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Politik

Scholz: "Wir brauchen eine neue Ostpolitik"

11. August 2021

Corona, Flüchtlinge, Umgang mit Russland - wie würde ein Bundeskanzler Olaf Scholz diese Themen nach der Bundestagswahl angehen? Die DW hat den SPD-Kanzlerkandidaten gefragt.

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DW Interview BTW Olaf Scholz SPD
Bild: Ronka Oberhammer/DW

Im Interview: Kanzlerkandidat Olaf Scholz

Seine Partei, die SPD, liegt in den Umfragen zur Bundestagswahl derzeit hinter CDU/CSU und den Grünen zwar nur auf Platz drei. Doch Spitzenkandidat Olaf Scholz gibt sich kämpferisch: "Ich will Kanzler werden, das ist es, worum es geht", sagt der Bundesfinanzminister und Vizekanzler im Interview mit DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge und Moderator Jafaar Abdul Karim- und bekräftigt seinen Führungsanspruch in der nächsten deutschen Regierung.

Dafür müsste der Aufwärtstrend bei der SPD in den wenigen Wochen bis zur Bundestagswahl am 26. September allerdings anhalten. Nur wenn die Sozialdemokraten die Grünen überholen, hätte Olaf Scholz einen Anspruch darauf, die Regierung zu bilden. "Wichtig ist, dass man dabei klare Prinzipien hat", sagt der SPD-Kanzlerkandidat. "Zu meinen zählt zum Beispiel, dass ich mich sehr bekenne zu Deutschlands Verantwortung im Rahmen der transatlantischen Partnerschaft der NATO."

Regieren mit der Linkspartei? Eher nicht

Das Bekenntnis zur NATO erwähnt Scholz nicht ohne Grund: Es schränkt die Möglichkeiten einer Regierungsbildung erheblich ein. Rein rechnerisch würde es nach den derzeitigen Umfragen für ein Links-Bündnis der SPD mit den Grünen und der Linkspartei reichen. Doch die Linke hält die NATO für einen Anachronismus und möchte sie abschaffen.

Infografik Deutschlandtrend Sonntagsfrage
Umfrage vom 5. August, seitdem hat die SPD weiter zugelegt

Wichtig bei allen Überlegungen zu möglichen Koalitionen ist für Scholz, dass für die SPD "keine Regierungsbildung mit Hilfe der AfD" in Frage kommt. "Zweitens glaube ich, dass wir es hinbekommen müssen, dass CDU und CSU sich einmal in der Opposition erholen."

Impfstoff weltweit verteilen

Auf die zukünftige Bundesregierung warten viele Probleme, allen voran der weitere Verlauf der Corona-Pandemie. 400 Milliarden Euro wird Deutschland bis Ende 2022 eingesetzt haben, um die wirtschaftlichen Schäden der Pandemie in Deutschland zu bekämpfen. Mit Erfolg, wie Scholz betont. "Wir sehen, dass wir jetzt einen guten Aufschwung haben."

Weniger gut sieht es in vielen anderen Ländern dieser Welt aus. Die Pandemie hat die soziale Ungleichheit dramatisch verschärft. Deutschland habe eine Verantwortung für die Welt und nehme diese auch wahr, betont Scholz. Produktionskapazitäten für Impfstoffe würden so ausgeweitet, "dass genügend Impfstoffe zur Verfügung stehen". Außerdem seien Milliarden für internationale Institutionen bereitgestellt worden, damit sie die ärmsten Länder bei der Impfstoff-Beschaffung unterstützen können. "Es fehlt nicht an der Bereitschaft, Geld zu geben."

Infografik Karte Covid-Impffortschritt in Afrika DE

Allerdings müsse dieses Geld "jetzt auch eingesetzt werden", um die Impfkampagne voranzutreiben. "Es muss jetzt organisiert werden von all denen, die da Verantwortung haben im internationalen Bereich und von den Ländern, um die es geht, dass die Impfstoffe auch zu den Bürgerinnen und Bürgern im globalen Süden kommen." Selbstverständlich ist das für Scholz nicht. "Ich mache mir gegenwärtig große Sorgen, dass das nicht so gut organisiert ist und nicht gelingt."  

Abschiebung für Straftäter

Eine weitere Herausforderung für die künftige Bundesregierung wird der Umgang mit Geflüchteten sein. Olaf Scholz hat dazu eine klare Meinung. "Es gibt klare gesetzliche Regeln, wer hier Schutz suchen kann, nämlich dann, wenn dazu ausreichend Gründe und Fluchtgründe vorliegen." Nicht jeder Flüchtende könne in Deutschland bleiben, das gelte vor allem für Straftäter. "Jemand, der schwere Straftaten verwirklicht, kann nicht darauf rechnen, dass er hierbleiben kann."

30.07.2019, Sachsen, Leipzig: Polizeibeamte begleiten einen Afghanen auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug. 45 abgelehnte Asylbewerber wurden mit dem Sonderflug in Afghanistans Hauptstadt Kabul abgeschoben.
Deutschland hat Abschiebeflüge nach Afghanistan ausgesetztBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Derzeit keine Rückführmöglichkeit sieht Scholz für die über 800.000 aus Syrien Geflüchteten. Mit Blick auf diese Gruppe sei es die "wichtigste Aufgabe", für Teilhabe in Deutschland zu sorgen. Jeder müsse eine gute Ausbildung bekommen, einen Beruf ergreifen können und alle anderen Möglichkeiten, um sich zu integrieren.

Perspektiven schaffen in Aufnahmeländern

Deutschland habe aber nicht nur im eigenen Land eine Verantwortung für Geflüchtete. "Aus meiner Sicht ist es so, dass wir eine Verantwortung haben auch für die Flüchtlinge, die anderswo in der Welt Schutz gefunden haben, oft übrigens Länder, die nicht so regiert werden, wie wir uns das in Deutschland vorstellen, aber die erst einmal Sicherheit und Schutz bieten."

In den Aufnahmeländern in Afrika, Asien und Südamerika müsse es Integrationsperspektiven für die Geflüchteten geben, bei deren Schaffung sich Deutschland "mitverantwortlich fühlen" müsse. "Wir können uns nicht immer darauf konzentrieren zu sagen, die Probleme werden nur dann akut, wenn jemand an der Tür hier anklopft." 

Neue Ostpolitik

Ebenfalls ein Thema im DW-Interview: Russland. Welche politische Haltung würde ein Bundeskanzler Olaf Scholz gegenüber Wladimir Putin einnehmen? Es habe immer Gespräche mit Russland gegeben, erwidert Scholz. Für die gemeinsame Sicherheit sei es aber "richtig, dass Deutschland hier mit anderen zusammen handelt". Europa und Russland müssten sich auf die Kriterien der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zurückbesinnen. "Zu denen übrigens auch die klare Aussage zählt, dass wir uns dazu bekennen, dass Grenzen in Europa nicht mehr mit Gewalt verschoben werden sollen."

"Was wir brauchen ist eine neue Ostpolitik", fordert Scholz. Russland müsse akzeptieren, "dass die Herrschaft des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gilt".