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Pragmatische Problemlösungen

Das Interview führte Pascal Pfitzenmaier23. Februar 2005

Politisches Tauwetter zwischen Washington und Berlin: Die USA und Deutschland brauchen einander wieder. Bei seinem Deutschland-Besuch will Bush gemeinsame Werte ansprechen. Amerika-Experte Knud Krakau im Interview.

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Demonstrative Einigkeit: Präsident Bush und Kanzler SchröderBild: AP

DW-WORLD: Nach fast drei Jahren besucht George W. Bush erstmals wieder die Bundesrepublik. Entdecken Bush und Schröder gerade die deutsch-amerikanischen Beziehungen neu? Welches sind die gemeinsamen politischen Ziele?

Knud Krakau: Neu zu entdecken brauchen Bush und Schröder die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht. Das Band oder das Geflecht der Beziehungen - im Bereich Wirtschaft, der Kultur, des Personenaustauschs - ist durch die politischen Irritationen gar nicht berührt gewesen. Politische Irritationen gab es über den Irak-Konflikt, gleichzeitig war und ist man sich der gemeinsamen Interessen in Hinblick auf den Nahen Osten bewusst - so wie jetzt beispielsweise beim Iran - und man ist bereit, sach-orientiert und unpolemisch zu handeln. Der Wille ist da, die Probleme pragmatisch zu lösen. Darum ist die Wiederanknüpfung an die Beziehungen EU - USA, USA und Deutschland ohne Schwierigkeiten möglich.

Am Wiederaufbau des Iraks beteiligt sich Deutschland mit der Ausbildung irakischer Polizisten. Den USA genügte dieses Engagement nicht. Nun preschen die EU-Außenminister vor und wollen eine EU-Mission im Irak beschließen - mit einem eigenen Verbindungsbüro im Land. Wird dies Bush genügen?

Sicherlich hätten die USA gerne eine größere militärische Unterstützung im Irak. Sie wissen aber, dass sie das nicht erreichen werden. Selbst die Polen ziehen Kräfte zurück, Spanien hat es bereits getan. Die USA machen sich dabei keine Illusionen, sie haben es sogar akzeptiert. Die Hoffnung liegt stattdessen auf einem Bereich, der immer wichtiger ist: der Infrastruktur. Europäern, die bisher ihre militärische Hilfe versagt haben, dürfte die Unterstützung dabei leichter fallen. Umso größer wird aber auch der Druck der USA sein. Zugleich haben aber auch die EU und Deutschland ein Interesse an der Befriedung des Iraks. Nicht nur, weil sich dort Öl befindet, sondern auch aus politischen und moralischen Gründen.

Könnten in der Frage nach dem Umgang mit dem Atomwaffenprogramm des Irans erneute Differenzen zwischen Berlin und Washington aufbrechen?

Die Differenzen liegen bereits auf dem Tisch. Die Europäer wollen mit dem Iran am Verhandlungstisch zu beidseitig akzeptablen Ergebnissen kommen. Das Problem besteht aber darin, dass die Europäer alleine zu schwach sind, um attraktive Angebote zu machen. Die USA stehen der Initiative der Europäer skeptisch gegenüber. Das derzeitige Dilemma besteht darin, dass die USA Europa nicht genügend unterstützen und Europa darum das Vertrauen des Irans verlieren könnte. Deutschland, England und Frankreich sollten ihre Initiativen auf Ebene der EU einbetten, um mehr Gewicht zu bekommen. Die USA sind jetzt gewillter, auf Europa zu hören als noch in der ersten Bush-Administration. Die USA zu einem echten Engagement zu bringen ist für den Erfolg der Verhandlungen entscheidend.

Belasten Schröders Forderungen nach einer Reform der NATO die deutsch-amerikanischen Beziehungen?

Nein, ich denke nicht. Schröders Vorstoß in München war kein ausbuchstabierter Reformplan für die NATO. Es war nur der Anstoß, über eine mögliche Reform nachzudenken. Die Vorschläge Schröders besitzen einen vernünftigen Kern, nur ungeschickt vorgetragen und verpackt, da sie nicht mit den europäischen Partnern und den USA abgesprochen waren. Bush, so deutet es sich an, ist bereit zuzuhören. Dies ist eine positive Entwicklung, die ideologischen Verhärtungen zwischen den USA und Europa aufzubrechen. Das Interesse Schröders, diese Diskussion anzustoßen ist, zugleich an Profil und Gewicht zu gewinnen. Auch im Hinblick auf Deutschlands Bestrebungen um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Könnte Bush ein Interesse daran haben, dass Deutschland -wie von der Bundesregierung angestrebt - im Sicherheitsrat vertreten ist?

Wenn die USA ein Interesse haben, dann haben sie es bisher nicht sehr deutlich gezeigt. Die Antwort ist Ja und Nein: Als Mittelmacht besitzt Deutschland Gewicht und Ansehen in der Welt. Wenn die Beziehungen USA - Europa und Deutschland sich wieder einpendeln, kann Deutschland im Sicherheitsrat eine Rolle spielen. Aber eine privilegierte Stellung wie die der USA mit Vetorecht halte ich für ausgeschlossen. Nach einem Vetorecht zu streben, halte ich darüber hinaus für überflüssig, naiv und schädlich. Dies würde nur Irritationen schaffen.

Bush wird in Mainz mit Bürgern über die Grundlagen der transatlantischen Beziehungen sprechen. Welche Werte teilen Deutschland und die USA?

Inhaltlich wird auf diesem offenen Forum wohl das Ritual der gemeinsamen demokratischen, freiheitlichen und christlichen Werte vollführt werden. Aber es ist sicher gut, diese Werte immer wieder zu betonen. Es geht darum, das Porzellan zu kitten, das in den letzen Jahren angeschlagen war. Die USA glaubten, auf das alte Europa verzichten zu können, mussten dann aber sehen, dass sie die Europäer zum Wiederaufbau brauchen - deren Werte man im Großen teilt. Bush versucht, diese gemeinsamen Werte neu zu formulieren und damit um politische Unterstützung zu werben.

Ist es ein politisches Signal, dass Bush Mainz und nicht die Bundeshauptstadt Berlin besucht?

Vielleicht in dem Sinne, nicht auf der politischen Ebene mit der Bundesregierung in Berlin zu verhandeln, sondern der Gesellschaft in Deutschland die Hand zu reichen und zu demonstrieren: Wir sind eine transatlantische Wertegemeinschaft - unabhängig von der Regierungsebene, auf der die Irritationen stattgefunden haben. Insofern handelt es sich um eine Geste.

Dr. Knud Krakau ist Professor Emeritus für nordamerikanische Geschichte am John F. Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.