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Propaganda-Hit: I love Belarus

10. Mai 2011

Das Lied "I love Belarus" geht für den Eurovision Song Contest 2011 für Weißrussland ins Rennen. Die Hymne von Anastasiya Vinnikova klingt wie zynische Propaganda für ein Land, in dem es nicht viel zu lachen gibt.

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Anastasiya Vinnikova. Photograph: Alain Douit (EBU)
"Ich liebe Belarus"Bild: Alain Douit/EBU

"Ich liebe Belarus, habe es tief in mir. Ich liebe Belarus, fühle es in meinem Kopf", singt die dunkelhaarige Anastasiya Vinnikova und lächelt breit in die Kamera. Natürlich liebe ich auch mein Land – mit dem Herzen, nicht mit dem Kopf wohlgemerkt. Doch offensichtlich haben Anastasia Vinnikova und ich zwei unterschiedliche Belarus' vor Augen. Ich komme nämlich auch aus Weißrussland und finde es unangebracht, das Land so naiv und hymnnisch zu besingen, in dem aktuell so viele schlimme Dinge passieren.

"Der Himmel ist blau. Ich schreibe ein neues Lied, um zu sagen, dass ich frei, freundlich und jung bin", singt Vinnikova und reckt dabei die Faust in die Höhe. Die Journalisten der kritischen Zeitungen, die die Regierung schließen will, fühlen sich allerdings unfrei. Genauso wie die Menschen, die nach den Wahlen im Dezember 2010 protestiert haben. Bei den derzeit stattfinden Schauprozessen drohen ihnen mehrere Jahre Haft. Und die Belarussen, die Schlange stehen müssen, um Dollar oder Euro zu kaufen, weil der belarussische Rubel dramatisch an Wert verliert, haben nicht wirklich einen Grund "freundlich" zu bleiben.

Nachhilfeunterricht im Patriotismus

Anastasiya Vinnikova Photograph: Alain Douit (EBU)
Anastasiya VinnikovaBild: Alain Douit/EBU

"Geboren in Belarussland, in der Zeit der UdSSR, verrückt und so schön", so klang die erste Version des Lieds von Vinnikova. Während der Männerchor im Hintergrund sang, legte sie die Hand auf ihr Herz. Es sah so aus, als ob sie in Gedanken tatsächlich "back in the USSR" gereist war. Dabei wurde Vinnikova doch 1991 geboren und hat die Sowjet-Ära gar nicht mitbekommen. Doch anscheinend ist die Linguistik-Studentin aus Minsk ganz fleißig im Ideologie-Unterricht, der eine Pflichtveranstaltung an allen Hochschulen in Belarus ist.

"Europa, ich will, dass du es erfährst, bald beginnt die Show… Schläge meines Landes, fühle sie, entdecke sie." Diese Zeilen bekamen eine ganz andere Bedeutung, als belarussische Blogger sie mit den Bildern der Protestunterdrückungen vom Dezember 2010 illustriert haben. Am Ende musste der Autor den Text ändern. Nun heißt der Song "I love Belarus". Das ist purer Zynismus.

Platz vier im Google-Ranking

Ich solle mir das nicht zu Herzen nehmen, sagen mir meine nicht-belarussischen Freunde. Manche finden das Lied gar nicht so schlecht. Zugegeben: Text und Beats - inspiriert von Dschingis Khan - bleiben lange im Gedächtnis. Dass es der Song auf Platz vier der Google-Abstimmung geschafft hat, wundert mich trotzdem. Vielleicht ist es doch nicht so schlimm, wenn er gewinnt. Denn dann sucht vielleicht der eine oder andere Europäer beim Googeln nach anderen belarussischen Sängern. Womöglich stößt er auf tolle Musikbands wie Krambambulya oder Lyapis Trubeckoi. Eine von diesen Bands würde ich viel lieber am 14. Mai auf der Bühne in Düsseldorf sehen. Doch sie stehen auf der "schwarzen Liste" der Künstler, die in Belarus verboten sind.

Autorin: Olga Kohl
Redaktion: Sabine Oelze