1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Putins Lieblingsshow

Mikhail Bushuev17. April 2014

"The same procedure as every year" - jedes Jahr gibt der russische Präsident eine Art Pressekonferenz fürs Volk. Diesmal drehte sich alles um die Krim und die Ukraine.

https://p.dw.com/p/1BkR4
Wladimir Putins TV Auftritt am 17.04.2014 (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters/Alexei Nikolskyi/RIA Novosti

Was ist die populärste Polit-TV-Show im russischen Fernsehen? So gefragt, wird man grübeln müssen, denn Polittalks sind nicht gerade ein Renner im russischen Fernsehen. Aber es gibt offensichtlich eine Ausnahme: die alljährliche Frage-Antwort-Runde des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Es ist ein Format, das man in Deutschland nicht kennt, eine Pressekonferenz, zu der das "einfache Volk" aus der Provinz zugeschaltet wird.

Liveschaltung aus Sewastopol auf der Krim und Fragen an Wladimir Putin (Foto: EPA/ANTON PEDKO)
In einer Liveschaltung stellten auch Menschen aus Sewastopol auf der Krim Fragen an Wladimir PutinBild: picture-alliance/dpa

Leute stellen per Telefon, SMS, TV-Liveschaltung und dieses Jahr auch per Videonachrichten ihre moderat kritischen Fragen, berichten über ihre Sorgen oder versichern dem Präsidenten ihre Zustimmung. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass Themen und Fragesteller sorgsam ausgewählt werden. Alles nach Geschmack des Präsidenten, um ihm eine bessere Gelegenheit zu geben, sich während des langen Fragemarathons mal als Vater der Nation, mal als Technokraten, der alle Gaspreise aus dem Effeff kennt, mal als Denker und Privatperson zu inszenieren.

Effektive Staatshilfe wird inszeniert

Ganz offensichtlich mag Wladimir Putin solche Shows: seit 2001 gibt es sie regelmäßig. Nur einmal pausierte er, 2012, um dann im nächsten Jahr Rekorde zu brechen: Fast fünf Stunden saß Putin im TV-Studio, mehr als drei Millionen Fragen gingen ein. Fast 40 Prozent aller TV-Zuschauer in Russland haben im vergangenen Jahr die von der Opposition als "Dauerwerbesendung" kritisierte One-Man-Show gesehen. Ein Event der Superlative also, was die staatlichen russischen Medien jedes Mal gerne betonen. Ein russischer Journalist witzelte darüber, bald würde man Putins Fragemarathons mit römischen Ziffern bezeichnen, wie früher die Parteitage der Kommunistischen Partei der UdSSR.

Aber bei seinem 12. Fragemarathon am 17. April 2014 konnte Putin keinen seiner Rekorde wiederholen: "lediglich" drei Stunden und 55 Minuten stand er den Zuschauern zur Verfügung, gerade mal auf 70 Fragen konnte er in dieser Zeit antworten.

"Wladimir Wladimirowitsch, könnten Sie beschließen, dass unsere Siedlung einen Gasanschluss bekommt", fragte eine Frau aus einer Siedlung im Fernen Osten in die Kamera, die wie hunderte andere Opfer des Jahrhunderthochwassers im Herbst 2013 geworden ist. Die Bitte dieser Frau leitete Putin direkt an seinen Vertreter im Fernen Osten, im selben TV-Studio sitzend, weiter. Solche Episoden sind das typische Muster aller Fragestunden: Inszenierungen einer unmittelbaren effektiven Staatshilfe für die einfachen Menschen.

Die Ukraine im Mittelpunkt

Der "direkte Draht zu Wladimir Putin" am 17. April 2014 war ähnlich - aber doch anders, als die in den Jahren davor. Denn diesmal waren Szenen wie mit der Frau und dem Gasanschluss nicht oft zu sehen. Alles drehte sich um die Krim und die Lage in der Ostukraine. Und bei diesen Themen inszenierte man nicht, Putin redete einfach.

Aufrufe an die prorussischen Uniformierten, die Besetzungen von Gebäuden dort zu beenden und die Waffen niederzulegen, fand Putin "richtig und gut". Im Gegenzug erwartet der russische Präsident aber, dass die Einheiten der "nicht legitimen Regierung in Kiew" ihre Waffen auch niederlegen.

Die Anti-Terror-Operation der ukrainischen Regierung gegen prorussische Aktivisten quittierte er mit der Frage: "Sind die dort jetzt völlig bescheuert geworden?" Die Machthaber in Kiew hätten kein "gesamtnationales Mandat", um zur Gewalt zu greifen. Der russische Präsident schloss eine direkte Intervention in der Ostukraine nicht aus, sagte aber, er hoffe, nicht von seinem "Recht" zur Entsendung der Armee Gebrauch machen zu müssen, das er sich vom russischen Föderationsrat geholt hatte.

Forderung, Drohung und Eingeständnis

Russische Soldaten bei der Übernahme einer ukrainischen Militärbasis in Belbek bei Sewastopol (Foto: REUTERS/Shamil Zhumatov)
Russische Soldaten bei der Übernahme einer ukrainischen Militärbasis in Belbek bei SewastopolBild: Reuters

Im Fernsehen forderte Putin erneut Garantien zum Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine. Mit diesen Menschen im Osten und Süden des Landes, die eigene Interessen hätten, müsse ein "echter Dialog" aufgenommen werden. Indirekt drohte Putin, die für den 25. Mai angesetzte Präsidentenwahl in der Ukraine nicht anzuerkennen, sollte sich die Lage nicht bessern.

Nach der Annexion der Krim durch Russland ging Putin sogar so weit, sich selbst zu korrigieren. Entgegen früherer Behauptungen gab er erstmals offen zu, dass russische Soldaten doch "hinter den Bürgerwehren der Krim standen und ihre Arbeit höflich, aber entschieden durchgeführt haben". Gemeint war das Referendum über die Abspaltung der Krim von der Ukraine.