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Mit Rammstein in die Beauty-Klinik

7. April 2022

Mit ihrer neuen Single "Zick Zack" rechnen Rammstein mit dem Beauty-Wahn ab. Was so manche "Schönheits"-OPs mit Gesichtern anrichten können, zeigen die Musiker in ihrem Video.

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Deutschland Wacken | Konzert Rammstein | Till Lindemann
Beim Wort "Beauty-Klinik" denkt man jetzt nicht unbedingt sofort an ihn: Till LindemannBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Rammstein und Schönheit - das sind erstmal zwei Begriffe, die nicht ganz zusammenpassen. Die Band fällt eher durch martialisches Auftreten, Feuer, Rauch und grimmig geschminkte Gesichter auf als durch geschniegeltes Aussehen. Auch wenn die sechs Bandmitglieder schon mal Anzug tragen - ihren Gesichtern sieht man die Jahre an, immerhin sind fast alle Mitte bis Ende 50. Bisher schienen die Musiker nicht mit ihrem Alter zu hadern. Das ändert sich jetzt. Wie viele andere Persönlichkeiten - von Filmstars bis B- und C-Promis - begeben sie sich unter das Messer eines Schönheitschirurgen.

Ein Aprilscherz und jede Menge Botox

Nun, nicht ganz. Die Operateure heißen in diesem Falle eher Photoshop und Instagram; hier postete die Band im Vorfeld der Veröffentlichung von "Zick Zack" Bilder der Musiker, deren Gesichter durch OPs und jede Menge Botox verunstaltet sind.

Screenshot Instagram | Rammstein-Musiker in sechs Porträts, auf denen sie durch Verfremdung aussehen wie nach missglückten Beauty-OPs.
Gesichts-OP per Photoshop: Die Musiker von RammsteinBild: rammsteinofficial/instagram

Das Ganze begann mit einem Aprilscherz - am 1. April verkündete die Band ihr neuestes Projekt: Die "Zick Zack Beauty Klinik" in Berlin. Der Gag war schnell durchschaut, die Klinik gibt es natürlich nicht, wohl aber die dazu gelieferte Telefonnummer. Wer die anrief, bekam einen Vorgeschmack auf die neue Single "Zick Zack" - eine Abrechnung mit dem Schönheitswahn.

Im Text wird ohne Beschönigungen geschildert, was Männer wie Frauen bei Beauty-OPs alles mit sich machen lassen. Appetitlich ist das nicht gerade, wenn etwa "Sondermüll in Lippen gespritzt" wird. Alles nur um den Preis der ewigen Jugend? Das das nicht funktioniert, ist im dazugehörigen Video zu sehen, wo sich das durch Botox entstellte Gesicht von Till Lindemann plötzlich verselbständigt. Zu Zeilen wie "Zick Zack - schneid das ab! Tick Tack - du bist alt, deine Zeit läuft langsam ab" gibt es die wohlbekannten harten Gitarrenbretter, noch härtere Drums und die knackigen Keyboards, dazu Till Lindemanns einzigartigen Sprechgesang. 

Dass bei allzu häufigen Besuchen in der Beauty-Klinik auch Gesichter nahezu entmenschlicht werden, zeigen die Instagram-Bilder der Band - sie kommen einem irgendwie bekannt vor; derartige Bilder begegnen einem oft beim Blick in die Klatschpresse. Rammstein-Bassist Oliver Riedel hat eine frappierende Ähnlichkeit mit dem mehrfach operierten deutschen Designer Harald Glööckler, der sich selbst durch seine OPs zur Kunstfigur gemacht hat.

Harald Glööckler zeigt seine lackierten Fingernägel und große Ringe.
Der Designer Harald Glööckler Bild: Eventpress Golejewski/Eventpress/picture alliance

Gesellschaftskritik als Provokation

Wie so oft setzen sich Rammstein hier mit einem Gesellschaftsthema auf ihre ganz eigene provokante Art und Weise auseinander. Als 2019 die Single "Deutschland" erschien, war das Aufsehen groß. In einem Teaser-Video stehen Rammstein-Frontmann Till Lindemann und drei seiner Bandmitglieder nebeneinander aufgereiht an einem Galgen, jeder mit einem Strick um den Hals und in gestreifte Sträflingskluft gekleidet, einer trägt den gelben "Judenstern". Es ist klar: Die Szene stellt eine Exekutionsszene in einem NS-Konzentrationslager dar. Damit war für viele die Grenze der Kunstfreiheit und des Geschmacks überschritten.

Als das komplette Video erschienen war und klar wurde, dass es sich bei dieser Szene um die Darstellung einer von vielen Episoden aus der deutschen Geschichte handelte, beschäftigten sich auch Forschende mit dem Lied und seiner Bedeutung. Der deutsche Medienwissenschaftler Joachim Trebbe sagte damals im DW-Interview, "Deutschland" sei "ein Lied über das zwiespältige Verhältnis zu einem Deutschland, in dem die Leute leben, die darüber singen. Und darüber, was dieses Deutschland in seiner bisherigen geschichtlichen Entwicklung so angestellt hat." Dabei finde allerdings keine Verherrlichung oder kein Missbrauch von irgendwelchen Symbolen statt.

Rammstein ohne Zündstoff wäre nicht Rammstein

Die ganze Bandgeschichte durchzieht ein quasi blutroter Faden: Es geht immer um die Abgründe der menschlichen Seele, des menschliches Daseins. Sex, Gewalt, Wahnsinn, Angst und Tod sind die Themen - und allein der Bandname erinnert an ein furchtbares Unglück: Im August 1988 stießen bei einer Flugschau auf der US-Militärbasis Ramstein zwei Flugzeuge zusammen, 35 Menschen starben in den Flammen, weitere 35 starben an den Folgen ihrer schweren Brandverletzungen im Krankenhaus. 

Ein Song auf der ersten Rammstein-Platte "Herzeleid" hat folgenden Text: "Rammstein - Ein Mensch brennt. Rammstein - Fleischgeruch liegt in der Luft. Rammstein - Ein Kind stirbt. Rammstein - Die Sonne scheint. Rammstein - Ein Flammenmeer." Auf Konzerten zündete sich Till Lindemann im Asbestmantel während des Songs an.

Till Lindemann mit brennenden Ärmeln auf der Bühne.
Till Lindemann in FlammenBild: Hubert Boesl/dpa/picture-alliance

Gleiche Platte, noch mehr Tabuthemen: "Weißes Fleisch" thematisiert Pädophilie, in "Heirate mich" gräbt ein Nekrophiler die Leiche seiner Frau aus, um mit ihr Sex zu haben. Im Refrain heißt es "Hei-hei-heirate mich", was auch gerne als "Heil!"-Rufe interpretiert wurde - die Band hatte nicht zuletzt auch durch den teutonischen Gesang von Till Lindemann mit rollendem R schnell den Ruf als Nazi-Kapelle weg.

Rammstein ist keine Nazi-Band

In nunmehr 28 Jahren Bandgeschichte konnten Rammstein diesen Vorwurf weitgehend beiseite räumen. Doch vielen Kritikern stoßen die immer noch krassen Tabubrüche der Band und auch des Sängers Till Lindemann auf Solopfaden übel auf.

Davon lassen sich die Berliner nicht beeindrucken. Sie machen ihr Ding, denn so wie sie sind, werden sie von ihren Millionen Fans auf der ganzen Welt gemocht. Selbst wenn sie leisere Töne anschlagen, wie in dem zuletzt erschienenen Song "Zeit" (März 2022), haben sie ihre Faszination nicht verloren. Und so funktionieren die Werbekampagnen für neue Alben und Singles jedes Mal aufs Neue hervorragend. So auch gerade wieder geschehen im Zuge der Promotion für das neue Album, das am 29. April erscheinen wird.

Trackliste per Geocaching

Die Band hatte ein kleines Video gepostet, in dem es hieß, elf "Zeit"-Kapseln seien rund um den Globus versteckt. Auf der Rammstein-Webseite gab es die Koordinaten - und weltweit machten sich Rammstein-Fans mit GPS-Geräten auf die Suche. Tatsächlich konnte man von Australien bis Finnland, von Mexiko bis ins ostdeutsche Brandenburg unter den entsprechenden Koordinaten eine Box mit einem QR-Code finden, der dann einen der Songtitel enthüllte.

Wie so oft spielen Rammstein - oder besser deren PR-Agentur - mit den Fans, machen es unglaublich spannend und interessant - und letztendlich - so hat es bei den letzten sieben Studioalben wunderbar geklappt - werden die Fans auch mit diesem neuen, dem achten Album belohnt werden. So versprechen zumindest die Titel: Wo Rammstein draufsteht, ist auch Rammstein drin: "Armee der Tristen", "Schwarz", "Giftig", "Meine Tränen", "Angst", "Lügen" - und neben "Zeit" auch "Zick Zack".

Von der Live-Tauglichkeit können sich die Fans in Europa und Nordamerika ab Mitte Mai überzeugen. Dann gehen Rammstein endlich mit zweijähriger Verspätung auf ihre große Stadion-Tour. Sie wurde wegen der Corona-Pandemie zweimal verschoben - so hatte die Band viel Zeit für das neue Album. Die Europa-Tour beginnt am 15. Mai in Prag und endet am 4. August im belgischen Ostende. Einige Europa-Konzerte sind noch nicht ganz ausverkauft, und jüngst hat die Band mitgeteilt, dass es ein Zusatzkonzert im schwedischen Göteborg geben wird. Ab 21. August tourt die Band von Kanada bis Mexiko durch den amerikanischen Kontinent.

Am Tag der Singleveröffentlichung (7.4.2022) wurde der Artikel aktualisiert.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online