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Literatur

Sven Regener: "Herr Lehmann"

Aygül Cizmecioglu spe
7. Oktober 2018

Eine Welt aus melancholischen Stadtneurotikern und Lebenskünstlern im Kreuzberg der 1980er Jahre. Sven Regener gelingt ein authentisches, amüsantes Stimmungsbild der Zeit. Die titelgebende Hauptfigur ist längst Kult. 

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Sven Regener
Bild: picture-alliance/dpa/F. May

Er ist wohl der sympathischste Schluffi der deutschen Gegenwartsliteratur. Gestatten, Herr Lehmann! Eigentlich Frank Lehmann, aber selbst seine Freunde überspringen den Vornamen. Keine Ambitionen, keine großen Ziele – dieser Mann hat es sich in seiner kleinen Berlin-Kreuzberger Welt gemütlich eingerichtet. 

"Man müsste positiver sein, irgendwie besser gelaunt, dachte Herr Lehmann."

Torkelnd durch die Nacht

Er schlurft mehr durch das Leben als es in die Hand zu nehmen. Am Abend steht er am Tresen einer ranzigen Eckkneipe, trinkt am Wochenende mal den einen berühmten Schnaps zu viel und schleppt sich am nächsten Morgen zum Katerfrühstück. 

"Herr Lehmann" von Sven Regener

"Was ist gegen eine Arbeit zu sagen, die darin besteht, den Leuten etwas zu bieten, was sie gern haben? Lebensinhalt! Vielleicht füllen wir ja den Lebensinhalt in die Leute rein, Mund auf, Lebensinhalt rein, fertig."

Just am 9. November 1989, am Tag der Berliner Maueröffnung, feiert dieser melancholische Stadtneurotiker seinen 30. Geburtstag. Aber der Mantel der Geschichte soll wehen, wo er will. Herr Lehmann hat andere Probleme. Zum Beispiel, wie er auf dem Nachhauseweg an einem hässlichen Kampfhund vorbeikommt, der ihn partout nicht vorbeilassen möchte. 

Es ist der Beginn einer fulminanten Reise durch die Nacht. Herr Lehmann füllt den Straßenköter mit Whiskey ab, beißt einen Kneipier in den Finger und verschlägt Busfahrern und Zollbeamten die Sprache. 

"Ich habe überhaupt keine Ahnung, wann das anfing mit der ganzen Scheiße. Das ist das Komische daran. Das ist wie mit dem Untergang des römischen Reiches, da weiß auch keiner, wann das eigentlich anfing."

Universum Kreuzberg

So kann nur einer schreiben, der dieses alternativ-schrullige "Universum Kreuzberg" in den Achtzigerjahren selbst von innen erlebt hat. So wie der Sänger und Texter der Band "Element of Crime", Autor Sven Regener. Er malt eine Welt aus, die aus Grautönen besteht, bewohnt von kauzigen Stehaufmännchen. 

Herr Lehmann Filmszene
Leander Haußmann verfilmte 2003 den KultromanBild: Delphi Filmverleih

Mit seinem nonchalant-schnodderigen Debütroman landete er 2001 einen literarischen Sommerhit. So schön konnte er also sein, der Weltschmerz im Zeitalter verkaterter Studienabbrecher. Auch wenn Herr Lehmann selbst miesepetrig durch diesen Roman schlurft. Der Leser hat am Ende ein Schmunzeln im Gesicht und dank der Lektüre ziemlich gute Laune. 

 

Sven Regener: "Herr Lehmann" (2001), Goldmann Verlag

Sven Regener wurde am Neujahrstag 1961 in Bremen geboren. Sein Debütroman "Herr Lehmann" verkaufte sich über eine Million Mal. Der in Berlin lebende Autor erhielt einen Preis, um sein Buch für ein Filmdrehbuch zu adaptieren. Der Film kam 2003 in die Kinos - mit reichlich Erfolg. Regener ist auch als Musiker bekannt, vor allem als Texter und Sänger der Band "Element of Crime", in der er auch Gitarre und Trompete spielt.