir bleiben. Und die Musik ist ewig." So lautet auch das Motto von musicAeterna: "musica aeterna est".