Märklin wieder in der Spur
24. Dezember 2013Gut eine halbe Stunde Fahrt von der Autostadt Stuttgart entfernt, taucht man ins Reich der Eisenbahnen ein. Genauer gesagt der Miniatur-Eisenbahnen. Denn hier in Göppingen produziert Märklin seine Lokomotiven und Züge und das schon sehr lange. Vor vier Jahren - und zwar genau im Jahr des 150. Jubiläums - musste der Marktführer für Modellbahnen aber Insolvenz anmelden.
Angebahnt hatte sich die Pleite schon früher. Seit Anfang des Jahrtausends herrschte Unruhe in der Chefetage des Modelleisenbahnbauers. Die damaligen Eigner waren zerstritten und konnten sich nicht auf eine Richtung einigen. 2006 wurde das Unternehmen dann an einen Finanzinvestor verkauft. Aber auch der schaffte keine Wende. Vier Jahre später, just zum Jubiläum, folgte die Insolvenz. Die war aber, dank des Insolvenzverwalters, nicht das Ende.
"Märklin war an sich sehr gut in Schuss, es hat alles gepasst, es ist eine tolle Mannschaft hier", sagt Florian Sieber. "Trotz der langen Jahre, die Märklin durch die Insolvenz gegangen ist, waren die Mitarbeiter in den Produktionen und in der Entwicklung motiviert und engagiert." Das erlebe man nicht oft bei einem insolventen Unternehmen, "da ist doch auch viel Frust da." Siebers Vater, der Eigentümer des größten deutschen Spielwarenherstellers Simba Dickie, hatte Anfang dieses Jahres Märklin übernommen und seinem Sohn einen Teil der Geschäftsführung übergeben. Seit 2009, als man der existierenden Mannschaft bei Märklin und den Leuten, die sich mit der Branche und mit den Produkten auskennen, wieder mehr Verantwortung gegeben habe, sei es wieder bergauf gegangen, meint Florian Sieber.
Kein Weg zu weit für die Planung
Während es an der Spitze des Unternehmens viel Wechsel gab, sind die Kunden den kleinen Eisenbahnen treu geblieben. Die Kunden, das sind vor allem Männer um die 40. Für Kinder sind die Modelle, bei denen eine Lok um die 300 Euro kostet, einfach zu teuer. Die großen Fans haben sich in Stammtischen, Clubs und Vereinen organisiert, sie kommen auch zum Tag der offenen Tür nach Göppingen, um sich die Entstehung der Eisenbahnwelt anzuschauen. Danach würde sich so mancher wundern, dass die Lokomotiven nicht mehr kosten, erzählt Märklin-Mitarbeiter Eric-Michael Peschel bei einem Gang durch die Produktion.
Verschlossen bleibt dagegen die Entwicklungsabteilung. Hier entsteht schon viel Aufwand, bevor die eigentliche Produktion überhaupt erst losgeht. Vor allem bei der Planung historischer Züge, so wie beim "Big Boy", von dem nur noch rund 25 Züge existieren. Um diesen Zug nachzubauen, seien Mitarbeiter in die USA geflogen, um dort die noch existierenden Züge zu vermessen und zu fotografieren, sagt Peschel. Für den "Big Boy" seien über 2000 Fotos geschossen worden. Außerdem seien Mitarbeiter mit dieser Lokomotive mitgefahren und hätten die Originalgeräusche aufgenommen, die später in den Elektronikbaustein eingearbeitet würden. Denn auch die Geräusche sollen originalgetreu sein.
Achtung: Kunde zählt nach!
Ist die Planung abgeschlossen, werden Druckgussformen hergestellt, in denen die Grundform des Zuges in Zink gegossen wird. Dabei kommt es auf jedes Detail an - und sei es noch so klein. "Wir haben in den letzten Jahren Verfahren entwickelt, durch die wir Details schon mit in den Druckguss einarbeiten können. Ob das einzelne Nieten sind oder die Lüfterbereiche", erklärt Peschel. "Unsere Kundschaft zählt da auch schon mal nach." Und es käme durchaus vor, dass sich Kunden dann melden und sagen "Menschenskind, da habt ihr aber eine Niete vergessen."
Bis zu zwei Jahre wird entwickelt
Nach dem Guss werden die Rohlinge geschliffen, lackiert und mit Aufschriften versehen. Vieles wird dabei in Handarbeit gemacht. Und selbst die Aufschriften, die so klein sind, dass man eine stark vergrößernde Lupe braucht, um sie überhaupt lesen zu können, stimmen exakt mit denen am Original überein. Denn die echten Fans merken eben wirklich alles! Daneben werden noch Plastikteile gegossen und Kabel zurechtgeschnitten.
Immer detailreicher und komplexer würden die Märklin-Züge, sagt Florian Siebert: "Wir bauen heute Lokomotiven mit rund 300 Einzelteilen, mit Elektronik, einer sehr komplexen Mechanik und dem Getriebe." Da für jedes dieser Teile eine bestimmte Form erstellt werden müsse, könne man kaum Synergien zu anderen Modellen nutzen. Das mache die Produktion auch teuer. So erklärt sich auch, dass die Neukonstruktion einer Lokomotive knapp zwei Jahre dauern kann und Kosten bis zu 900.000 Euro verursacht.
Märklin will expandieren
Bis zu 20 Neuheiten gibt es jedes Jahr bei Märklin, dafür werden mehr als acht Millionen Euro investiert. Auf der anderen Seite steht aber ein weltweites Marktvolumen von etwa 900 Millionen Euro, wie Experten schätzen. Damit Märklin daran künftig stärker teilhat, will der neue Geschäftsführer den Konkurrenten Marktanteile abnehmen. Dafür sollen wieder mehr Spurweiten angeboten werden, günstigere Einsteigemodelle sind geplant, damit die Eisenbahnen auch wieder in Kinderzimmern fahren. Zudem soll künftig noch stärker im Ausland expandiert werden. Vor allem in Osteuropa, Russland und in den USA sieht Siebert viel Potential. Noch wird der Großteil des Umsatzes - nämlich etwas mehr als drei Viertel - in Deutschland erzielt. Märklin-Fans im Ausland gibt es aber schon jetzt:
Er habe gerade einen Brief aus Ecuador bekommen, erzählt Sieber. Überhaupt komme Fanpost aber auch Briefe mit Kritik und Anliegen aus der ganzen Welt. Händler gebe es sowohl in Bangkok, als auch in Hongkong und in Tokio. "Also in fast jeder größeren Hauptstadt, über die ganze Welt verteilt, ist Märklin auffindbar. Man muss sicherlich danach suchen." Damit die Fans nicht zu lange suchen müssen, will Siebert die Sichtbarkeit im Ausland erhöhen, beispielsweise über Flagship-Stores. Einen ersten gibt es schon in München. Und man überlegt in Göppingen, solche Märklin-Geschäfte in den kommenden Jahren auch im Ausland zu eröffnen.
Für seine eigene Eisenbahn hat Siebert dabei bislang keine Zeit. Die liegt seit den Kindertagen verstaut auf dem Dachboden. Aber, wenn die Arbeit nicht mehr so drückt, will er sie wieder aufbauen. So zumindest sein Vorsatz.