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Neues Corona-Konzept für die Kultur

23. Februar 2021

Friseurbesuch ja, Kultur nein? Theater, Opernhäuser, Kinos wollen raus aus dem Lockdown. Gemeinsam mit der Wissenschaft haben sie einen Leitfaden erarbeitet.

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Das Kölner Lichtspielhaus und Kino Odeon macht aus seinem Außenschild mit einem großen Hinweis, Kultur ist nicht alles aber ohne Kultur ist alles nichts, auf die Kunst, Kultur und Kino Szene im Lockdown aufmerksam.
Noch sind Theater und Kinos geschlossenBild: Political-Moments/imago images

Wann wieder Schauspielerinnen und Schauspieler auf seiner Bühne stehen werden, weiß auch Martin Woelffer nicht. Aber immerhin ist der Intendant der Komödie am Kurfürstendamm zuversichtlich, dass es Perspektiven gibt, irgendwann wieder zu spielen. Denn soviel ist auch ihm klar: Das Corona-Virus wird noch eine Weile bleiben. Der Leitfaden "Rückkehr von Zuschauern und Gästen", erarbeitet von 20 Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, legt detailliert vor, wie eine Öffnung von Indoor- und Outdoorveranstaltungen möglich sein könnte: etwa mit 25 bis 30 Prozent Gesamtauslastung in Innenräumen, sowie bis zu 40 Prozent unter freiem Himmel. Außerdem sollen Maskenpflicht, Einhaltung der Abstandsregeln, der Verkauf von personenbezogenen - und damit nachverfolgbaren - Tickets sowie ein Konzept, das An- und Abreise regelt oder auch ein Ausschankverbot von alkoholischen Getränken bei Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen gelten.

Nähe und Distanz: Kultur gegen Corona-Frust

Sicherheitsabstand von zwei Metern im Innenraum

Die Forschenden schlagen sogar ein präzises Sitzschema für einen Theaterbesuch vor. Und klar ist: So viel Abstand zum Nächsten bietet keine Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Auch Schulvorstellungen sind nicht ausgeschlossen. Sie seien möglich, sofern die Lernenden im selben Klassenverband wie in der Schule sitzen. "Ein Sicherheitsabstand von 2,0 m sollte zur nächsten Klasse gewährleistet sein", heißt es in dem 21-seitigen Papier. Fachleute aus Infektiologie, Virologie, Raumlufttechnik, Gesundheitsökonomie, Sportmedizin und Kultur sowie Rechtswissenschaften haben dafür zusammen gearbeitet. "Ich glaube, dass der Leitfaden wirklich auf soliden Füßen steht. Es soll keine Belehrung sein. Aber wir müssen unbedingt anfangen, darüber zu sprechen, wie wir mit dem Virus zusammen in eine Art von Normalität zurückfinden", sagt Intendant Martin Woelffer. Die Empfehlungen des Leitfadens beziehen bereits existierende Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen - wie beispielsweise der RESTART-19 Studie der Universitätsmedizin Halle (Saale) - mit ein. 

Intendant Martin Woelffer steht vor leeren Rängen der Komödie und Theater am Kurfürstendamm.
Intendant Martin Woelffer will nicht länger vor leeren Rängen spielenBild: picture-alliance/R. Kremming

Risiko für Ansteckung verringern

Laut einer Studie des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes musste die Kreativwirtschaft durch die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr ein geschätztes Minus von 22,4 Milliarden Euro verkraften. Die freie Szene trifft es besonders hart. Die Coronakrise hat offenbart, dass die Bedingungen für viele Selbstständige im Kultursektor schon vor der Pandemie schwierig waren.

Durch die Lockdowns habe sich deren Situation noch einmal verschärft, betont Martin Woelffer. "Die Kultur ist natürlich nur ein Spiegel von dem, was sich überall abspielt. Die Schere, die schon längst da ist, zeigt sich jetzt umso deutlicher." Während der vergangenen Jahrzehnte sind viele Kulturschaffende in Deutschland dazu übergegangen, als Selbstständige zu arbeiten. Nicht immer freiwillig. Saisonarbeit und befristete Verträge sind die Regel. Deshalb sitzen viele von ihnen zwischen den Stühlen. "Unterstützung muss weiterhin sein, wenn man nicht will, dass es da eine riesige Pleitewelle gibt", sagt Woelffer.

Immunität der Bevölkerung wächst

Der Leitfaden nennt kein Datum für eine Öffnung. Doch die Initiative setzt voraus, dass die Impfungen der Bevölkerung bald Wirkung zeigen, auch für die neuartigen Mutanten, und damit der Gesundheitssektor wieder weniger belastet sein wird. Bis Ende April soll nach derzeitigem Stand die Risikogruppe 1 inklusive der über 80-Jährigen geimpft sein. Laut Robert Koch-Institut stammen circa 69 Prozent der bis dato in Deutschland aufgetretenen Todesfälle aus dieser Altersgruppe.

Ein Passant gehtan einem Kino mit dem Hinweisschild „2021 - Das Jahr in dem wir Kontakt aufnehmen“ vorbei.
Der Leitfaden "Rückkehr von Zuschauern und Gästen" macht Hoffnung auf eine Kontaktaufnahme - auch in den KinosBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

"Es ist ganz klug von den Autorinnen und Autoren, kein Datum vorzuschlagen und auch keine Inzidenzzahlen zu nennen, sondern einfach zu sagen: 'Guckt mal, es gibt Möglichkeiten, die sind schon alle da. Wir müssen sie nur umsetzen, um wieder öffnen zu können.'" Einen Antigen- oder Schnelltest - durchgeführt durch geschultes Person und nicht im Selbsttest, um Manipulationen vorzubeugen - sowie Privilegien für geimpfte Menschen könnten zu einem weitaus größeren Verkauf von Tickets führen, wie es die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Aussicht stellen.

Gleiche Regelungen für Kultur und Sport

Monika Grütters

Der Leitfaden gilt für Kinos, Theater- oder Opernhäuser genauso wie für Profi- oder Breitensport. "Im Prinzip ist das Zeigen von Sportveranstaltungen nichts anderes als eine Kulturveranstaltung und andersherum. Ich finde diese Kopplung von Sport und Kultur sehr sinnvoll", sagt Woelffer.

Immerhin macht der Leitfaden klare Vorschläge und zeigt damit eine Perspektive auf. Allerdings sind die vorgeschlagenen Maßnahmen auch mit einem personellen und damit nicht unerheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Es müssten Mitarbeiter für Testungen geschult werden, zusätzliche Kontrollen organisiert und digitale Portale für die Prüfung der Impfausweise eingeführt werden.

So schnell rückt der Opernbesuch also nicht in greifbare Nähe. Ohne einen politischen Willen, den Vorschlägen aus der Wissenschaft Folge und die notwendigen Investitionen zu leisten, wird es wohl doch noch etwas dauern.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion