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Neuer Ruhm für belgischen Wein dank Dürre?

Christina Strunck Brüssel
17. September 2022

Die Sommerhitze hat viele Ernten in Europa zerstört. Doch nicht so auf belgischen Weingütern: Die Winzer dort freuen sich über das trockene Klima. Der 2022er Jahrgang wird ein guter, sind sich einige sicher.

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Winzer Lodewijk Waes mit einer Rebe
Winzer Lodewijk Waes freut sich auf den 2022er Jahrgang. Er betreibt seit 2005 ein Weingut in Zwijnaarde nahe Gent. Bild: Lodewijk Waes

Lodewijk Waes erntet die grünen Trauben vom Weinstock. Eine volle Rebe, runde, reife Trauben hängen daran. Kaum eine ist verschrumpelt. Der Winzer lächelt, denn: Dieses Jahr ist ein gutes Jahr für den belgischen Wein. Da ist er sich sicher. Die Dürre, die vielen Landwirten in Europa in diesem Jahr große Sorgen bereitet, hat den belgischen Weintrauben gutgetan. Sie haben mehr Süße, haben kaum Krankheiten bekommen und sind gut gereift. 

Rebe mit weißen Trauben
Die Weinlese in Belgien hat begonnen und viele Winzer können sich über gut gereifte Trauben freuenBild: Christina Strunck/DW

Freunde, Verwandte und Mitarbeitende sitzen deshalb jetzt auf Hockern entlang der Rebstöcke in Waes' Weingut in Zwijnaarde nahe der Stadt Gent und pflücken fleißig die Reben. Ihre Eimer füllen sich schnell - ganz im Gegensatz zum vergangenen Jahr. Wie Waes berichtet, hatte der Regen 2021 viele Trauben zerstört. Er erwartet, dass er in diesem Jahr doppelt so viel ernten kann wie damals. Das Weingut Waes umfasst vier Hektar Land. Zum Vergleich: In der bekannteren Weinbauregion an der Mosel geben laut dem Moselwein e.V. viele Winzer ihre Weingüter auf, wenn sie kleiner als fünf Hektar sind. 

Interesse an belgischem Wein steigt

Währenddessen wächst die Zahl der Winzerinnen und Winzer in Belgien stetig. Der Bund Belgischer Winzer berichtet, dass die Zahl aktuell jedes Jahr um 25 Prozent steigt, Amateure inbegriffen. Inzwischen ist die Fläche, die für den Weinanbau genutzt wird, demnach mehr als fünf Mal so groß wie noch vor zehn Jahren. Diese positiven Entwicklung beobachtet auch Humphrey Serjeantson. Er ist Forschungsdirektor für den Bereich Westeuropa am IWSR, einem Marktanalyse-Unternehmen für alkoholische Getränke, und bemerkt, dass die Qualität des Weißweins aus Belgien hoch ist. "Gehobene belgische Restaurants werden alle ein oder zwei belgische Weine auf der Karte haben, während das vor 20 Jahren noch eher etwas für Neugierige war."

Vertrocknete Reben
In südlicheren Orten Europas, wie hier in Frankreich, hat die Hitze Teile der Ernte "verbrannt"Bild: Patrick Aventurier/abaca/picture alliance

Traditionell ist Belgien ein Bier-Land. Wein von hier ist eher unbekannt, während die Vielfalt des belgischen Bieres auch über die Grenzen hinweg berühmt ist. Bezeichnend ist da, dass Serjeantson der Presse bisher noch keine Auskünfte über belgischen Wein geben musste, wohl aber über französischen, spanischen oder italienischen Wein. Lange hielt man Weinanbau nördlich des 50. Breitengrades nicht für möglich - Belgien liegt am 51. Breitengrad. Doch durch die globale Erwärmung investieren laut IWSR französische Winzer inzwischen sogar in Großbritannien, in Kent und Sussex. Und so bemerkt auch Lodewijk Waes, dass sich die Qualität der Trauben in Belgien immer weiter verbessert: Der Wein bekommt mehr Süße und bewahrt dabei die Säure, die für Wein aus nördlicheren Weinregionen typisch ist. Bislang macht aufgrund dieser Säure Schaumwein den größten Teil der Produktion aus, dicht gefolgt von Weißwein. 

Auch Waes produziert Weißwein. In diesem Jahr waren die Bedingungen dafür perfekt, wie er beim Besuch auf seinem Weingut erklärt: Die Pflanzen hatten trotz der Dürre genug Wasser, die Sonne hat nur wenige Pflanzen verbrannt und der Geschmack der Trauben konnte sich gut entwickeln. Auch Biopestizide musste er in diesem Jahr nur zwei Mal einsetzen, um die Pflanzen zu schützen. Normalerweise nutzt er die Pflanzenschutzmittel acht bis zehn Mal im Jahr, damit sich keine Krankheiten bilden. Seine Weinpflanzen sind zwischen sechs und 17 Jahren alt. Winzer mit jüngeren Pflanzen hatten allerdings Probleme, weil sie durch die Dürre kaum Wurzeln entwickeln konnten.

Rebenreihe, teilweise mit blauen Netzen eingewickelt
Mit Netzen schützt Waes seine Weinstöcke gegen Hagel. Er erwartet, dass Stürme und extreme Wetterereignisse durch den Klimawandel häufiger werden. Bild: Christina Strunck/DW

Klimawandel bereitet Winzern auch Sorgen

Waes persönlich hätte nichts gegen weitere Sommer mit so vielen Sonnenstunden wie in diesem Jahr. Doch er ist sich bewusst, dass das nur eine Seite des Klimawandels ist. "Ich befürchte, dass wir viele Jahre mit extremer Hitze und andere Jahre mit extremer Feuchtigkeit haben werden." Darauf müsse er sich einstellen und seine Arbeitsweise anpassen. Auch auf Stürme bereitet er sich vor. Gegen Hagel hat er zum Beispiel Netze entlang der Pflanzen gespannt, die die Trauben schützen sollen. Auch Heizmaschinen musste der Winzer anbringen. Denn der Frost kommt inzwischen immer später: Früher war es eher von Dezember bis Februar kalt, jetzt friert es in den April- und Mai-Nächten. Dann, wenn die Trauben schon wieder zu wachsen beginnen und Kälte nicht durchstehen können.

Doch das trübt Waes' positive Sicht auf die Zukunft nicht. Er scherzt sogar, dass belgischer Wein die Qualität des weltberühmten Weins aus Bordeaux erreichen kann, wenn es so weiter geht. Marktanalyst Serjeantson hält das für nicht wirklich realistisch, denn Bordeaux ist schon seit Jahrzehnten für seinen Weinbau bekannt und hat auch in Sachen Export große Vorteile. Doch auch er beobachtet, dass belgischer Wein immer besser wird und häufiger nachgefragt wird. Dennoch: Belgien steht weltweit nur an 49. Stelle, wenn es um die Menge des produzierten Weines geht. Selbst in Großbritannien wird mehr Wein abgefüllt - und der Klimawandel, der für bessere Bedingungen in Belgien sorgt, der macht nicht an der nördlichen belgischen Grenze Halt.