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Sylt – gerade auch im Winter

Gerd Schmitz

Winter auf der Nordsee-Insel – das heißt eisgraues Meer unter dunklem Himmel, raue Seeluft, starke Brandung, und vor allem: viel weniger Trubel als im Sommer.

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Das Luftbild vom August 1990 zeigt die nordfriesische Insel Sylt. Der Orkan am vergangenen Sonntag (30.01.2000) hat wieder einige Meter vom Sandgürtel der nördlichsten Insel Deutschlands abgetragen. dpa/lno (zu lno Thema des Tages vom 31.01.2000)
Deutschland Luftbild von SyltBild: picture-alliance/dpa

Sylt ist im Winter stiller, da findet die größte der nordfriesischen Inseln wieder zu sich selbst. Doch allein ist man auch jetzt nicht: Man trifft auf Zweitwohnungsbesitzer, Kurzurlauber, Ausflügler und Kurgäste. Die urgesunde Seeluft und die fein zerstäubten Aerosole an der Meeresbrandung schaffen dieses unverwechselbare Reizklima, das die Menschen selbst in der kalten Jahreszeit an die alles in allem 660 Kilometer lange Küstenlinie der deutschen Nordsee lockt.

Geburt des Tourismus

1842 ließ Dänenkönig Christian VIII. am Strand von Westerland fast alle Hüllen fallen und begab sich notdürftig bekleidet in die salzigen Fluten. Es gab damals weder Wirtshaus noch Hotel. Im Jahr 1855, Westerland war gerade Seebad geworden, musste ein gewisser Kammerjunker von Levetzow eine hölzerne Badekabine zimmern. Der Tourismus war geboren. 1923 wurde mit dem Bau des 11,7 Kilometer langen Hindenburgdamms begonnen. Heute leben in sieben Gemeinden mit zwölf Orten 21.500 Einwohner und 12.500 Zweitwohnungsbesitzer. Es gibt 50.000 Gästebetten, davon 70 Prozent in Ferienwohnungen. Pro Jahr kommen 600.000 Touristen, die Zahl der Übernachtungen liegt bei über fünf Millionen.

Spaziergänger am Nordseestrand auf Sylt im Winter (Foto: dpa)
Eigener Reiz: Strandspaziergang bei Sturm und RegenBild: dpa

Reich und schön

Die Stadt List liegt vor der dänischen Küste und ist Deutschlands nördlichster Vorposten. Das mondäne Kampen, wo Reetdächer bereits seit 1913 vorgeschrieben sind, war in den 1960er und 1970er Jahren bekannt als Ort der Reichen und Schönen, aber auch der Künstler und Literaten.

Westerland ist mit 9000 Einwohnern, 19.000 Gästebetten, Kurpromenade, Kursaal, Spielbank und einigen hässlichen Hochhäusern die einzige Stadt auf der Insel. Die schönen Stadtvillen und alten Friesenhäuser fielen in den 1950er und 1960er Jahren der Abrissbirne zum Opfer. Nur mit Mühe konnte damals der Bau eines 100 Meter hohen Apartment-Hauses mit 28 Stockwerken verhindert werden.

Sylt - Insel zwischen Wellen und Watt

Dorf der Kapitäne

Keitum ist unbestritten das schönste Dorf der Insel: Alte Friesenhäuser, geduckt mit Reetdach und nichts als Bäumen drum herum: Ulmen, Eschen, Eichen, Birken, Kastanien. Das Heimatmuseum stellt Inselnatur und Inselgeschichte anschaulich dar. In Keitum waren die Kapitäne zu Hause, die auf große Fahrt in alle Welt gingen. Sie verdienten gutes Geld und ließen sich prächtige Häuser bauen. Das Altfriesische Haus zeigt die Sylter Wohnkultur des 18. Jahrhunderts. Sehenswert ist auch die spätromanische Kirche St. Severin aus dem 13. Jahrhundert mit Türgriffen in Walform, einem romanischen Taufbecken, einer Renaissancekanzel und einem spätgotischen Schnitzaltar.

Nie weit vom Wasser

Warm verpackt genießt eine Frau am 19.11.2002 in Westerland auf der Nordseeinsel Sylt (Kreis Nordfriesland) den strahlenden Sonnenschein bei Temperaturen um drei Grad Celsius.
Sonnenbaden auf Sylt in WinterBild: dpa

Abseits vom Trubel liegt das ländlich geprägte Archsum, abgeschieden auch das Dorf Morsum mit der ältesten Kirche der Insel: Der gotländische Taufstein stammt aus dem 13. Jahrhundert. Rantum ist der kleinste Ort mit ganz vielen typischen Reetdachhäusern. Hier ist man nie weiter als 300 Meter vom Wasser entfernt. Den Weg durch ein schier endloses Dünengebiet nach Hörnum weist ein 35 Meter hoher Leuchtturm.

Wer im Winter bei einem steifen Nordwestwind am Wasser entlang spaziert, spürt den Salzgeschmack auf den Lippen, die prickelnde Frische auf der Haut und ein wohliges Gefühl, wenn er erst wieder in einer warmen Gaststube sitzt. Am besten schmeckt dann ein heißer Tee ganz nach typisch friesischer Art: mit knisterndem Kandis und eingeträufelter, nicht umgerührter Sahne.