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Politik

SIPRI: Ukraine-Krieg verändert globale Waffenströme

11. März 2024

Russland fällt als Exporteur zurück, Frankreich steigt auf, und die USA bauen ihre Führungsrolle weiter aus - so der jüngste Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts.

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Zwei Bomber und zwei Kampfflugzeuge fliegen in Formation
Militärübung in Japan: Zwei B-1B-Bomber der US-Luftwaffe werden von F-15-Kampfflugzeugen Japans begleitetBild: USAF/Planet Pix/ZUMA/picture alliance

Der Ukraine-Krieg wirkt sich deutlich auf den weltweiten Waffenhandel aus, und das in mehrfacher Hinsicht. Das Internationale Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI vergleicht den jüngsten Zeitraum von 2019 bis 2023 mit dem von 2014 bis 2018 und stellt eine Reihe von zum Teil dramatischen Veränderungen fest.

So ist das Volumen des weltweiten Waffenhandels gegenüber 2014-18 zwar um 3,3 Prozent zurückgegangen. Aber Europas Waffenimporte haben sich fast verdoppelt, überwiegend bedingt durch den Krieg in der Ukraine. Der Löwenanteil der Waffenlieferungen nach Europa, nämlich 55 Prozent, kam aus den USA. Das sind 20 Prozentpunkte mehr als im Zeitraum 2014-18, ein deutliches Zeichen, dass Europa noch abhängiger von den USA geworden ist.

USA bauen ihre Spitzenposition aus

Vor allem dank gestiegener Exporte nach Europa konnten die USA ihre weltweiten Rüstungsausfuhren um 17 Prozent steigern. Auch der Anteil der USA am internationalen Waffenhandel legte deutlich von 34 auf 42 Prozent zu. Weltweit belieferten die USA 107 Länder mit Rüstungsgütern, so viele wie in keinem vorangegangenen Fünfjahreszeitraum zuvor. Auch damit stehen sie einsam an der Spitze.

"Die USA haben ihre globale Rolle als Rüstungslieferant ausgebaut, und das ist ein wichtiger Aspekt ihrer Außenpolitik”, schreibt Mathew George von SIPRI und weist darauf hin, dass dies zu einem Zeitpunkt geschieht, „da die wirtschaftliche und geopolitische Dominanz der USA von einigen Schwellenländern herausgefordert wird".

2023 war die Ukraine weltweit größter Waffenimporteur

Kein Wunder, dass unter den europäischen Staaten gerade die Ukraine ihre Waffenimporte dramatisch gesteigert hat. Lag sie im Berichtszeitraum 2014-18 noch unter ferner liefen, auch weil sie selbst viele Waffen herstellte und daher kaum auf Importe angewiesen war, ist sie im Zeitraum 2019-23 (der russische Angriffskrieg begann 2022) zum viertgrößten Importeur weltweit nach Indien, Saudi-Arabien und Katar geworden. Eine Steigerung um rund 6600 Prozent.

Betrachtet man allein das Jahr 2023, dann war die Ukraine sogar der weltgrößte Waffenimporteur. Wobei der Begriff Importeur etwas irreführend ist, denn es handelt sich bei den Lieferungen an die Ukraine in erster Linie nicht um Verkäufe, sondern um geschenkte Rüstungsgüter.

Von Rauch eingehüllte Soldaten laden eine Haubitze
US-amerikanische M777-Haubitze in der Ukraine: die meisten Waffen wurden dem ukrainischen Militär kostenlos überlassenBild: AP Photo/Efrem Lukatsky/picture alliance

Die wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine waren im Zeitraum 2019-23 die USA mit einem Anteil von 39 Prozent, gefolgt von Deutschland (14 Prozent) und Polen (13 Prozent).

Russland fällt deutlich zurück

Die fünf wichtigsten Waffenexporteure weltweit waren, wie schon zuvor, die USA, Frankreich, Russland, China und Deutschland. Allerdings hat sich die Reihenfolge gegenüber 2014-18 geändert, und auch das hängt mit dem Ukraine-Krieg zusammen.

Denn Frankreich hat Russland als Nummer zwei abgelöst. Während die russischen Exporte deutlich um 53 Prozent zurückgingen, wuchsen die französischen um 47 Prozent. Auch die Zahl der Empfängerländer russischer Rüstungsgüter ging dramatisch zurück. Bezogen 2019 noch 31 Länder Waffen von Moskau, waren es 2023 nur noch zwölf, die mit Abstand wichtigsten Indien und China.

Diese beiden Länder sind denn auch diejenigen, die auch bei anderen Gütern, etwa bei Öl und Gas, keine Hemmungen hatten und haben, weiterhin Handel mit Russland zu treiben. "In anderen Fällen haben die USA und europäische Staaten Druck auf mögliche Käufer russischer Waffen ausgeübt", sagt Pieter Wezeman, einer der Autoren des Berichts, der DW. "Ein Beispiel ist Ägypten, das russische Kampfflugzeuge kaufen wollte und von den USA unter Druck gesetzt wurde, davon abzusehen, und das sich jetzt wegen Kampfflugzeugen an Frankreich wendet."

Frankreichs Strategie der Unabhängigkeit

Den französischen Aufstieg erklärt Pieter Wezeman so: "Frankreich verfolgt eine Politik strategischer Souveränität, das heißt, es will militärische Macht einsetzen, wann immer es will, ohne von den Waffen anderer Staaten abhängig zu sein. Dazu braucht es eine Rüstungsindustrie. Aber um sie aufrechtzuerhalten, braucht Frankreich Exporte, sonst wäre sie zu teuer."

Kampfflugzeug in der Luft
Das französische Kampfflugzeug Rafale verkauft sich vor allem in Asien gutBild: abaca/picture alliance

Vor allem in den vergangenen zehn Jahren war Frankreichs Rüstungsexportwirtschaft sehr erfolgreich. Besonders gut verkaufen sich das Kampfflugzeug Rafale, aber auch U-Boote und Fregatten von französischen Werften. Größter Kunde für die Rafale war Indien, das damit zweigleisig fährt: Es kauft sowohl von Russland als auch von westlichen Ländern.

Afrika importiert viel weniger Waffen als zuvor

Während Europa seine Waffenimporte nahezu verdoppelte, gingen diejenigen Afrikas um die Hälfte zurück. In allen anderen Regionen der Welt gab es nur geringe Verschiebungen. Der Rückgang in Afrika ist hauptsächlich auf deutlich geringere Importe in den beiden wichtigsten Importländern zurückzuführen: Algerien führte 77 Prozent weniger Rüstungsgüter ein, Marokko 46 Prozent.

Der wichtigste Rüstungslieferant Afrikas ist Russland, gefolgt von den USA und China. Afrika ist damit eine Region, die nach wie vor viele Waffen von Russland kauft und wo Russland seine militärische Position ausbaut.

Deutscher Exportschlager U-Boote

Deutschland steht auf der Liste der größten Exporteure unverändert an fünfter Stelle. Hauptabnehmerregion war der Nahe und Mittlere Osten. Deutschlands Rüstungsexporte gingen allerdings um 14 Prozent zurück. Der Rückgang sei aber relativ, meint Wezeman, weil die vorangegangene Fünfjahresperiode durch einige Großaufträge, vor allem U-Boote, außergewöhnlich erfolgreich ausfiel.

U-Boot auf der Helling, von Gerüsten umgeben, dahinter eine Werfthalle
U-Boot der Dolphin-Klasse für den Export in der Werft in KielBild: Matthias Hoenig/dpa/picture alliance

Das Einzeljahr 2023 falle für die deutsche Rüstungswirtschaft dagegen besonders gut aus. "Das hat natürlich mit der Waffenhilfe an die Ukraine zu tun", sagt Pieter Wezeman, "aber auch zum Beispiel mit der Lieferung von U-Booten an Singapur und von Fregatten und Korvetten an Israel und Ägypten."

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik