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Sahelzone: Deutschland will Engagement verstärken

4. Mai 2023

Die Bundeswehr wird sich zwar aus Mali zurückziehen. Doch das Ende des militärischen Einsatzes soll der Beginn einer größeren Entwicklungsstrategie für die ganze Sahelregion sein.

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Panzer und Soldat in Mali 2018 in beinahe schon Dunkelheit
Ein Bundeswehrsoldat in Mali im Jahr 2018Bild: Adrian Wyld/The Canadian Press/picture alliance

Im Mai 2024 endet der deutsche Bundeswehreinsatz in Mali – doch die Wirtschaftshilfen und Partnerprogramme in der Sahelzone sollen nicht nur weitergehen, sondern sogar ausgebaut werden. Das sieht die sogenannte Sahel-Plus-Initiative des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) vor, die das Ministerium kürzlich vorstellte. In einem Papier dazu heißt es, die Initiative "orientiert sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung". Demnach sollen mehr Partner aus unterschiedlichen Bereichen zusammengebracht werden. "Dabei sind wir erfolgreicher, wenn wir gemeinsam mit internationalen Partnern agieren als jeder für sich allein", sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze in einer Stellungnahme.

Deutschland ist seit langem ein wichtiger Akteur bei den Stabilisierungs- und Entwicklungsbemühungen in der überwiegend frankophonen Sahelregion. Die Hoffnung: Deutschland wird langfristig durch das verstärkte Engagement in einer Region, die es als zentral für die europäische Sicherheit einstuft, eine Führungsrolle als "Soft Power" übernehmen.

Mali Svenja Schulze im Minusma Camp in Gao
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (li) im Gespräch mit Landwirtinnen bei einem Besuch in Mali im AprilBild: Mey Dudin/epd

Als ein Ausdruck dieses Engagements wird sich Schulze laut BMZ für den Vorsitz der Sahel-Allianz bewerben, einer Kooperation zwischen Ländern der Sahelzone und westlichen Nationen und Organisationen. Die Allianz, die nach eigenen Angaben fast 1200 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 26,5 Milliarden Euro unterstützt, wird den Vorsitz bei einem Treffen im nächsten Monat in Mauretanien wählen.

Truppen raus, Hilfe bleibt bestehen

Die Plus-Initiative ist ein Zeichen der Bundesregierung, der Region weiterhin verbunden zu bleiben – trotz des Endes der UN-Friedensmission in Mali. Die Vereinten Nationen genehmigten den Einsatz, der verschiedenste Nationen umfasst, erstmals 2013 mit dem Ziel, den Weg für einen friedlichen und demokratischen Übergang der politischen Macht zu ebnen. Allerdings hat trotz der Präsenz von mehr als 12.000 Soldaten und einer separaten französischen Kampfmission die Gewalt durch Dschihadisten überhandgenommen. Durch einen Putsch im Jahr 2021 wurde eine Führung eingesetzt, die das UN-Mandat ablehnt.

Die neue Führung hat sich stattdessen Russland zugewandt und die paramilitärische Gruppe Wagner willkommen geheißen. Westliche Nationen werfen Wagner-Söldnern vor, die Sicherheit im Land zu untergraben und Zivilisten zu töten. Aus Russland und Mali heißt es aus offiziellen Stellen, die Wagner-Gruppe leistete ebenso Unterstützung, wie es die Vereinten Nationen getan hätten.

Die Unstimmigkeiten in Mali kochten noch einmal mehr hoch, als dass sie in einer Reihe mit dem überstürzten und gescheiterten Ende des Afghanistan-Einsatzes im Jahr 2021 stehen. Beide Ereignisse haben dazu geführt, dass militärische Einsätze Deutschlands einmal gründlich überdacht wurden.

Wohlstand einerseits, Sicherheit andererseits

Mit dem Abzug seines Truppenkontingents von bis zu 1100 Soldaten und Soldatinnen gibt Deutschland Mali so gut wie auf, behält aber eine Sicherheitspräsenz im benachbarten Niger bei. Anders als in Mali ist die nigrische Regierung nach offiziellen Angaben weiterhin offen für eine Zusammenarbeit mit deutschen und anderen internationalen Akteuren. Im April reisten Verteidigungsminister Boris Pistorius und Entwicklungsministerin Schulze gemeinsam in die Region.

Terror im Sahel - Kampf gegen die Dschihadisten

Die Sahelzone und ihre Nachbarländer sind nicht nur eine der ärmsten Regionen Afrikas, sondern auch eine der jüngsten. Zwei Drittel der Bevölkerung sind nach Angaben der Vereinten Nationen unter 25 Jahre alt. Aus Deutschland heißt es von offizieller Seite mit Berufung auf UN-Berichte, extremistische Gruppen würden das Vakuum füllen, das fehlende Arbeitsplätze und wirtschaftliche Möglichkeiten geschaffen hätten. Junge Menschen, insbesondere junge Männer, würden weniger aus ideologischen als aus praktischen Gründen in eine Gewaltspirale hereingezogen. Sie müssten schlicht ihren Lebensunterhalt verdienen.

"Das BMZ stärkt dort die wirtschaftlichen Perspektiven und die Widerstandskraft der Bevölkerung gegen Krisen - durch neue Jobmöglichkeiten etwa in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, beim Pflanzenschutz, im Bauhandwerk oder beim Aufbau von Infrastruktur wie Wasserpumpen", heißt es im Papier zur Sahel-Plus-Initiative.

Gefahr von vielen Seiten 

Die "Plus"-Initiative betrachtet den Extremismus und die ihm zugrunde liegenden wirtschaftlichen Ursachen als eine regionale Bedrohung, die über ein Land hinausgeht, und versucht, seiner Ausbreitung einen Schritt voraus zu sein. Die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene entspricht den langjährigen Forderungen von Menschen vor Ort.

"Die Krise in der Sahelzone kommt in die Küstenländer", sagte Robert Dussey, Außenminister von Togo, auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. "Wenn man zum Beispiel auch nur eine Minute lang denkt, man könnte uns bei der Lösung der Sicherheitsfrage in der Sahelzone allein lassen, wäre das ein Fehler für alle."

MSC - Münchener Sicherheitskonferez |  Prof. Robert Dussey
Togos Außenminister Robert Dussey auf der Münchner SicherheitskonferenzBild: DW

Viele Menschen sind vor den Unsicherheiten in der Region geflohen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk zählte im Jahr 2022 fast drei Millionen Vertriebene und rechnet in diesem Jahr mit einer ähnlich hohen Zahl, angesichts des komplexen Zusammenspiels von Konflikten, Klimawandel, Ernährungsunsicherheit und dem weit verbreiteten Mangel an sozioökonomischen Möglichkeiten.

Diese Wechselwirkung verbindet die Sahelzone auch mit Deutschland und Europa im weiteren Sinne. Während die meisten Vertriebenen in der Region bleiben, machen sich einige auf die gefährliche Reise durch Nordafrika, über das Mittelmeer und nach Europa. Allein im Jahr 2022 starben mehr als 2400 Menschen bei der Überfahrt auf dem Meer - eine Zahl, bei der auch die Internationale Organisation für Migration davon ausgeht, dass sich eine große Dunkelziffer dahinter verbirgt.

Terrorismus und Flüchtlinge üben Druck auf die Innenpolitik aus und schüren fremdenfeindliche Gegenreaktionen. Die "Plus"-Initiative ist ein Versuch, beides zu bekämpfen - in der Hoffnung, dass die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Region die politischen Spannungen außerhalb der Region dämpfen können.