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Vor dem Bankrott

Justyna Bronska4. Dezember 2006

Nur noch Viertel der Polen steht der rechtspopulistischen Regierung positiv gegenüber. Welche Überlebenschancen hat die Koalition, die auch in Europa für Irritationen gesorgt hat?

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Präsident und Premier: Lech und Jaroslaw Kaczynski (v.l.)
Präsident und Premier: Lech und Jaroslaw Kaczynski (v.l.)Bild: AP

Kurze Zeit nach den Parlamentswahlen in Polen am 25. September 2005 wurde klar: Die Bildung einer Koalition zwischen den konservativen Wahlsiegern der "Recht und Gerechtigkeit", die rund 30 Prozent der Stimmen erhalten hatte, und der liberalen Partei "Bürgerplattform" würde trotz vorheriger Absprachen scheitern. Über ein halbes Jahr blieb daraufhin die konservative Partei in der Minderheitsregierung. Ab Mai bildete sich schließlich eine Koalition aus "Recht und Gerechtigkeit", der nationalistischen Partei "Liga der Polnischen Familien" und der rechtspopulistischen Bauernpartei "Samoobrona".

Vorbestrafter Minister

"Die Konservativen haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie mit den beiden Parteien ausschließlich aus dem Grund eine Koalition bildeten, um an der Macht bleiben zu können und zugleich die Stabilität der Regierung zu sichern", erklärt Marek Magierowski, Redakteur der größten polnischen Tageszeitung "Rzeczpospolita". So wurde der Vorsitzende der nationalistischen Familienpartei Roman Giertych zum stellvertretenden Regierungschef und zum Erziehungsminister ernannt.

Andrzej Lepper
Andrzej LepperBild: picture-alliance/ dpa

Der umstrittene rechtspopulistische Bauernchef Andrzej Lepper wurde ebenso stellvertretender Regierungschef. Der Populist übernahm außerdem den Posten des Landwirtschaftsministers. "Der Mann ist doch mehrmals vorbestraft. Er steht vor zahlreichen Gerichtsverfahren", sagt der Redakteur Magierowski. "Lepper ist der Inbegriff des Populismus. Er ist die schlimmste Verkörperung der polnischen Politik. So einer Person den Posten des Vize-Ministerpräsidenten zu geben, das sehe ich sehr negativ."

Nachverhandlung der Beitrittsverträge

Der Populist Lepper und der Nationalist Giertych gehören in Polen zu den stärksten EU-Gegnern. So forderte zum Beispiel die nationalistische Familienpartei eine Neuverhandlung des EU-Beitrittsvertrages. Zudem verlangte sie die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. "Die Konservativen, die Nationalen und die Rechtspopulisten befürworten dezidiert eine verstärkte Intervention des Staates in die Wirtschaft", erklärt Magierowski. "Alle drei Parteien sind entschiedene Gegner der Privatisierung."

Auch in der Bevölkerung stößt der radikale Regierungsstil der Koalition auf immer breitere Ablehnung. "Ich bin gegen diese Regierungskoalition. Vor allem die Familienliga und Samoobrona sehe ist sehr negativ. Ich finde diese Leute sind nicht fähig zu regieren", sagt einer. Ein anderer: "Ich wäre eher dafür, dass die Bürgerplattform Polen regiert. Diese Koalitionsregierung bremst nur die Wirtschaftsreformen in Polen." Ein dritter: " Sie wollen sich nicht außenpolitisch öffnen und sind zu wenig tolerant, zum Beispiel gegenüber Homosexuellen."

Nur noch ein Viertel der polnischen Bevölkerung steht der heutigen Koalitionsregierung positiv gegenüber. Die Politologin Jadwiga Staniszkis sieht keine Überlebenschancen für die heutige Koalitionsregierung. "Meiner Meinung nach wird die regierende Partei 'Recht und Gerechtigkeit' Anfang nächsten Jahres versuchen, doch eine Koalitionsregierung mit der Bürgerplattform zu bilden", sagt sie. "Es sind bereits heute einige Signale zu verzeichnen. Das ist die einzige Chance, große Reformen in Polen durchzuführen." Zugleich sieht sie darin die einzige Chance, Polen ein besseres Ansehen in Europa zu verschaffen.