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Regierung in der Krise

10. Juli 2007

Für den polnischen Regierungschef Jaroslaw Kaczynski wird es eng: Nach der Entlassung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Andrzej Lepper von der radikalen Bauernpartei ist seine Mehrheit im Parlament weg gebrochen.

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Kaczynski, Bild: AP
Jaroslaw Kaczynski verliert die MehrheitBild: AP

Das oppositionelle Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) im polnischen Parlament hat am Dienstag (10.7.) einen Antrag auf Auflösung des Parlaments gestellt. Die SLD reagierte damit auf die Regierungskrise, die am Montagabend mit der Entlassung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Andrzej Lepper eskaliert war.


Kaczynski sagte am Dienstag im polnischen Rundfunk, der Antrag der SLD werde die Neuwahlen nicht beschleunigen, da sie erst nach der parlamentarischen Sommerpause auf die Tagesordnung kämen. Der Regierungschef kündigte an, er wolle sich um eine Mehrheit im Parlament bemühen. Andernfalls seien Neuwahlen notwendig.

Ende der Regierungskoalition


Lepper hatte am Montagabend (10.7.) im polnischen Fernsehen erklärt, seine Entlassung bedeute das Ende der Regierungskoalition. Seine Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) wolle sehr schnell entscheiden, ob sie die Koalition mit Kaczynskis nationalkonservativer Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) beendet.

Präsident Lech Kaczynski hatte Andrzej Lepper auf Wunsch des Regierungschefs als Vize-Ministerpräsidenten und Landwirtschaftsminister entlassen. Als Grund für die Entscheidung gab die Regierung Erkenntnisse der Anti-Korruptionsbehörde an. Im Zusammenhang mit einer umfangreichen Bestechungsaffäre habe es zwei Festnahmen gegeben.

Entscheidung schon gefällt

Andrzej Lepper, entlassener polnischer Agrarminister
Musste gehen: Andrzej LepperBild: AP

Lepper sagte nach seiner Entlassung in einem Interview mit dem Fernsehsender TVN24, er könne sich keine andere Entscheidung vorstellen als die, dass seine Partei die Regierung verlassen werde. Der Samoobrona-Chef bestätigte eine Durchsuchung des Landwirtschaftsministeriums durch die Anti-Korruptionsbehörde und die Festnahme von zwei Menschen, unter ihnen einer seiner Mitarbeiter. Er selbst habe dem Ministerpräsidenten seinen Rücktritt angeboten, mit dem Hinweis, dass die Koalition damit beendet wäre."Aber offenbar war die Entscheidung über meine Entlassung bereits gefallen", sagte Lepper.

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Auf einer Pressekonferenz später am Abend gab Kaczynski die Entlassung eines weiteren Kabinettmitglieds bekannt. Es gebe Hinweise darauf, dass neben Lepper auch Sportminister Tomasz Lipiec in kriminelle Machenschaften verwickelt sei, sagte der Regierungschef. Lipiec ist Mitglied des anderen Koalitionspartners der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Zwillinge Jaroslaw und Lech Kaczynski, der ultrarechten Liga Polnischer Familien (LPR).

Rückkehr möglich

Sollte sich Lepper als unschuldig erweisen und seine Partei Samoobrona in der Regierungskoalition bleiben, könne Lepper aber in die Regierung zurückkehren. Ohne eine stabile Mehrheit für Kaczynski sind vorgezogene Neuwahlen womöglich bereits im Herbst der wahrscheinlichste Ausweg aus der Regierungskrise. Ohne eine Regierungsmehrheit seien vorgezogene Parlamentswahlen die einzige Lösung, sagte Kaczynski am Montagabend. Die Aggressivität der Opposition mache eine Minderheitsregierung unmöglich, erklärte er.

Derzeit verfügt Kaczynskis Regierungsbündnis über 224 von 460 Abgeordnetenmandaten, wird aber von einer Gruppe rechtskonservativer Abgeordneter unterstützt. Bei einem Ende der Koalition mit Samoobrona wäre die Regierung ohne die 46 Abgeordneten des bisherigen Partners allerdings weit von einer Mehrheit entfernt. (chr)