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"Unstimmigkeiten überwunden"

19. Februar 2005

George W. Bush kommt nach Europa - darüber führte die Deutsche Welle ein Gespräch mit dem Repräsentanten für gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik der EU, Javier Solana.

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Entspannungspolitik: Solana und RiceBild: AP

DEUTSCHE WELLE: Herr Solana, nächste Woche beginnt die Europareise des amerikanischen Präsidenten, George Bush. Welche Perspektiven sehen Sie für diesen Besuch? Wie werden die Europäer den amerikanischen Regierungschef empfangen?


Javier Solana: Ich schätze die Perspektive dieses Besuches hinsichtlich der Ergebnisse als gut ein. Ich glaube, das Klima und die Atmosphäre sind derzeit viel besser als noch vor ein paar Monaten oder Jahren. In den Jahren 2003 und 2004 gab es ein paar Unstimmigkeiten, im speziellen zum Thema Irak. Das haben wir überwunden. Deshalb halte ich den Europabesuch von George Bush und den vorherigen Besuch seiner Außenministerin als erste Reisen in dieser Amtszeit für eine positive Geste.

Zur Zeit gibt es eine Diskussion welche Rolle, die NATO bei den zukünftigen Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten spielen soll. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die auf eine Verbesserung der gemeinsamen Arbeitsperspektive abzielen. Wie sehen Sie diese Diskussion?

Ich glaube, dass alles, was auf eine erhöhte Effektivität der transatlantischen Beziehungen abzielt, gut ist. Jede Debatte in diese Richtung ist positiv. Ich glaube, dass sich in allen Köpfen die Überzeugung durchgesetzt hat, dass die transatlantischen Beziehungen nicht nur in der NATO, sondern auch in großem Maße in den Institutionen der EU stattfinden. Das kam beim mehrstündigen Besuch von Condoleezza Rice bei dieser Institution klar zum Ausdruck. Und nun kommt Präsident Bush, um sich mit den führenden Persönlichkeiten Europas über die zwischen der EU und der NATO bestehenden Probleme auszutauschen. Ich glaube, das ist gut so und bringt die Bedeutung der Europäischen Union in den transatlantischen Beziehungen und den beiderseitigen Wunsch einer Zusammenarbeit zwischen Europäern und Amerikanern zum Ausdruck.

Trotz aller Konflikte, die es heutzutage in der Welt gibt, gibt es auch bedeutende Fortschritte, zum Beispiel im Nahen Osten. Wie realistisch ist die Hoffnung auf Frieden zwischen Israelis und Palästinensern?

Ich bin seit vielen Jahren in den Friedensprozess im Nahen Osten involviert, aber erst heute bin ich voller Hoffnung und sehe größere Möglichkeiten. Es gibt einen Weg, den Israelis und Palästinenser gemeinsam beschreiten müssen, begleitet von ihren Freunden. Zu ihren Freunden zählen wir, die Europäer und auch die Amerikaner. Ich glaube, dass dieser Weg gangbar ist. Er bringt die Erfüllung des Traums vieler
Menschen, zwei Staaten zu haben, die in Frieden nebeneinander existieren können. Dieser Weg wird nicht leicht sein, es wird Höhen und Tiefen geben, gute und schlechte Zeiten. Am wichtigsten ist es, dass wir fähig sind, ihn mit Beharrlichkeit und gutem Willen weiterzugehen. Ich glaube, dass Präsident Abbas sehr gute Arbeit leistet, vom Wahlkampf bis zu den heutigen konkreten Aktionen. Auch Ministerpräsident Scharon trifft gute Entscheidungen, indem er die Kontrollen lockert, damit die Leute besser leben können, und indem er den Rückzug aus Gaza betreibt. Das soll im September stattfinden. Dann kann im Gazastreifen das Ende der Okkupation verkündet werden kann,
die 1975 begann. Aus diesen Gründen habe ich Hoffnung, aber ich bin mir auch der Anfälligkeit dieses Weges bewusst. Deshalb müssen wir die Augen offen halten und uns über unsere Verpflichtung im Klaren sein. Wir müssen beharrlich weiter Hilfe leisten, wie ich es vorhin schon gesagt habe, weil es eine Vielzahl von Schwierigkeiten geben wird.

Zu den anstehenden Problemen gehören Gewalt und Terrorismus. Was kann die Europäische Union tun, um Abbas dabei zu helfen, den Terrorismus zu beenden und um diesen friedlichen Weg zu unterstützen?

Das beste, was wir tun können, ist, ihm zu helfen, seine Polizeikräfte zu stärken und zu schulen. Und das tun wir gerade. Es gibt ein Team, das schon mit den palästinensischen Sicherheitsdiensten zusammenarbeitet, damit sie bestmöglich funktionieren. Das ist wichtig, aber noch wichtiger ist der politische Wille. Der politische Wille, die terroristischen Aktionen zu beenden. Präsident Abbas hat dazu klare Aussagen getroffen und eindeutig gehandelt. Das muss sowohl von der internationalen Gemeinschaft als auch von Israel anerkannt werden.

Die Hoffnung auf Frieden in dieser Region ist sehr groß. Kann man auch hoffen, dass die Verhandlungen der Europäischen Union mit dem Iran, die darauf abzielen, den Bau einer Atombombe zu verhindern, zu einem guten Ende führen?

In den letzten Monaten sind wir ziemlich gut vorangekommen. Der Iran hat ein Zusatzprotokoll unterschrieben, das es der Internationalen Atomenergiebehörde gestattet, Inspektoren ohne vorherige Ankündigung überall in das Land zu schicken. Das heißt, im Moment gibt es eine gewisse Kontrolle von Seiten der Atomenergiebehörde in Iran. Die Verhandlungen werden auf drei Ebenen gleichzeitig geführt: auf der nuklearen, der Rüstungsebene, der sicherheitspolitischen für den Iran und auf der Ebene der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Iran und der EU. Wir hoffen, dass wir da weiter vorankommen.

Bedeutet das, dass diese Themen auf bilateraler Ebene zwischen den Europäern und der iranischen Regierung entschieden werden oder bekommen die USA auch Zugang zu diesen Verhandlungen haben?

Ich glaube, dass die Vereinigten Staaten in diesem Moment nicht daran interessiert sind, in die Verhandlungen einzusteigen. Sie können diese von außen unterstützen. Wie Sie wissen, unterhalten die USA keine diplomatischen Beziehungen zum Iran. Aus diesem Grund ist es für sie schwieriger. In jedem Fall wird das Ergebnis dieses Prozesses, wenn er denn gut verläuft, in Wien sichtbar sein, bei der Atomenergiebehörde,deren Leitung - der Rat der Gouverneure, so nennt sich die Vertretung der vielen Länder, die die Gemeinschaft der Vereinten Nationen bildet

- das ratifizieren muss, was von beiden Seiten unterschrieben und rechtswirksam erarbeitet worden ist.

Kann man in Bezug auf diese und andere Themen sagen, dass es eine enge Beziehung, einen ständigen Dialog mit den USA gibt? Kann man davon ausgehen, dass es bei Themen wie diesem und auch anderen, wie zum Beispiel im Hinblick auf den Irak, einen flüssigeren Austausch zwischen Europa und den Vereinigten Staaten und konkretere
Vereinbarungen zur Umsetzung gemeinsamer politischer Strategien gibt?


Ich glaube ja. Das geht aus dem hervor, was ich über die Gespräche gesagt habe, die wir im letzten Monat abgehalten haben. Und ich hoffe, dass das auch klar aus dem Zusammentreffen von Präsident Bush mit den politischen Führungspersönlichkeiten der Europäischen Union hervorgehen wird.

Besteht auch die Hoffnung auf eine Vereinbarung zum Beispiel in Hinsicht auf das Thema China und die Möglichkeit, das Waffenverkaufsembargo aufzuheben? Glauben Sie, dass sich die Vereinigten Staaten und die Europäische Union auch bei dieser Frage
einigen können?


Alle Themen, die wir gerade behandeln, sind schwierige und delikate Themen. Dennoch glaube ich, dass wir doch zu Vereinbarungen kommen können. In Bezug auf China möchte ich betonen, dass es nicht darum geht, mehr Waffen an China zu verkaufen, sondern darum, eine Sanktion aufzuheben, die die EU gegen China während der Tiananmen-Krise verhängt hat. Seitdem sind viele Jahre vergangen und viele Dinge passiert. An der Spitze Chinas steht eine neue Generation, mit der wir gern neue Beziehungen beginnen möchten, ohne dass diese von Sanktionen überschattet werden. Aus diesem Grunde ist die Aufhebung des Waffenembargos eher eine politische als eine militärische Geste.

Das Gespräch führte Gonzalo Cáceres