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Musik

Brittens "War Requiem" in Köln

Rick Fulker
7. April 2018

Ein Zeichen für Frieden und Zusammenhalt: Sechs Chöre aus vier Ländern, zwei Jugendorchester, ein Kammerorchester, drei Vokalsolisten, zwei Dirigenten arbeiteten für die Inszenierung des "War Requiem" zusammen.

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Bundesjugendorchester Köln
Bild: Lisa Burgwinkel

Die Musik beginnt mit pulsierenden Bewegungen im Orchester, die an kurze, nervöse Atemzüge erinnern. 90 Minuten später singt der Chor allein, ganz leise. Danach: Stille. Es vergehen gut zwanzig Sekunden, bis der Dirigent den Taktstock fallen lässt. Erst dann kommt der Applaus, der nicht enden will.

Dazwischen Brittens "War Requiem": Klänge, die an Kriegsschlachten erinnern, oder ätherische Klänge aus dem Jenseits, oft beunruhigend und unheimlich, mit quertreibenden Rhythmen. Man könnte den Titel "War Requiem" als "Totenmesse für den Krieg" übersetzen – als wäre der Krieg selbst ein für allemal aus der Welt geschaffen: tot, ad acta gelegt. 

"War Requiem: Ewig ruhe der Krieg!" heißt auch das Riesenunterfangen mit Aufführungen in Köln, Breslau und Berlin. Ein Wunsch, den wohl jeder nach dem Auftakt in der Kölner Philharmonie am 6. April hatte. Das Publikum im vollbesetzten Amphitheater erlebte rund 300 Musiker, die meisten von ihnen jüngeren Semesters: Das Bundesjugendorchester spielte zusammen mit Mitgliedern des Orchestra Français des Jeunes, und zu den Stimmen des Kölner Bach-Vereins gesellten sich der Jugendchor der Lukaskirche Bonn, der Knabenchor Les Pastoureaux aus Belgien, der Polnische Nationaljugendchor und der Mädchenchor des Doms zu Coventry aus England hinzu.

Jugendliche Energie

Auf die Jugendlichkeit der Musiker legte der Hauptdirigent der Aufführung, Thomas Neuhoff, besonders viel Wert, wie er im DW-Interview betonte: "Diese Begeisterung erlebt man einfach nicht mehr bei älteren Generationen von Musikern, die seit Jahren in Berufsorchestern oder -chören arbeiten. Ich hoffe, dass wir von der Emotionalität, die im Spiel dieser jungen Menschen steckt, profitieren können."

Sönke Lentz steht neben einer Harfe
Sönke Lentz, Projektleiter des Bundesjugendorchesters, ließ sich von der Idee begeisternBild: DW/M. Berg

Für Agnieszka Franków-Żelazny ist Neuhoffs Hoffnung aufgegangen: "Selbst wenn man die subtile Botschaft der englischen Texte nicht versteht, ist es schier unmöglich, nicht von der Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit der Darbietung durch diese junge Menschen überwältigt zu werden", sagte die künstlerische Leiterin des Polnischen Nationaljugendchores.

Immateriales Kulturerbe

Unter dem Motto "Sharing Heritage" (Kulturerbe teilen) findet "War Requiem: Ewig ruhe der Krieg!" neben fast 40 weiteren Projekten im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 statt. Zu den Förderern gehört das Staatsministerium für Kultur und Medien, dessen Leiterin Monika Grütters Brittens Werk als "ein ergreifendes Beispiel tiefer Menschlichkeit und auch ein musikalisches Mahnmal" beschreibt. 

Der Zusammenschluss von sechs Chören aus vier Ländern sowie der Jugendorchester aus Frankreich und Deutschland kam auf Initiative des Bonner Chordirigenten Thomas Neuhoff zustande, der nicht nur eine musikalische Bedeutung darin erkannte. "Wir wollen ein Zeichen gegen nationalistischen Tendenzen und Separatismus setzen", sagte er. "Dieses Unterfangen geht nur auf, wenn man sich aufeinander verlässt. Hier ist die europäische Idee positiv besetzt."

Ganze drei Jahre Vorbereitungsarbeit gehörten dazu, und was im Ergebnis wie ein harmonisches Ganzes klang, war nur durch wochenlange Proben der einzelnen Formationen möglich. Ungewöhnlich ist auch, dass zwei Dirigenten bei Brittens Requiem am Werk sind: Neben dem Hauptdirigenten für Orchester und Chöre leitet ein zweiter Dirigent ein Kammerensemble, Daniel Spaw. "Es ist beinahe so, als stehe der Text unter Strom", sagte der US-Amerikaner gegenüber der DW – und meinte die besondere Qualität von Brittens Textvertonungen. "Die Musik scheint geladen zu sein, manchmal glüht sie geradezu."

Benjamin Britten
Benjamin Brittens "War Requiem" gilt als sein Meisterwerk Bild: picture-alliance/dpa

Tiefgreifende Symbolik

"Allen Beteiligten war klar, welche Symbolik in der internationalen Besetzung steckt", sagte Daniel Spaw: "Vor etwa siebzig Jahren wurden viele unsere Großväter oder Urgroßväter instruiert, einander umzubringen. Heute können wir zusammensitzen und gemeinsam musizieren. Dafür ist die Kunst da." 

Brittens "War Requiem" erklang zum ersten Mal im Mai 1962 im Dom zu Coventry und wird dort regelmäßig aufgeführt. "So weit ich weiß, ist dies das erste Mal, dass der Dom zu Coventry sich an einer wirklich internationalen Aufführung des Werks beteiligt ist. Es freut uns sehr, zu erleben, wie diese Botschaft von Frieden und Versöhnung, die Coventry Cathedral gerne promotet, auf eine so wirksame Weise den musikalischen Ausdruck findet", sagt Kerry Beaumont, Leiter des dortigen Mädchenchors.

Nach Köln macht das "War Requiem" am 8. April im Neuen Musikforum in Breslau und am 10. April in der Philharmonie Berlin Station.