SPD will mit Hartz IV brechen
7. Dezember 2019In Berlin vortierten die rund 600 Delegierten des SPD-Parteitags einstimmig für das Konzept eines "neuen Sozialstaats". Dem mit langem Applaus bejubelten Beschluss zufolge soll die derzeitige Grundsicherung für Arbeitssuchende - Hartz IV - künftig in ein Bürgergeld mit weniger Sanktionsmöglichkeiten umgewandelt werden.
In einem ersten Schritt soll ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November umgesetzt werden, nach dem die Jobcenter die monatlichen Leistungen für Arbeitssuchende nicht stärker als um 30 Prozent kürzen dürfen. Monatelange Minderungen um 60 Prozent der Hartz-IV-Leistungen oder mehr sind demnach nicht mit dem Grundgesetz unvereinbar. Laut Bundesagentur für Arbeit betreffen Sanktionen rund acht Prozent der Hartz-IV-Bezieher.
Das neue Sozialstaatskonzept der SPD sieht eine Wahrung des "sozioökonomischen und soziokulturellen Existenzminiums" vor. Strengere Sanktionen für unter 25-Jährige und Kürzungen von Wohnkosten sollen abgeschafft werden. Bei Arbeitssuchenden, die aus dem Bezug von Arbeitslosengeld I kommen, sollen Vermögen und Wohnungsgröße zwei Jahre lang nicht überprüft werden. Wer Bürgergeld erhält, soll zudem ein Recht auf Förderung des Nachholens eines Berufsabschlusses bekommen.
Längeres Arbeitslosengeld, mobiles Arbeiten, höherer Mindestlohn
Mit der Forderung nach einem sogenannten Arbeitslosengeld Q greift die SPD zudem eine Idee aus dem Jahr 2017 wieder auf, mit der der damalige Kanzlerkandidat Martin Schulz Wahlkampf gemacht hatte: Bei einer Weiterbildungsmaßnahme kann Arbeitslosengeld verlängert werden - nun fordert die SPD maximal 36 Monate. Derzeit besteht ein Anspruch auf höchstens 24 Monate Arbeitslosengeld ab einem Alter von 58 Jahren. Auch in anderen Fällen will die SPD Arbeitslosen länger Arbeitslosengeld I gewähren. Für Leiharbeiter soll ein "Flexibilitätszuschlag" von 20 Prozent angestrebt werden.
Die Sozialdemokraten wollen außerdem den Mindestlohn perspektivisch auf 12 Euro anheben und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen einschränken. Künftig soll ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice gesetzlich verankert werden. Ferner soll es weitere Schritte in Richtung einer Kindergrundsicherung geben, in der bisherige Familienleistungen zusammengefasst werden.
hk/sti (dpa, rtr, afp)