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Reise

Reisejahr 2022: Vorsichtige Zuversicht

Felix Schlagwein
29. Dezember 2021

Viele würden gerne jetzt ihren Jahresurlaub buchen. Doch die Omikron-Variante verunsichert Reisewillige. Die Tourismusbranche gibt sich dennoch zuversichtlich.

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Zwei Strandliegen unter einem Sonnenschirm auf einem Strand mit Blick auf das Meer l Mexiko, Tulum
Ein Blick in die Zukunft - wie könnte das Reisejahr 2022 werden?Bild: blickwinkel/McPHOTO/picture alliance

Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als ginge es wieder bergauf für die Reisebranche. Der Sommer verlief trotz Corona vielerorts gut. Und auch die Skiorte bereiteten sich auf eine reibungslose Saison vor, nachdem sie etwa in Österreich im ersten Pandemiewinter komplett ausfallen musste. Doch dann schossen die Corona-Infektionszahlen wieder in die Höhe, erreichten auch in Deutschland Rekordwerte. Und nun ist auch noch die Omikron-Variante des Coronavirus auf dem Vormarsch. 

Viele Länder fahren deshalb ihre Öffnung wieder zurück. So lässt etwa Israel keine Touristen mehr ins Land, Großbritannien wurde von Deutschland als Virusvariantengebiet eingestuft und die Niederlande bleiben noch bis Mitte Januar im landesweiten Lockdown. Auch die EU reagiert auf die Omikron-Variante. Ohne Booster sind Impfzertifikate für Reisen durch die EU ab 1. Februar 2022 neun Monate nach der Grundimmunisierung ungültig.

Urlauber sind verunsichert und buchen kurzfristiger

Viele, die normalerweise jetzt zur Hauptbuchungszeit eine Reise geplant hätten, lassen deshalb lieber erst einmal die Finger von einer Buchung. Ein Trend, der sich wohl durch das gesamte Jahr ziehen wird. "Wir werden beim Reisen sicherlich weiterhin ein hohes Maß an Flexibilität und Spontanität an den Tag legen müssen", sagt Tourismusforscher Markus Pillmayer von der Hochschule München im DW-Gespräch.

Menschen mit Koffern an der St. Pancras Station in London
Die Reisevorschriften in der Pandemie ändern sich ständig - viele Urlauber buchen deshalb lieber spontanBild: Joshua Bratt/PA Wire/picture alliance

Das setzt der ohnehin angeschlagenen Tourismusbranche zu. Ein weiteres Jahr drohen massive Umsatzeinbußen. Fragt man beim Deutschen Reiseverband (DRV) nach, wie die Branche auf das kommende Jahr blickt, bekommt man die Antwort "verhalten optimistisch". Gegenüber dem ersten Pandemiejahr habe man 2021 zwar eine "deutliche Belebung" gesehen, sagt DRV-Sprecher Torsten Schäfer gegenüber der DW. Doch die Ausbreitung der Omikron-Variante verunsichere viele Reisewillige und führe vermehrt auch zur Zurückhaltung bei den Buchungen für 2022.

Wer einen Urlaub bucht, tut das deshalb immer kurzfristiger. Das bestätigt auch Deutschlands größter Reiseveranstalter TUI. Man gehe trotzdem davon aus, dass man für den Sommer 2022 "ein weitgehend normalisiertes Buchungsniveau" erreichen werde. Gefragt seien bereits die traditionell beliebten Urlaubsziele im Mittelmeer-Raum, etwa die Balearen, Griechenland und die Türkei. Auch Österreich, die Schweiz und Italien seien weiterhin beliebt, so TUI.

Blick auf den Strand von Arenal auf Mallorca
Die spanische Balearen-Insel Mallorca ist bei deutschen Urlaubern besonders beliebtBild: Clara Morgais/picture alliance/dpa

Und auch das Reisen in Deutschland wird wie schon in den vergangenen beiden Jahren eine große Rolle spielen. "Der Urlaub zu Hause hat eine regelrechte Renaissance erlebt", sagt Tourismusforscher Pillmayer. Seiner Einschätzung nach ein Trend, der bleiben wird. Trotzdem kämpfe auch die heimische Tourismusindustrie weiterhin mit kurzfristigen Verordnungen und Entscheidungen der Politik. "Die Rahmenbedingungen sind für die Branche weiterhin katastrophal", so Pillmayer.

Fernreisen weiterhin schwierig

Wer weiter weg will, stößt oft auf noch größere Hürden. Viele Länder halten weiterhin an Einreisebeschränkungen fest, verschärfen sie wegen Omikron sogar, so zum Beispiel Thailand. Das Land hatte erst Anfang November seine Grenzen für Urlauber aus dem Ausland geöffnet, jetzt müssen Touristen wieder in Quarantäne. Auch Australien, Neuseeland oder Israel lassen keine Urlauber einreisen. Andere beliebte Ziele wie die USA oder die Malediven hingegen sind wieder geöffnet. Um in dieser unübersichtlichen Lage auf der sicheren Seite zu sein, buchen Urlauber seit Beginn der Pandemie vermehrt Pauschalreisen und bei Reisebüros. Große Reiseveranstalter wie TUI bieten zudem flexible Stornierungsbedingungen an und übernehmen teilweise anfallende Kosten für die Quarantäne am Urlaubsort.

Blick auf Phuket in Thailand
Wer nach Thailand möchte, muss wieder in QuarantäneBild: Fokke Baarssen/Zoonar/picture alliance

Welche Urlaubsländer überhaupt das Vertrauen der Reisenden gewinnen können, werde auch darauf ankommen, wie die Regierung und die Tourismusindustrie vor Ort mit Omikron umgehen, sagt Tourismusforscher Pillmayer. Immer wichtiger wird auch der Impfstatus der Urlauber selbst. Länder wie Costa Rica und die USA lassen nur vollständig Geimpfte ins Land, auf den Kapverdischen Inseln etwa gilt 2G plus. Auch wer auf eine Kreuzfahrt will, muss bei den meisten Anbietern vollständig geimpft sein. Selbst wer innerhalb Deutschlands verreisen will, wird wohl um eine Impfung nicht herumkommen. Fast überall im Land gilt bereits 2G oder ähnliche Auflagen. Zum 28. Dezember wurden die Regeln zudem weiter verschärft. So dürfen sich zum Beispiel nur noch zehn Menschen privat treffen. Eine mögliche allgemeine Impfpflicht ist auch in Diskussion.

Der Tourismusbranche fehlt Personal

Inwiefern sich die Tourismusbranche hierzulande wieder auf volle Hotels und Restaurants überhaupt vorbereitet, bleibt indes fraglich. Denn viele Mitarbeiter haben ihr mittlerweile den Rücken gekehrt, sind etwa in den Einzelhandel oder die Automobilindustrie gewechselt. Die Lage ist laut Tourismusforscher Pillmayer dramatisch: "Wir sprechen nicht mehr nur von Fachkräftemangel, sondern generell von Mitarbeitermangel".

Eine Rezeptionistin im Parkhotel Bad Schandau bedient zwei Gäste, die Mundschutz tragen
Wegen der Pandemie verlassen viele Mitarbeiter die TourismusbrancheBild: Sebastian Kahnert/picture alliance/dpa

In einer aktuellen Umfrage des DRV gaben zwei Drittel der Reiseveranstalter und 50 Prozent der Reisebüros an, in der Pandemie Mitarbeiter verloren zu haben, weil diese sich entschieden hätten zu gehen. 60 Prozent der Befragten hätten zudem Probleme, offene Stellen neu zu besetzen. Ersatz zu finden sei schwierig, sagt Pillmayer, auch weil die Branche durch mediale Berichterstattung und politische Entscheidungen einen Imageschaden erlitten habe. Neue Arbeitskräfte werde man nur mit höheren Gehältern locken können, so der Tourismusforscher – Urlaub wird also voraussichtlich teurer werden. Auch Anwerbekampagnen seien notwendig. "Man wird weltweit suchen müssen – und tut das auch schon – noch mehr als bereits vor der Pandemie", so Pillmayer.