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Piebalgs: "Entwicklungszusammenarbeit macht einen großen Unterschied"

Daniel Pelz13. November 2013

Afrika solle seine Erfolgsgeschichten stärker herausstellen, fordert der EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs im DW-Interview. Denn viele Europäer glaubten, Entwicklungshilfe sei ein "Tropfen auf den heißen Stein".

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EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs
Bild: JOHN THYS/AFP/GettyImages

DW: Herr Piebalgs, was muss die EU tun, besonders im Bereich der Entwicklungspolitik, um Flüchtlingskatastrophen wie jüngst im Mittelmeer vor Lampedusa in Zukunft zu verhindern?

Andris Piebalgs: Ich glaube, der beste Weg, um solche Tragödien zu verhindern ist, die Ursachen zu bekämpfen. Die meisten dieser Menschen fliehen entweder vor Unsicherheit - wie im Fall Syriens - oder vor extremer Armut. Wir versuchen, unsere Programme für Wachstum, Lebensmittelsicherheit und Ernährung neu auszurichten, so dass die Menschen mehr Zutrauen in die Zukunft in ihrem eigenen Land haben. Wenn wir das schaffen, dann wird es keine Boote mehr geben, die vor der Küste Lampedusas sinken. Das ist auf jeden Fall ein langfristiger Prozess, und es hängt auch davon ab, wie viel die EU und ihre Mitgliedstaaten weiter in die Entwicklungszusammenarbeit investieren, besonders in den ärmsten Ländern.

Glauben Sie, dass Staaten – gerade in der Zeit der Wirtschaftskrise – wirklich mehr Geld für Afrika ausgeben werden? Denn Experten sagen, dass erheblich mehr Geld benötigt wird.

Nein, dass glaube ich nicht wirklich. Ich bin hier ganz ehrlich. Denn auf der einen Seite sind sich die EU-Mitgliedstaaten zwar im Klaren über die Notwendigkeit zu helfen. Aber auf der anderen Seite haben sie den Eindruck, dass ihre Mittel ein Tropfen auf den heißen Stein sind, dass sie keinen großen Unterschied machen. Ich glaube, dass es das Wichtigste ist, Entwicklungserfolge herauszustellen. Ein aktuelles Beispiel ist Niger, wo die Kindersterblichkeit über die Hälfte zurückgegangen ist. Wir starten jetzt ein neues Programm mit unseren Partnerländern. Wir wollen sie dabei unterstützen, der Welt zu zeigen, dass das investierte Geld einen großen Unterschied macht.

Eine der Säulen der EU-Entwicklungszusammenarbeit ist gute Regierungsführung. Haben Sie den Eindruck, dass afrikanische Regierungen offen für das Thema Verbesserung ihrer eigenen Regierungsführung?

Ich denke, dass sind sie. Es ist offensichtlich, dass der Kontinent insgesamt Fortschritte macht. Wenn Sie auf den Ibrahim-Index [für gute Regierungsführung] schauen, sehen Sie, dass dieser Verbesserungen zeigt. Das ist eine deutliche Momentaufnahme Afrikas. Wir müssen nur die afrikanischen Länder weiter darin bestärken, mit unseren Partnern zusammenzuarbeiten.

Glauben Sie, dass die afrikanischen Länder die Botschaft von der guten Regierungsführung hören wollen? Es gibt ja noch China. China ist bereit, viel Geld bereitzustellen und in Länder zu investieren, auch wenn die sich nicht an die Standards zur guten Regierungsführung halten.

Wir sollten es nicht so darstellen, als ob chinesische Investitionen generell guter Regierungsführung entgegenstehen. Sie sind nicht von einem politischen Dialog begleitet über gute Regierungsführung oder über Menschenrechte, wie wir das tun. Aber wir sollten sie nicht als etwas betrachten, was sich gegen unsere Tätigkeit in Afrika richtet.

Ihre "Agenda für den Wandel" der EU-Entwicklungspolitik umfasst unter anderem die Notwendigkeit von mehr Einheitlichkeit, so dass andere EU-Politikbereiche den Zielen der Entwicklungspolitik nicht zuwider laufen. Welche Fortschritte haben Sie dabei gemacht, vor allem in den Bereichen Fischerei und Landwirtschaft?

Bei der Fischerei haben wir einen wesentlichen Wandel. Das wurde unter anderem deutlich durch die Abstimmung im Europaparlament über eine Fischerei-Partnerschaft mit Mauretanien. Was die Landwirtschaft betrifft, glaube ich, dass die EU Fortschritte macht.

Dennoch: Vertreter der Zivilgesellschaft nennen oft das Beispiel der Geflügel-Branche in Westafrika. Billige Hühnchen oder Hühnchenteile aus der EU werden immer noch dorthin exportiert und setzen die lokale Geflügel-Branche unter Druck. Wie wollen Sie so etwas in Zukunft verhindern?

Wir müssen die lokalen Landwirte unterstützen. Denn die Herausforderung ist, konkurrenzfähig zu sein, wenn man ein afrikanischer Kleinbauer ist. In der nächsten Haushaltsperiode wollen wir mehr als 3,5 Milliarden Euro in die afrikanische Landwirtschaft, in Lebensmittelsicherheit und Ernährung investieren – mit besonderem Schwerpunkt auf die Sahel-Zone. Ich bin dort gewesen und habe festgestellt, dass der Zugang zu Finanzmitteln absolut notwendig ist. Das Problem stellt sich nur dann, wenn man nicht konkurrenzfähig ist. Und um das zu schaffen, braucht man Zugang zu Kapital, zu Infrastruktur und so weiter. Deshalb liegt unser Schwerpunkt darauf, die Konkurrenzfähigkeit afrikanischer Bauern zu stärken. Dann erwarte ich, in Verbindung mit Handelsregelungen, dass wir kein Geflügel mehr aus der EU in Afrika finden werden – sondern im Gegenteil: Wir werden Geflügel aus Afrika auf den EU-Märkten haben.

Der lettische Diplomat und Politiker Andris Piebalgs ist seit 2010 EU-Kommissar für Entwicklung.

Das Interview führte Daniel Pelz