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Oslo bekommt Ärger Pekings zu spüren

12. Oktober 2010

Die chinesische Regierung zieht weitere Konsequenzen aus der Vergabe des Friedensnobelpreises an den Dissidenten Liu Xiaobo. Bereits vereinbarte Termine mit einer norwegischen Ministerin wurden storniert.

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Norwegische und chinesische Flagge mit einem Riss in der Mitte (Grafik: DW)
Das Verhältnis zwischen Norwegen und China ist gespanntBild: DW

Eigentlich sollte sich die norwegische Fischereiministerin, Lisbeth Berg-Hansen, am Mittwoch (13.10.2010) im Rahmen ihres derzeitigen China-Besuchs mit Vertretern der chinesischen Lebensmittelbehörde sowie mit dem Vize-Minister für Fischerei treffen. Doch jetzt wurden beide Gespräche von chinesischer Seite kurzfristig annuliert. Das teilte das norwegische Außenministerium mit. Berg-Hansen ist momentan in Shanghai, um die EXPO zu besuchen.

Schon bevor am vergangenen Freitag bekannt wurde, dass der inhaftierte chinesische Dissident Liu Xiaobo den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält, war die chinesische Führung deutlich geworden. Sie drohte offen mit Konsequenzen für die bilateralen Beziehungen zu Norwegen - sollte der als Staatsfeind Nummer eins angesehene Bürgerrechtler tatsächlich für sein Engagement ausgezeichnet werden. Jetzt lässt Peking Taten folgen.

Protest-Plakat für die Freilassung Liu Xiaobos in Hongkong (Foto: AP)
Protest-Plakat für die Freilassung Liu Xiaobos in HongkongBild: AP

Neue Vorwürfe

Zudem übte die chinesische Regierung erneut scharfe Kritik an der Entscheidung des Nobelkomitees. Die "Vergabe an einen verurteilten Verbrecher im Gefängnis" zeige Respektlosigleit gegenüber dem Rechtssystem in China, so der Außenministeriumssprecher Ma Zhaoxu. Politiker einiger Länder würden die Gelegenheit dazu nutzen, die Volksrepublik zu diskreditieren. "Es ist offensichtlich ein Fehler, wenn jemand versucht, auf diese Weise das politische System zu verändern und das chinesische Volk daran zu hindern, Fortschritte zu machen."

Auch die norwegische Regierung griff Ma direkt an und warf ihr vor, das Nobelkomitee in seiner Entscheidung unterstützt zu haben. Damit habe Oslo den Beziehungen beider Länder Schaden zugefügt. Das chinesische Volk habe "jeden Grund, unzufrieden zu sein", hieß es.

Offene Worte

Porträt von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (Foto: dpa)
Äußerte sich kritisch: Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP)Bild: picture-alliance/dpa

Wie sensibel das Thema Liu Xiaobo ist, bekam auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der gerade für zwei Tage Peking und Shanghai besucht, zu spüren. Bei seinen politischen Gesprächen mit chinesischen Regierungsvertretern sprach Brüderle am Dienstag die Vergabe des Friedensnobelpreises an den Dissidenten an. Er habe zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung und Bundespräsident Christian Wulff die Entscheidung begrüßt hätten, so Brüderle vor Journalisten. Über die Reaktion seiner Gesprächspartner hielt sich der Minister betont bedeckt, ließ aber durchscheinen, dass die chinesische Seite kritisch darauf reagiert habe. "Sie waren nicht der gleichen Überzeugung wie wir."

Eine Polizistin sperrt die Zufahrt zu dem Wohnhaus, in dem Liu Xia lebt (Foto: AP)
Eine Polizistin sperrt die Zufahrt zu dem Wohnhaus, in dem Liu Xia lebtBild: AP

Unterdessen wurde bekannt, dass nach dem Wunsch des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers dessen Frau die Auszeichnung an seiner Stelle entgegennehmen soll. "Xiaobo hat mir gesagt, dass er hofft, dass ich nach Norwegen fahren und den Preis für ihn empfangen kann", so Liu Xia. Die Chance, dass dieser Wunsch Wirklichkeit wird, schätzt sie aber eher gering ein. Es sei zweifelhaft, ob die chinesische Regierung sie ausreisen lassen würde, auch wenn man ihr die Reise bisher nicht ausdrücklich verboten habe. Liu Xia steht in ihrer Pekinger Wohnung weiter faktisch unter Hausarrest.

Autorin: Esther Broders (dpa, dapd, rtr)
Redaktion: Thomas Grimmer