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Odessa: Zerstörung von UNESCO-Weltkulturerbe

24. Juli 2023

Die zerstörten Kulturstätten in Odessa sind nicht nur für die Ukraine von größter Bedeutung, sondern auch für die ganze Welt. Die DW hat mit der deutschen UNESCO-Kommission über die Angriffe auf Odessa gesprochen.

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Blick auf Jesus am Kreuz in der Verklärungskathedrale, die nach Raketenangriffen stark beschädigt ist.
Ikonen und Altar der Verklärungskathedrale wurden beim Raketenangriff auf Odessa zerstörtBild: Nina Liashonok/REUTERS

Erst im Januar dieses Jahres hatte die UNESCO das historische Zentrum der ukrainischen Hafenstadt Odessa nicht nur zum Weltkulturerbe erklärt, sondern auch in die Liste des gefährdeten Menschheitserbes aufgenommen. Das Ziel: die ausländische Kultur im Russland-Krieg vor der Zerstörung zu bewahren. Der erneute russische Angriff auf die Hafenstadt hat bei der UNESCO nun große Empörung ausgelöst. Lutz Möller, stellvertretender Generalsekretär der deutschen UNESCO-Kommission, betont im DW-Interview, dass es sich um Stätten von "universeller Bedeutung" handele. 

Drei Museen in Odessa getroffen

In der eigentlich zu schützenden Pufferzone in der Altstadt wurden gleich mehrere Museen angegriffen und beschädigt. Vor allem das Archäologische Museum, das Schifffahrtmuseum und das Literaturmuseum seien betroffen. "Das archäologische Museum und das Literaturmuseum liegen direkt nebeneinander, das Schifffahrtmuseum befindet sich am Hafen", so Möller. An allen drei Häusern habe es Schäden gegeben. "Ob die Sammlungsbestände für immer verloren sind, darüber haben wir leider noch keine umfassende Erkenntnis, da die Inventarisierung noch nicht abgeschlossen ist." Möller geht nicht davon aus, dass Mitarbeitende der Museen verletzt oder getötet wurden.

Der Altarraum in der Verklärungskathedrale nach Raketenangriffen weist starke Schäden auf.
Schwer getroffen: Altarraum der Verklärungskirche Bild: Jae C. Hong/AP/pictrture alliance

Verklärungskathedrale wohl einsturzgefährdet

Auch weitere Kulturstätten am Rande der Altstadt wie die Verklärungskathedrale, 1794 gegründet, seien schwer betroffen. Im Internet kursieren Bilder von eingestürzten Kuppeln und Dächern sowie einem zerstörten Altar und Ikonen im Innern. "Um zu sehen, dass die Statik der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche stark in Mitleidenschaft gezogen ist, muss man kein Experte sein", so Möller. Die Verklärungskathedrale war bereits 1936 auf Anweisung Josef Stalins zerstört und 1999 als möglichst originalgetreue Rekonstruktion wieder errichtet worden. Zarin Katharina die Große, Gründerin Odessas, ordnete den Kirchenbau einst an, der der Verklärung Christi geweiht sein sollte. Die Kirche wurde noch 2010 vom russischen Patriarchen Kirill besucht.

Mit Odessa wurde nun bereits zum zweiten Mal im russischen Angriffskrieg eine Weltkulturerbestadt beschossen. Erst vor zwei Wochen wurde Lwiw von Raketen getroffen.

Kulturerbe der Ukraine universal bedeutend

"Es ist nicht nur für die Ukraine eine Verpflichtung, diese Stätten zu erhalten, sondern für die ganze Welt. Die UNESCO beschützt sie nicht nur wegen der Bedeutung für die nationale Identität der Ukraine, die Stätten übersteigen die Bedeutung eines einzelnen Staates", betont Möller im DW-Interview. 

Mehrere 1000 Denkmäler, die aus UNESCO und ukrainischer Sicht als bedeutsam gelten, wurden in der Ukraine mit einem weiß-blauen Schild zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten gekennzeichnet. "Wir möchten diese Stätten mit dem weiß-blauen Schild sichern, damit sie nicht beschossen werden."

Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 wurden 270 Schäden an ukrainischen Kulturstätten sowie an 3500 Bildungseinrichtungen, wie Schulen oder Bibliotheken verzeichnet.

Eine beschädigte Kathedrale aus der Luft aufgenommen.
Die Schäden an der Verklärungskirche sind großBild: Yan Dobronosov/REUTERS

Die UNESCO hat Unterstützung zugesagt. Dabei könne es sich um personelle oder finanzielle Hilfe beim Wiederaufbau handeln. "Es kann so aussehen, dass der Wiederaufbau unter Koordination der UNESCO erfolgt, abhängig vom Grad der Beschädigung. Vielleicht reicht es auch, Geld zu sammeln, um der Ukraine beim Wiederaufbau zu helfen."

Der jüngste Angriff auf die Kultur in Odessa fällt außerdem mit der Zerstörung des Kulturzentrums für Volkskunst und Kunsterziehung in der 100 Kilometer entfernten Stadt Mykolajiw zusammen.

Roth: "Angriff auf alle Bereiche der Gesellschaft"

Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth sagte: "Die gezielten Angriffe Russlands auf die Museen in Odessa zeigen einmal mehr: Dieser Krieg ist ein Angriff auf alle Bereiche der ukrainischen Gesellschaft und Demokratie." Er richte sich "auch und insbesondere auf ihre eigenständige Kultur".
 
Zudem attackiere Russland mit der Bombardierung der Weltkulturerbe-Altstadt von Odessa "auch direkt einen bedeutenden Teil des kulturellen Erbes der Menschheit" und betreibe dessen Zerstörung, so Roth weiter. "Diese verbrecherische Gewalt gegen die Menschen in der Ukraine sowie ihre Kulturgüter muss ein Ende haben und von Russland sofort gestoppt werden." Die Bundesregierung stehe weiter fest an der Seite der Menschen in der Ukraine und ihrer Kultur.

Kulturstaatsministerin Roth steht neben einem mit Sandsäcken geschützten Monument in Odessa und hält eine goldene Figur in den Händen.
Im Juni vergangenen Jahres war Claudia Roth in Odessa zu BesuchBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

bb/hf/so (DW, UNESCO, dpa, epd)